Montag27. Oktober 2025

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KriminalstatistikenDas steckt hinter dem Zahlenmaterial der Polizei

Kriminalstatistiken / Das steckt hinter dem Zahlenmaterial der Polizei
Höhen und Tiefen: Die Kriminalstatistiken wurden am Donnerstag von Polizeiminister Henri Kox und Polizeidirektor Pascal Peters präsentiert Foto: Editpress/Julien Garroy

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Unter dem Strich ist die Zahl der Verbrechen in Luxemburg in den letzten Jahren stabil geblieben. Unter Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums sind die Kriminalstatistiken sogar leicht rückläufig. Im Detail offenbaren sich allerdings Unterschiede, von denen viele mit den gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten zwei Jahre erklärt werden können – Stichwort Pandemie. Andere sind auf Wechsel in der Herangehensweise innerhalb der Polizei zurückzuführen, wie etwa bei der Drogenbekämpfung.

„Es war kein einfaches Jahr“, so die Zusammenfassung von Polizeiminister Henri Kox („déi gréng“) gleich zu Beginn der Präsentation. Anlass war die Veröffentlichung der alljährlichen Kriminalstatistiken – also der Fälle und Vergehen, die der Polizei im Jahr 2021 gemeldet oder von den Ordnungshütern geahndet wurden. Es seien dies denn auch rein nur polizeiliche Statistiken, wie der Direktor der administrativen Polizei, Pascal Peters, erklärte. In anderen Worten: Ob und inwiefern diese Vergehen später auch juristische Folgen hatten, geht nicht aus dem Zahlenmaterial hervor.

Statistiken seien immer nur eine Momentaufnahme, so Henri Kox. Eine Momentaufnahme, die ganz klar noch immer im Zeichen der Pandemie zu betrachten ist. Und das gilt nicht nur für die Statistiken, sondern auch für viele Herausforderungen, mit denen die Luxemburger Ordnungskräfte im letzten Jahr konfrontiert wurden.

So waren es letztendlich die Beamtinnen und Beamten, die im Alltag die unterschiedlichsten Maßnahmen im Kampf gegen die sanitäre Krise durchsetzen, beziehungsweise überwachen mussten. Auch waren sie es, die den Groll missmutiger Bürger am deutlichsten zu spüren bekamen – und das nicht nur im Rahmen der Proteste gegen die Covid-Politik der Regierung, die gegen Ende des Jahres immer hitziger wurden. Dem Minister zufolge sei es den Behörden auf jeden Fall gelungen, ein gutes Gleichgewicht zu finden zwischen dem Interessenschutz einer Allgemeinheit und der Ausdrucksfreiheit eines Einzelnen.

Begonnen hatte das Jahr 2021 hingegen mit einer Kontroverse um den Einsatz privater Sicherheitsdienste an städtischen Brennpunkten, die Diskussionen über die Ausführung der öffentlichen Macht im öffentlichen Raum mit sich brachten. Der Wandel in der Herangehensweise im Kampf gegen die Drogenkriminalität wäre dann zum Teil auch auf diese Problematik zurückzuführen.

Der Schein trügt

Auf dem Papier drückt sich dieser Paradigmenwechsel in einem leichten Rückgang der festgestellten Drogendelikte aus. Doch soll man sich vom Schein nicht trügen lassen. Die Polizei will das Problem fortan noch stärker an der Wurzel packen. In anderen Worten: Statt sich auf die Konsumenten zu konzentrieren, widmen sich die Ermittler verstärkt den Dealern und Schmugglern. Die Folge sind einerseits aufwendigere Ermittlungen und ein Rückgang bei der Verfolgung von Endkonsumenten. Andererseits habe die Herangehensweise aber bereits erste Früchte getragen, wie die Verantwortlichen während der Präsentation versicherten.

Die Bekämpfung der Drogenkriminalität gehöre selbstverständlich zu den Prioritäten der Polizei. Dabei seien die Ordnungshüter auf die Zusammenarbeit mit der Politik, den Gemeinden und der Zivilbevölkerung angewiesen. Prävention spielt in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle. Das gilt allerdings auch für andere Verbrechen wie Einbrüche oder häusliche Gewalt. Zwei Felder, in denen die Polizei ermutigende Entwicklungen feststellen konnte. Natürlich muss man immer von einer Dunkelziffer ausgehen, die insbesondere im Fall von häuslicher Gewalt relativ hoch sein dürfte. Aus diesem Grund wird das zuständige Chancengleichheitsministerium im Juni verstärkt auf das Thema eingehen.

Am deutlichsten ist der Einfluss der Pandemie allerdings bei den Einbruchs- und Diebstahlstatistiken zu erkennen. Einbrecher suchen stets den Weg des geringsten Widerstands. Leer stehende Wohnungen sind besonders attraktiv. Was während der sanitären Krise aber nur selten der Fall war. Zeitgleich konnte die Polizei mit einer verstärkten Prävention dafür sorgen, dass die Bürger ihre Wohnungen besser schützen. Besonders interessant ist aber der Umstand, dass 2021 weitaus mehr Fahrräder gestohlen wurden als in den Jahren zuvor. Wohl auch eine indirekte Folge der Pandemie und der wiederentdeckten Lust am Radeln.

 Grafik: Police Lëtzebuerg

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 30.213 Fälle von der Polizei bearbeitet. Dabei wurden 42.875 Vergehen festgestellt – ein Schnitt von 1,42 Delikten pro Dossier und eine Steigerung gegenüber dem Fünfjahresschnitt (2017-2021) von 1,32. Im Durchschnitt wurden zuletzt 29.614 Fälle im Jahr bearbeitet. Mit 30.213 Dossiers liegt das Pandemiejahr 2021 zwar etwas über diesem Wert (+1,98 Prozent). Allgemein aber ist die Zahl der Fälle rückläufig, wenn man das Wachstum der Bevölkerung mit einbezieht: Pro 100.000 Einwohner wurden letztes Jahr „nur“ 4.760 Fälle festgestellt – ein Minus von 1,45 Prozent im Vergleich zum Fünfjahresschnitt. Die Aufklärungsrate liegt indessen bei 53,2 Prozent – ein leichtes Plus gegenüber dem Fünfjahresschnitt von 51,7 Prozent. 

Als zuständige Abteilungsleiter bei der Kriminalpolizei konnten Marc Wagner (l.) und Jean-Louis Bordet das Zahlenmaterial vertiefen
Als zuständige Abteilungsleiter bei der Kriminalpolizei konnten Marc Wagner (l.) und Jean-Louis Bordet das Zahlenmaterial vertiefen Foto: Editpress/Julien Garroy

Zum Verständnis

Die Polizei unterscheidet zwischen Fällen und Vergehen, da ein einzelnes Verbrechen gleich mit mehreren Strafverstößen geahndet werden kann: Einer Person, die mit Drogen erwischt wird, kann man beispielsweise Besitz, Konsum und den Verkauf vorwerfen. Im Fall von häuslicher Gewalt könnten indessen Drohungen, Beleidigungen oder Körperverletzung infrage kommen. Ein Fall, drei Vergehen. Vergehen werden indessen den Kategorien „infractions contre les biens“, „infractions contre les personnes“ oder „Divers“ zugeteilt, in welcher u.a. Drogendelikte oder nächtliche Ruhestörungen erfasst werden. 25.491 Vergehen – rund 60 Prozent – wurden im Zusammenhang mit der ersten Kategorie festgestellt. Gegenüber Personen wurden 8.814 Delikte verübt, während der Rest – 8.570 Vergehen – in die Kategorie „Divers“ fallen. Nicht aufgeschlüsselt wurden hingegen Verstöße gegen die Covid-Maßnahmen oder Verkehrsdelikte. Letztere werden zusammen mit dem Transportministerium getrennt vorgestellt. 


Einbrüche

3.106 Mal wurde die Polizei im vergangenen Jahr kontaktiert, weil Einbrecher es auf ein Haus, ein Lokal oder ein Unternehmen abgesehen hatten. Das ist zwar eine leichte Steigerung gegenüber 2020 (2.984), doch immer noch weniger als in den Jahren vor der sanitären Krise. So waren es 2019 immerhin noch 3.531 Meldungen, im Jahr zuvor sogar 3.667. Bei bewohnten Immobilien halten sich die Einbrüche (1.147) und Einbruchsversuche (1.112) die Waage. Bei den Versuchen ist es sogar ein Spitzenwert, was bedeutet, dass die Einbruchsprävention Wirkung zeigt. Auch fahre man verstärkt in Wintermonaten Streife. Diese Zeit sei wegen der früh einsetzenden Dunkelheit bei Einbrechern besonders beliebt. Am aktivsten sind Täter in der Hauptstadt und in der französischen Grenzregion, wo sich die Banden schnell über die Grenze absetzen können. Die meisten Taten werden indessen freitags und samstags festgestellt – wenn viele Bewohner abends außer Haus sind. 2021 konnten 493 Einbrüche aufgeklärt werden. 109 Personen wurden festgenommen, in 141 weiteren Fällen konnten bereits Verdächtige ausgemacht werden, so Chefermittler Marc Wagner. Die Spurensicherung sei immer noch die effektivste Waffe der Ermittler. Und die Aufmerksamkeit der Bürger. Deshalb auch der Aufruf von Wagner, in verdächtigen Fällen sofort die Polizei zu verständigen. „Wir sind auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. Man sollte nicht davor zurückschrecken, die 113 anzurufen!“, betont der Chefermittler der Kriminalpolizei.

 Grafik: Editpress/Yannick Schumacher

Diebstahl

Jede vierte der knapp 25.500 „infractions contre les biens“ war 2021 entweder ein einfacher Diebstahl, Ladendiebstahl oder Taschendiebstahl. Die Zahl dieser Delikte ist im vergangenen Jahr um 17,73 Prozent in die Höhe geschnellt. Was die Polizei aber zu einem großen Teil mit der Einführung des E-Kommissariats erklärt. Vorfälle können der Polizei via App oder Internetseite gemeldet werden. Davon hätten 2021 besonders viele Tankstellenbetreiber Gebrauch gemacht, die mit Benzindiebstahl konfrontiert wurden. Gestiegen ist auch die Zahl der gewalttätigen Überfälle – von 420 auf 505. Schuld sei vor allem eine Serie an Überfällen Anfang des Jahres in Luxemburg-Stadt. Banden hatten es auf Passanten mit Wertgegenständen abgesehen. Etliche Täter seien bereits gefasst worden. Die Zahl der Überfälle mit Waffengewalt ist sozusagen explodiert: Waren es 2020 noch acht solcher Vorfälle, wurden 2021 gleich acht Tankstellen, elf Läden und eine Bank unter Vorhalten einer Waffe überfallen. „Dabei handelt es sich nicht immer um eine Schusswaffe. Das kann auch schon ein Schraubenzieher sein“, so Chefermittler Marc Wagner. Ein Plus von 278 Vergehen wurde auch im Zusammenhang mit Fahrzeugdiebstählen registriert. Während die Zahl der geklauten Autos (229) und die Menge des entwendeten Fahrzeugzubehörs (1.226) aber stabil geblieben sind, wurden 2021 weitaus mehr Fahrräder (987) geklaut als im Jahr zuvor (725).

 Grafik: Police Lëtzebuerg

Körperverletzung

Mit drei mutmaßlichen Morden – die Ermittlungen laufen noch – liegt 2021 auf einer Linie mit 2019 und 2018. 2017 wurde in Luxemburg nur ein Mensch ermordet, 2020 waren es zwei Personen. Eine steigende Tendenz ist hingegen bei Körperverletzungen zu erkennen: Letztes Jahr wurde mit 2.967 gewalttätigen Übergriffen sogar ein Spitzenwert im Vergleich mit den Vorjahren erzielt. Ein Trost: Rund 80 Prozent dieser Vergehen hatten keinen Krankenschein zur Folge. Etwas komplizierter gestaltet sich die Sachlage im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt – nicht zuletzt wegen der hohen Dunkelziffer in diesem Bereich. 2017 musste die Polizei 715 Mal wegen Gewalt im Haushalt eingreifen. 2019 waren es 849 solcher Einsätze, 2020 sogar 943 – ein trauriger Spitzenwert. Letztes Jahr ist die Zahl der Übergriffe auf Partner oder Kinder erstmals wieder auf 917 gesunken. Das ist aber immer noch mehr als in den Zeiten vor der sanitären Krise.


Drohungen und Beleidigungen

Einfluss hatte die Pandemie auch auf die Zahl der Übergriffe auf und Beleidigungen gegenüber Polizisten. Dabei ließen sich die Beamten nicht so leicht aus der Reserve locken, wie Direktor Peters betont. Die Zahl der Beleidigungen ist mit 262 (2020) und 260 (2021) zwar stabil geblieben, gegenüber der Vor-Covid-Zeit aber immer noch hoch (177 im Jahr 2019). Viele Bürger hätten ihren Frust über sanitäre Maßnahmen an den Beamten ausgelassen, so Peters. Die Zahl der physischen Übergriffe auf Polizisten ist innerhalb eines Jahres sogar von 49 auf 89 gestiegen – nicht zuletzt wegen der Antivax-Proteste Ende des Jahres. Auch innerhalb der Bevölkerung sei ein gewisser Verfall der Sitten erkennbar: Die Zahl der Drohungen und Beleidigungen ist in den letzten vier Jahren ständig gestiegen. 2021 waren es 3.611 solcher Vorfälle, 2020 immerhin noch 3.522. Zum Vergleich: 2018 wurden 2.922 Diffamierungen, Drohungen oder Beleidigungen gemeldet. Ein Großteil davon stammt aus den sozialen Netzwerken.

 Grafik: Police Lëtzebuerg

Drogen

Allein vom Zahlenmaterial her könnte man meinen, die Drogenkriminalität sei am Sinken. Beim Besitz von Drogen wurde etwa ein Rückgang von 19 Prozent auf 1.892 Vergehen festgestellt. Beim Konsum war es sogar ein Minus von 22 Prozent (auf 1.651 Vergehen). Dafür wurde beim Drogenhandel innerhalb eines Jahres aber ein Plus von 27 Prozent registriert – von 181 auf 230 Delikte. Grund sei ein Wandel in der Herangehensweise, so Chefermittler Jean-Louis Bordet. „Unser Ziel war es, proaktiver im Feld vorzugehen und nicht auf die Fälle zu warten“, so der Abteilungsleiter der Kriminalpolizei. Man habe das Problem an der Wurzel packen und gezielter gegen Schmuggler und Dealer vorgehen wollen. Zwar seien Drogendossiers mit langwierigen Ermittlungen und einem hohen Personalaufwand verbunden. Das Resultat aber stimmt: 2021 wurden 168 Personen im Zusammenhang mit Drogendelikten verhaftet – ein Plus von 33 Prozent. Gleichzeitig wurden 13,9 kg Marihuana, 39,2 kg Haschisch, 2,2 kg Heroin und 3,6 kg Kokain aus dem Verkehr gezogen. Allein im hauptstädtischen Bahnhofsviertel konnten in den letzten drei Monaten des Jahres bei 29 gezielten Operationen 33 Dealer verhaftet werden. Ein weiterer Hotspot sei die Grenzregion um Rodange. Kokain sei immer noch sehr beliebt, Heroin befinde sich wieder auf dem Vormarsch. Auffallend sei jedoch, dass immer mehr junge Leute sehr hohe Risiken beim Drogenhandel eingingen, so Bordet. Deren Gewaltbereitschaft sei entsprechend hoch.