Sonntag26. Oktober 2025

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Elizabeth II 70 Jahre derselbe Job – die Queen feiert am Sonntag sieben Jahrzehnte Thronbesteigung

Elizabeth II  / 70 Jahre derselbe Job – die Queen feiert am Sonntag sieben Jahrzehnte Thronbesteigung
Acht neue Briefmarken wurden anlässlich des Platin-Jubiläums der Monarchin herausgegeben  Foto: dpa/Royal Mail

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Sie hat Staatsoberhäupter und Regierungschefs kommen und gehen sehen und so manchen Sturm im eigenen Palast ausgestanden. Am Sonntag ist die Queen 70 Jahre lang Queen.

Unser Leben, heißt es in Psalm 90, „währet siebzig Jahre“. Unser Leben, wohlgemerkt, nicht unser Berufsleben. Inzwischen liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen in westlichen Industrieländern deutlich höher als zur alttestamentarischen Zeit vor rund zweieinhalbtausend Jahren. Wie viele aber können von sich sagen, sie hätten seit siebzig Jahren den gleichen Beruf ausgeübt?

Von diesem Sonntag an gehört eine kurzgewachsene Dame in der englischen Kleinstadt Windsor, Seniorchefin eines gutgehenden Familienunternehmens gleichen Namens, zu dieser exklusiven Gruppe. Am 6. Februar 1952 bestieg Elizabeth Alexandra Mary Windsor als Elizabeth II den Thron des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, zu dem damals noch ein Empire gehörte. Durch die Entkolonialisierung, das Ende des Kalten Krieges und den Aufstieg Asiens, nicht zuletzt der Supermacht China, ist der globale Einfluss des Landes zurückgegangen. Noch immer aber verfügt die Insel über erhebliche „soft power“, und die meistfotografierte Frau der Welt macht ein Gutteil davon aus.

Hunde, Pferde und Leute aus aller Welt

Auch die Dänen haben eine Königin, die Niederländer hatten bis 2013 sogar drei in Folge. Beim Stichwort Queen aber wissen weltweit alle sofort, wer gemeint ist: das Staatsoberhaupt von 15 souveränen Staaten und Vorsitzende des Commonwealth, eines Zusammenschlusses von 54 meist britischen Ex-Kolonien, die gemeinsam rund ein Viertel der Staaten und ein Viertel aller Menschen auf der Erde repräsentieren.

Boris Johnson ist der vierzehnte Premierminister ihrer Amtszeit, Joe Biden die Nummer 14 der US-Präsidenten – für die meisten heute Lebenden war die Queen immer schon da. Bereits zu ihrem 40. Thronjubiläum 1992 drückte dies der damalige Hofdichter Ted Hughes auf unsentimentale Weise aus, indem er die Wahrnehmung auf die Monarchin beschrieb: „Alle sehen die Krone/Manche die Mutter/Einer die Frau/Manche ihr Leben“. (All see the Crown/Some the mother/One his wife/Some their life)

Queen Elizabeth II mit Krone und ihrem Mann Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, in der Uniform eines Marine-Admirals nach der prunkvollen Krönungszeremonie in der Westminster-Abtei in London am 2. Juni 1953
Queen Elizabeth II mit Krone und ihrem Mann Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, in der Uniform eines Marine-Admirals nach der prunkvollen Krönungszeremonie in der Westminster-Abtei in London am 2. Juni 1953 Foto: dpa/Str/Press Association/FILES

Täglich wird die Zahl jener geringer, die sich noch erinnern an Elizabeths Vater George VI. Nach fünfzehnjähriger Regentschaft seit 1936 zeichnete sich der Tod des 56-Jährigen durch sein Lungenkrebs-Leiden zwar ab; an jenem 6. Februar 1952 auf Schloss Sandringham in Norfolk kam er dann doch überraschend. Die Kronprinzessin und ihr Mann Philip weilten zu einer royalen Visite in Kenia; die Todesnacht hatten sie in der Abgeschiedenheit des Aberdare-Nationalparks verbracht und im Morgengrauen Tiere beobachtet. Weit später als Millionen ihrer Untertanen erfuhr die 25-jährige Mutter zweier kleiner Kinder die traurige Nachricht, die ihr Leben veränderte.

Elizabeths Problemprinzen

Schwere Krisen hat die britische Monarchie immer wieder erlebt im Laufe der 70 Jahre währenden Regentschaft der Queen. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr bereiten den Strategen des Königshauses drei Probleme Kopfzerbrechen, genauer gesagt drei Problemprinzen.
Wobei der erste, Thronfolger Charles, in der Öffentlichkeit zunehmend besser dasteht als in früheren Jahren. Je näher die Wachablösung rückt, desto weniger gilt der Prinz von Wales, 73, als Nervensäge, desto mehr wirkt sein jahrzehntelanges Eintreten für Umwelt- und Klimaschutz visionär. Auch scheinen seine Überlegungen zur Verschlankung der Monarchie mit den Vorstellungen der britischen Öffentlichkeit übereinzustimmen.
Dass er als König Neutralität wahren muss und zu kontroversen Themen schweigen muss, hat Charles selbst schon öffentlich eingeräumt. Freilich könnte der Beginn seiner Amtszeit nach dem Tod der Queen von der Politik belastet sein – anders als die Briten wollen viele Bürger in den anderen 14 souveränen Staaten von Australien bis Jamaika, denen Elizabeth II bis heute als Staatsoberhaupt dient, den Moment dazu nutzen, diese Verbindung zur einstigen Kolonialmacht zu kappen. Immerhin hat Elizabeth II durch persönliches Lobbying bereits sichergestellt, dass Charles wenigstens Oberhaupt des Commonwealth bleiben darf, in dem sich 54 britische Ex-Kolonien zusammengeschlossen haben.
Zu den kniffligsten Aufgaben des Thronfolgers zählt schon jetzt eine sehr private Herausforderung: das beschädigte Verhältnis zu Problemprinz Nummer Zwei, seinem jüngeren Sohn Harry, zu verbessern. Zuletzt sind die Stinkbomben aus Kalifornien seltener geworden; womöglich sind der 37-Jährige und seine Gattin Meghan, 40, so stark mit den beiden Kindern Archie und Lilibet beschäftigt, dass für lukrative Medienauftritte wie vor Jahresfrist bei Talkshow-Queen Oprah Winfrey keine Zeit bleibt.
Von Versöhnung ist, jedenfalls öffentlich, nicht die Rede. Vielmehr scheint der Kalte Krieg zwischen London und Los Angeles anzudauern. Am Horizont steht zudem Harrys Memoirenband, der im Herbst erscheinen soll. Ob der Prinz dann wieder seinen Vater Charles sowie seinen Bruder William als „Gefangene“ royaler Pflichten darstellt?
Gefangen in der eigenen Charakterschwäche, womöglich sogar in illegalen Machenschaften, bleibt, last not least, der bei weitem schwierigste Problemprinz der Windsors: Charles jüngerer Bruder Andrew, 61. Dem jüngsten Schriftsatz seiner Anwälte zufolge will sich der Herzog von York auf das Risiko eines öffentlichen Zivilprozesses in New York wegen angeblichen sexuellen Missbrauchs einlassen, anstatt mit seiner Beschuldigerin Virginia Giuffre einen Vergleich anzustreben.
Dreimal, je einmal in London, New York und in der Karibik, sei sie, damals noch minderjährig, vor zwanzig Jahren von Andrew sexuell missbraucht worden – so lautet der schwere Vorwurf der mittlerweile 38-jährigen, der Andrew nie begegnet sein will. Hingegen war der Prinz zweifellos mit dem mittlerweile verstorbenen New Yorker Finanzjongleur Jeffrey Epstein und dessen Partnerin Ghislaine Maxwell befreundet. Beide wurden wegen schwerer Sexualverbrechen verurteilt.

Seither hat sie zwei weitere Söhne bekommen, wurde achtfache Großmutter und zwölfmal Urgroßmutter. Sie hat „ein so außerordentlich privilegiertes und so außerordentlich eingeschränktes Leben“ gelebt, wie es ihr bester Biograf Ben Pimlott einst beschrieb. In den letzten Jahren hat sie das Schicksal vieler Hochbetagter erlebt, denen nach und nach die gleichaltrigen Freunde wegsterben. Im vergangenen Jahr musste sie nach 73 Ehejahren auch Prinzgemahl Philip, 99, begraben.

Ihre legendär robuste Gesundheit erhielt zuletzt einige Dämpfer; im Herbst erzwangen ihre Ärzte die Absage einer Reihe von Terminen. „Da hatte sie so gearbeitet, als sei sie noch 75“, analysiert Penny Junor, Autorin zahlreicher Bücher übers Königshaus. „Aber ihr Körper sagte: 95.“ Dass die Königin eine Nacht im Spital verbringen musste, was der Palast zu verschweigen versuchte, hat die Briten an die Sterblichkeit der scheinbar permanenten Königin erinnert. Echte Alarmzeichen aber gibt es nicht. Wenig spricht dagegen, dass sie den Dauerrekord des 2016 verstorbenen Königs Bhumibol von Thailand (70 Jahre und 127 Tage) bricht.

Die Queen im vergangenen Sommer: „Beständigkeit und Langlebigkeit“ in einem Zeitalter permanenten Wandels, so die Historikerin Suzannah Lipscomb auf die Frage nach Elizabeths Eigenschaften
Die Queen im vergangenen Sommer: „Beständigkeit und Langlebigkeit“ in einem Zeitalter permanenten Wandels, so die Historikerin Suzannah Lipscomb auf die Frage nach Elizabeths Eigenschaften Foto: AFP/Andrew Milligan

„Beständigkeit und Langlebigkeit“ in einem Zeitalter permanenten Wandels, antwortet die Historikerin Suzannah Lipscomb auf die Frage nach Elizabeths Eigenschaften. Bewundernswert findet die royale Beobachterin auch das eiserne Schweigen der Queen, allen Parodien, Karikaturen, Imitationen, zuletzt in der viel gerühmten TV-Serie „The Crown“, zum Trotz.

Im Jahr ihrer Thronbesteigung waren Geschiedene bei Hofe unerwünscht; inzwischen sind drei ihrer vier Kinder selbst geschieden, und der geschiedene Thronfolger Charles hat die ihrerseits geschiedene Camilla geheiratet

Gewiss gehört auch die Qualität dazu, mehr oder weniger geräuschlos den Wandel der umgebenden Gesellschaft nachzuvollziehen. Im Jahr ihrer Thronbesteigung waren Geschiedene bei Hofe unerwünscht; inzwischen sind drei ihrer vier Kinder selbst geschieden, und der geschiedene Thronfolger Charles hat die ihrerseits geschiedene Camilla geheiratet. 1952 glaubten immerhin ein Drittel der Briten an die Gottgesandtheit ihrer Monarchin. „Dei Gratia Regina“, Königin von Gottes Gnaden, steht bis heute auf jeder britischen Münze. Doch die selbst tiefreligiöse Amtsinhaberin weiß es besser: Der Souverän ist das Volk.

Diesem hat sie sich in den vergangenen sieben Jahrzehnten so oft wie möglich gezeigt, am besten in auffallenden Kleidern und unter durchsichtigen Schirmen. „Man muss mich sehen, um an mich zu glauben“, hat Elizabeth selbst einmal gesagt. Dieser Glaube immerhin ist dem durch und durch säkularen Land nicht abhandengekommen: Die Zustimmungswerte der Queen bleiben sensationell, wenn auch das Volk sie inzwischen seltener zu Gesicht bekommt.

Der britische Premierminister Winston Churchill hält 1955 die Autotür für Königin Elizabeth II
Der britische Premierminister Winston Churchill hält 1955 die Autotür für Königin Elizabeth II Foto: dpa/PA/epa

Statt den „smallest of small talk” zu pflegen, wie Philip-Biograph Gyles Brandreth den denkbar banalsten Smalltalk der meisten royalen Begegnungen mit ihren Untertanen genannt hat, wäre die eher schüchterne Frau Windsor gewiss lieber eine ganz normale Landadelige geworden, von Pferden und Hunden umgeben. Der Dienst als Monarchin ließ diese Option nicht zu, auch von einem wohlverdienten Ruhestand ist nicht die Rede; zu tief steckt noch in der 95-Jährigen das Trauma der Abdankung Edwards VIII, die 1936 ganz gegen dessen Willen Edwards jüngeren Bruder Albert als George VI auf den Thron brachte.

Anfang Juni will das Land drei Tage feiern

Immerhin hat Elizabeth es neben ihrem Staatsdienst geschafft, zu den erfahrensten Züchtern von Jagdhunden auf der Insel zu zählen. Zehntausende von Begegnungen mit Leuten aus aller Welt haben sie auch das Verständnis von Menschen gelehrt. David Nott hat der Sonntagszeitung Observer 2019 eine Szene berichtet, die viel aussagt über die Queen als Hunde-Liebhaberin und Menschenkennerin.

Bei einem Lunch im Buckingham-Palast saß der Arzt und Buchautor neben der Königin, die sich ihm mit ihrer Standardfrage zuwandte: Wo er denn gerade herkomme? „Aus Aleppo“, antwortete der kurz zuvor aus dem syrischen Bürgerkrieg zurückgekehrte Arzt. „Und wie war das?“, lautete die neutrale Anschlussfrage.

Die Queen und ihre Krone im Jahr 2019: Ihre legendär robuste Gesundheit erhielt zuletzt einige Dämpfer
Die Queen und ihre Krone im Jahr 2019: Ihre legendär robuste Gesundheit erhielt zuletzt einige Dämpfer Foto: AFP/Leon Neal

Da verstummte Nott, sichtlich mit den Tränen kämpfend, sein Kopf gefüllt mit Bildern von blutverschmierten Kindern und zerstörten Häusern. Die Queen legte schweigend ihre Hand auf seine, entnahm einer Silberbüchse, die vor ihr auf dem Tisch stand, einen Hundekeks, brach diesen entzwei, gab ihrem Gast ein Stück und fragte: „Wollen wir die Hunde füttern?“ Notts Anspannung löste sich, während die beiden mit den begeistert herbeigeeilten Corgis beschäftigt waren. Befriedigt sagte die Königin: „Viel besser als reden, finden Sie nicht?“

Mit diesem Grundsatz geht die Queen in das 71. Jahr ihrer Amtszeit, Anfang Juni will das Land drei Tage feiern. An diesem Sonntag mischt sich in die Dankbarkeit für „Elizabeth, die Pflichtbewusste“, wie der Historiker Andrew Roberts seine Monarchin nennt, das Gedenken an den Vater, der ihr Vorbild war. Die Briten begehen den Tag vielerorts dennoch mit Dankgottesdiensten, in denen die letzten Worte der Nationalhymne womöglich noch inbrünstiger klingen als sonst: „Gott schütze die Königin, möge sie uns lang regieren.“