ForumSteigende Zinsen und individuelle Finanzkrisen: Gedanken zur Entschärfung der Lage

Forum / Steigende Zinsen und individuelle Finanzkrisen: Gedanken zur Entschärfung der Lage
 Foto: Editpress-Archiv/François Aussems

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Mit der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), nach Jahren niedriger Zinsen an der Zinsschraube zu drehen, verschärft sich die schon bestehende Wohnungsnot in Luxemburg auf besorgniserregende Weise. Schon in den Jahren niedriger Bauzinsen war es, angesichts hoher Immobilienpreise, nicht für jeden möglich, eine Eigentumswohnung zu erwerben. Wenn nicht geerbt wurde, wenn nicht beide Partner berufstätig waren, wenn nicht Eltern oder gar Großeltern mithalfen, zu finanzieren, war es oft eine Sache der Unmöglichkeit. Es sei denn, die Verschuldungsdauer wurde auf 30 oder gar 35 Jahre ausgedehnt, um Wohnungs- beziehungsweise Hauseigentümer zu werden.

Und angesichts dieser hohen Zinsen überlegt nicht nur der Einzelne mindestens zweimal. Auch die Banken gehen bei der Immobilienkreditvergabe selektiver vor. Diese Selektivität, dieses Zögern hat zur Konsequenz, dass immer weniger in Stein investiert wird. Mit der logischen Folge, dass der Bausektor immer weniger Aufträge hat.

Dass im Moment die genauen Auswirkungen noch nicht abschätzbar beziehungsweise nicht sichtbar sind, vereinfacht nicht gerade die Lage. Wohnungen, die heute nicht geplant, nicht gebaut werden, fehlen auf Jahre und diese Lücke kann nicht einfach in ein paar Jahren durch ein Mehr an Bauen kompensiert werden. Hier bedarf es dringend staatlicher Intervention. Kreative Lösungen abseits der üblichen ausgetretenen Pfade werden benötigt.

Marc Spautz ist CSV-Abgeordneter
Marc Spautz ist CSV-Abgeordneter Foto: privat

Dass die Banken nach dem Geschäftsmodell der Gewinnmaximierung funktionieren, ist aus ihrer Sicht legitim. In der Finanzkrise aber – die von vielen, hauptsächlich aber von den zuständigen Verantwortlichen in den Banken scheinbar vergessen worden ist – war es die damalige Luxemburger Regierung, die die Entscheidung traf, jenen Luxemburger Banken, die in eine Schieflage geraten waren, mit beizustehen, um einen Zusammenbruch abzuwenden. Dies geschah mit den Steuergeldern – also unser aller Geld. Diese Entscheidung war richtig, das steht außer Frage. In der heutigen Situation steigender Zinsen aber – vor allem jener, die die Banken ihren Kunden beim Abbezahlen eines Immobiliendarlehens abverlangen – kann man sich aber die Frage stellen, ob jede Anhebung des Leitzinses durch die EZB auch integral durch die Banken an ihre Kunden durchgereicht werden muss.

Steigerung der Bauzinsen stoppen

Es ist auch so, dass die Zinsen auf den Guthaben, welche die Kunden auf den Konten ihrer jeweiligen Banken stehen haben, nicht in dem Maße steigen wie die Zinsen auf Krediten. Vor allem die flexiblen Zinsen bei den Baukrediten stellen viele vor fast unüberwindbare Schwierigkeiten. Es gibt zahlreiche Beispiele von Familien, die vor der Frage stehen, entweder massiv ihre Lebensqualität einzuschränken, um die Kredite weiter bedienen zu können, oder ganz einfach den Traum von einem Eigenheim ad acta zu legen – wenn überhaupt im Moment ein Käufer zu finden ist.

Wäre es nicht angebrachter und eine Überlegung wert, die Bauzinsen nicht integral weiter ansteigen zu lassen, um die sich anbahnende Immobilienkrise nicht noch weiter anzuheizen? Anstatt den Leuten zu raten, sich mit ihrer Bank in Verbindung zu setzen, wäre es nicht angebrachter, dass die Banken aktiv den Kontakt mit ihren Kunden suchen? Und ihnen dann realistische und umsetzbare Lösungen vorschlagen? Viele haben sich in der Zeit niedriger Zinsen auf Kredite eingelassen, die sie heute nicht mehr bedienen können. Sollten vor allem die Luxemburger Banken nun nicht ein Zeichen setzen, indem sie moderat mit etwaigen weiteren Zinserhöhungen umgehen?

Niemand verlangt, dass die Banken Verluste bei der Vergabe der Baukredite hinnehmen sollen. Verlangen könnte man aber, dass die Banken Weitsicht walten lassen, um jenen, die durch den rasanten Anstieg der Bauzinsen in existenzielle Not geraten sind, zu helfen. Vor allem sind es hier die sogenannten Übergangskredite, bei denen dringender Handlungsbedarf besteht. Eine nicht unwesentliche Rolle hat hier auch der Luxemburger Staat zu spielen, sei es als Garant, sei es mit Steueranpassungen.

Die Zeit drängt! Die Lösungssuche weiter zu vertagen oder etwa die kommende Regierungskoalition abwarten zu wollen, ist unverantwortlich. Die Lage ist ernst. Für Besitzer und Bausektor gleichermaßen. Branchenkenner haben in den vergangenen Monaten sehr deutliche Worte gefunden und dringend vor den Konsequenzen des Zuschauens gewarnt.

Ist die Pleitewelle erst einmal da, wird es schwierig werden, ausreichend Arbeitskräfte zu finden, wenn sich die Baubranche wieder erholt hat. An dieser Stelle sei der Horeca-Sektor als nicht nachahmenswertes Beispiel genannt: Zahlreiche der während der Pandemie abgewanderten Fachkräfte konnten bis heute nicht ersetzt werden.

Das Fazit dieser Krise kann nicht darin bestehen, dass die Luxemburger Regierung in der Finanzkrise alles Mögliche tat, um die Banken zu retten, nun aber ihre Bürger und einen ganzen Wirtschaftssektor – in ihrer jeweiligen ganz persönlichen Finanzkrise – im Regen stehen lässt.