Tageblatt-WM-KolumneGefährlich steile Thesen

Tageblatt-WM-Kolumne / Gefährlich steile Thesen
Für die deutsche Mannschaft ging es nicht ganz so weit, wie TV-Experte Christoph Kramer prophezeit hatte  Foto: Tom Weller/dpa

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Ich bin immer wieder begeistert, wie selbstsicher TV-Experten auftreten. Sie dreschen ihre Phrasen, sehen die Zukunft voraus und versuchen zu erklären, warum es denn ganz logisch sei, dass Mannschaft XY mindestens bis ins Halbfinale kommt. Als bestes Beispiel bleibt mir Christoph Kramer, Experte beim ZDF, in Erinnerung. Nach Deutschlands 1:1 gegen Spanien war er sich sicher: „Ich will mir mit diesen nicht mal steilen Thesen keinen Applaus abholen. Aber auch das Japan-Spiel – solche Spiele verlierst du in einem von 50 Fällen. Die Leistung war super und heute auch. Wir hatten viel Energie dabei, es war genau der richtige Matchplan. Es wird in diesem Turnier ganz weit gehen, ganz sicher.“ 

Ganz sicher! Der Rest der Geschichte ist bekannt: Vier Tage später war für die Mannschaft Feierabend. Und Kramer hatte plötzlich eine ganz andere Meinung. Heute versuche ich mich als Experte und stelle meine drei steilen Thesen auf. Denn die entsprechen der Wahrheit. Ganz sicher!

1. Italien wird dieses Jahr nicht Weltmeister! Ich glaube, diese These brauche ich nicht weiter auszuführen. 

2. Die langen Nachspielzeiten gelten den fußballverrückten katarischen Fans! Klar, so ein Event wie eine Fußball-WM erlebt man im eigenen Land vielleicht nur einmal im Leben – und deswegen will Katar jedes Spiel ausnutzen. 24 Minuten gab es beim Gruppenspiel England gegen den Iran obendrauf – und die Fans genießen! Nun gut, vielleicht hat der eine oder andere katarische Fan manchmal auch Besseres zu tun: den Großvater noch nachträglich zum Geburtstag anrufen, zu Hause ein Regal aufbauen oder das Sudoku in der lokalen Zeitung lösen – dann muss man eben in der 38. Minute das Stadion mal verlassen. Passiert.

3. Die Zuschauer sind nicht gekauft, die Fankultur ist einfach eine andere! Fan-Märsche haben mittlerweile auch den Wüstenstaat Katar erreicht. Das ist wohl nichts Besonderes, schließlich leben wir in Zeiten der Globalisierung. Gut, dass bei diesen Märschen lediglich arabischstämmige Männer zu sehen sind, verstehe ich auch nicht so richtig. Sei’s drum, immerhin wirken die Fangesänge der Katarer authentisch. Ich bin mir sicher, dass die katarischen Ultras die nächste Auswärtsreise in Kauf nehmen und ihre Mannschaft bedingungslos unterstützen werden. 

Ironie aus, man kann sich auch mal irren. Das ist menschlich – auch als TV-Experte. Aber von einer Sache bin ich doch überzeugt: Weltmeister wird die Mannschaft, die das Finale gewinnt. Ganz sicher!

JJ
6. Dezember 2022 - 9.28

So ist das mit Experten. Die Auguren der Neuzeit. Sie diskutieren stundenlang über alles und nichts um die Zeit bis zum Anpfiff zu überbrücken oder nach dem Spiel die Zuschauer in den Schlaf zu palawern. Wie stand heuer in der Zeitung " Sinnloses Geschwafel". Also.