Es ist ein schillerndes „Dreamteam“ der Europapolitik: Seit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Flugschau in Le Bourget 2019 „entdeckt“ und zur EU-Kommissionschefin gemacht hat, arbeiten sie Hand in Hand. Von der Leyen hat sich nicht nur Macrons grandiose Sprache zu eigen gemacht – „europäische Souveränität“ und „strategische Autonomie“ sind in Brüssel in aller Munde. Sie ist ihm auch politisch gefolgt, zuletzt mit der Einstufung der Atomkraft als „nachhaltige“ Energie.
Doch nun steht dem umstrittenen Power-Paar ein Härtetest bevor: Unter dem französischen EU-Vorsitz, der am 1. Januar begann und bis Ende Juni dauert, müssen Macron und von der Leyen beweisen, was sie können. Am Donnerstag ist die Kommissionschefin mit ihrem Team nach Paris gereist, um das Programm mit dem liberalen Franzosen abzustimmen. Nach einer Ehrenfeier für die historischen französischen Europapolitiker Simone Veil und Jean Monnet im „Panthéon“ soll es am Freitag bei einer Arbeitssitzung inhaltlich zur Sache gehen. Macron hat große Pläne für Europa. Vor der Präsidentschaftswahl in Paris im April will er die EU runderneuern – und sich so zur Wiederwahl empfehlen.
Auf seinem Wunschzettel stehen die Reform des Schengen-Abkommens zur Reisefreiheit, die Revision der Maastricht-Kriterien für den Euro, ein Verteidigungsgipfel und vieles mehr. Einige Wünsche, wie eine eigene europäische Produktion von Mikrochips, hat von der Leyen bereits in das Arbeitsprogramm der EU-Kommission aufgenommen. Andere Ideen, wie die Konferenz zur Zukunft der EU, nehmen langsam Gestalt an. Noch im Januar werden erste Ergebnisse aus den Bürgerforen erwartet. Wenn alles nach Plan läuft, soll daraus die Blaupause für eine große EU-Reform entstehen. Seit seiner berühmten Sorbonne-Rede 2017 hat Macron beharrlich an einem Neustart gearbeitet.
Nun stehen die Sterne überraschend günstig. Denn auch die neue Bundesregierung in Berlin ist pro-europäisch. Die Ampel hat sogar eigene Visionen entwickelt, bis hin zum europäischen Bundesstaat. Allerdings ist unklar, ob die deutschen Pläne zu Macron und von der Leyen passen. Im Streit um die so genannte Taxonomie – also die Einstufung von Atom und Gas als „nachhaltige“ Energieträger – hat von der Leyen zuerst auf Macron gehört. Nur mit Mühe konnte Kanzler Olaf Scholz sein Ziel durchsetzen, auch Erdgas als „grün“ zu labeln.
Reform des Stabilitätspaktes
Auch beim Streit um den Rechtsstaat geben Paris und Brüssel das Tempo vor. Die Ampel fordert zwar, härter gegen Rechtsstaats-Verstöße etwa in Ungarn und Polen vorzugehen und EU-Gelder zu streichen. Doch Paris und Brüssel haben es nicht eilig, sie wollen ein Urteil des Europäischen Gerichtshof abwarten. Bei der Reform des Stabilitätspaktes steht dagegen Berlin auf der Bremse. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner muss sich noch in die brisante Materie einarbeiten. Dem FDP-Chef dürfte es nicht leicht fallen, sich vom deutschen Dogma der „3,0“ bei der Neuverschuldung zu verabschieden und die Regeln zu lockern.
Eine Reform sei ohnehin erst im 2. Halbjahr geplant – also nach dem Ende des französischen Vorsitzes – sagt der zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis. Macron wird auf diesem Feld also nicht punkten können. Das „neue europäische Wachstumsmodell“, das er sich auf seine Fahnen geschrieben hat, bleibt wohl ein frommer Wunsch.
Doch zunächst will sich Macron im Glanze der EU sonnen. Von der Leyen, das ist sicher, wird ihm die Fete nicht verderben. „Ich bin entzückt, diese Woche nach Paris zu fahren“, schrieb sie auf Twitter. „Die EU und Frankreich, das sind gemeinsame Werte und gemeinsame Ambitionen.“ Macron hätte es nicht schöner ausdrücken können.
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