Bequeme Sessel laden ein zum Schmökern. In der Buchhandlung MGV-Publications im 15. Wiener Bezirk lässt es sich bei Tee und türkischen Snacks literarisch abtauchen in eine andere Welt — ins islamistische Paralleluniversum. Voraussetzung: Man spricht Türkisch. So wie das gerade mit 20 Prozent Rabatt angebotene Buch über „Halid Bin Velid — Schwert des Islam“, einen Feldherrn Mohammeds, zielt das Sortiment auf die türkische Community. Wer Erklärungen sucht, warum dort manche nicht warm werden mit der säkularen Demokratie, wird in Büchereien wie dieser fündig. Denn dort wimmelt es von extremistischen Autoren. Alles, was in der Islamistenszene Rang und Namen hat, ist vertreten.
Allen voran der 2011 verstorbene türkische Ex-Premier und Gründer der Milli-Görüs-Bewegung, Necmettin Erbakan. Sein als Kampfansage an die westliche Ordnung gedachtes Werk „Adil Düzen“ (Gerechte Ordnung) ist ebenso zu haben wie seine von antisemitischen Verschwörungstheorien triefende Autobiografie „Davam“. Dazu passen ins Türkische übersetzte Elaborate des 2012 verstorbenen französischen Holocaust-Leugners Roger Garaudy. Seine Bücher „Das israelische Problem – Politischer Zionismus“ und „Israel – Mythen und Terror“ pries MGV sogar mit dem Hinweis an, dass der „Verkauf in den USA und in Europa verboten wurde“, ehe die beiden Bücher nach einer Tageblatt-Anfrage aus dem Sortiment verschwanden.
Hassprediger-Bücher
Weiter zu haben sind Bücher von und über Größen der Muslimbruderschaft. Ein Buch über deren Gründer Hasan al Banna wird so beworben: „Er ist ein ruhmreicher Pionier, der sich auf allen Gebieten mit dem Ziel der Islamisierung auf den Weg gemacht hat.“ Im Angebot auch das Buch „Yoldaki Isaretler“ (Meilensteine), das Hauptwerk des 1966 in Ägypten hingerichteten MB-Vordenkers Sayyid Qutb. Es gilt bis heute als eine Art dschihadistisches Manifest des terroristischen Islamismus. Wie bei Erbakan geht es um die Überwindung nichtislamischer Systeme durch islamische. Hitler war für Qutb ein Gesandter Allahs, der geschickt war, die Juden zu bestrafen.
So sieht das auch MB-Chefideologe Yusuf al-Qaradawi: Der in Katar lebende Prediger, ein Befürworter der Todesstrafe für Abkehr vom Islam und Unzucht, interpretiert den Holocaust als „Gottes gerechte Strafe“. In diesem Sinn rechtfertigt er auch Selbstmordanschläge gegen Israel. Dementsprechend geht es in „Fatwas für Palästina“, einem der 20 Qaradawi-Bücher im Sortiment, unter anderem um „Märtyreroperationen gegen den zionistischen Besatzungsfeind“.
Einer, der solche Märtyreroperationen befehligt hat, ist nicht nur bei MGV Publications als Autor vertreten. Auch in den beiden Filialen der Wiener Aziziye-Buchhandlung gibt es die Autobiografie und weitere Bücher von Abdullah Galib Bergusi, „dem berühmten Befehlshaber Palästinas“. Bergusi ist die türkisierte Form des Namens Barghouti. Dieser war bis zur Festnahme in Israel Kommandant und Chef-Bombenbauer der Qassam-Brigaden, dem von der EU als Terrororganisation gelisteten bewaffneten Flügel der islamistischen Hamas. Auf Barghoutis Konto gehen mindestens 66 Morde. Er wurde in Israel 2014 zur höchsten je gegen einen Terroristen verhängten Strafe verurteilt: 5.200 Jahre Haft! In der Buchbeschreibung auf der Aziziye-Homepage ist aber nicht etwa von seinen Verbrechen zu lesen, sondern bewundernd von seinen Fähigkeiten als Bombenbauer und vom „Schaden, den er den Invasoren zugefügt hatte“.
„Globale Geißel Zionismus“
Ein Buch Barghoutis wird auch in der Bochumer Online-Buchhandlung kolnkutuphane.de angeboten. Ebenso die verbotenen Bücher des Holocaust-Leugners Garaudy und al-Qaradawis „Fatwas über Palästina“ sowie Qutbs „Meilensteine“. Dazu kommen weitere einschlägige Bücher wie „Yahudi Ütopyası’nda Siyonistler’in Nihai Dünya Düzeni“ (Die ultimative Weltordnung der Zionisten in der jüdischen Utopie). Laut Werbetext auf der kolnkutuphane-Homepage enthülle das Buch „die Idee von Zionisten, die die Weltherrschaft errichten“. Ebenfalls schon im Titel antisemitische Töne spuckt das Buch „Küresel Musibet Siyonizm“ (Globale Geißel Zionismus) aus dem in Ankara situierten MGV-Verlag, der auch in Wien vertreten ist. Es erklärt Lesern laut Buchbeschreibung, dass der „Zionismus keinen Schaden darin sieht, die Welt in Übereinstimmung mit seinen perversen Überzeugungen in ein Meer aus Blut und Tränen zu verwandeln.“ Bemerkenswert: Dieses Buch gibt es nicht nur in Wien und bei kolnkutuphane.de, sondern auch bei Amazon, wo auch al-Qaradawis Märtyrer-Fatwas erhältlich sind.
Die Bochumer Buchhandlung verkauft übrigens noch immer die türkische Ausgabe des Islamisten-Katechismus „Ilmihal für Frauen“, der die Tötung von Islam-Kritikern rechtfertigt und eine Anleitung zum islamkonformen „leichten Schlagen“ von Ehefrauen gibt. Die Verfassungsschutzämter in Bayern und Baden-Württemberg hatten schon im vergangenen Frühjahr nach einem Tageblatt-Bericht darüber eine Indizierung des Buchs bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) angeregt. Die Entscheidung über eine Aufnahme des Buches in die Liste der jugendgefährdenden Medien soll demnächst fallen, teilt die Bonner Behörde mit.
Islam-Experte warnt
Dass derartige Literatur nicht ohne Einfluss auf die türkische Community in Europa bleibt, davon ist Abdel-Hakim Ourghi überzeugt. Für den islamischen Religionspädagogen an der Pädagogischen Hochschule Freiburg „dient die Verbreitung dieser Bücher unter Muslimen zur Etablierung eines radikalisierten Konservatismus, der die westlichen Werte ablehnt“.
Ourghi fordert Politik und Kirchen auf, „öffentlich über die verdrängte Wahrheit des politischen Islam zu debattieren“. Man dürfe „nicht im Namen einer missverstandenen Toleranz unsere Werte und vor allem die Sicherheit der Menschen vernachlässigen“. Bücher, die zur Zerstörung Israels und zum Dschihad gegen Juden aufrufen, müssten verboten werden. Ourghis Bücher wie „Ihr müsst kein Kopftuch tragen“ oder „Reform des Islam – 40 Thesen“ sucht man in den genannten Buchhandlungen übrigens vergeblich …
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