Dienstag28. Oktober 2025

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Covid-DemoProtestzone und Polizeibefugnisse: „Außergewöhnliche Maßnahmen“ für „inakzeptable Vorgänge“

Covid-Demo / Protestzone und Polizeibefugnisse: „Außergewöhnliche Maßnahmen“ für „inakzeptable Vorgänge“
Bürgermeisterin Lydie Polfer, Polizeidirektor Donat Donven und Polizeiminister Henri Kox wollen keine Wiederholung der Vorgänge vom letzten Wochenende Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Mit einer ausgewiesenen Protestzone und einem angepassten Polizeiaufgebot wollen die Behörden am Wochenende auf die jüngsten Entwicklungen rund um die Corona-Proteste der Impfgegner und Covid-Leugner reagieren. Zwei Veranstaltungen wurden für Samstag angekündigt, während am Sonntag die Anhänger der „Marche blanche“ auf ihre Bedenken aufmerksam machen wollen. An beiden Tagen sollen sich die Proteste auf den Abschnitt zwischen dem Glacis und der place de l’Europe auf Kirchberg beschränken.

Es stehe weiterhin jedem Bürger zu, von seinem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen und seine Meinung frei zu äußern, so Henri Kox am Donnerstag. Es sei dies nämlich eine wichtige Errungenschaft eines langjährigen demokratischen Prozesses. „Es ist aber wichtig, zu betonen, dass diese Freiheit gewährleistet bleiben muss, ohne Drittpersonen zu beeinträchtigen, Hass zu verbreiten oder Institutionen und Menschen zu Schaden kommen zu lassen“, unterstrich der Minister für Innere Sicherheit.

Sowohl Minister Kox als auch der beigeordnete Polizeidirektor Donat Donven räumten ein, dass die Behörden von den Ausmaßen der Proteste am vergangenen Wochenende überrascht worden seien. Aus Botschaften in den sozialen Netzwerken habe man im Vorfeld herauslesen können, dass sich etwas anbahne, so der Polizeioffizier. „Wir hatten unser Aufgebot entsprechend verstärkt. Mit dem aber, was wir jetzt im Nachhinein wissen, hätten wir wohl anders reagieren müssen“, gab Donven unumwunden zu.

Das Polizeiaufgebot wurde inzwischen angepasst und verstärkt. Details aber wollte Donven aus polizeitaktischen Gründen keine preisgeben. Nur so viel war dem Offizier zu entlocken: Die Truppe wird Verstärkung aus dem Ausland erhalten. Und: Die Protestzone sei für die Polizei von Vorteil, weil man sich auf weniger Unbekannte einstellen müsse.

Deeskalation statt Eskalation

Dass die Beamten zuletzt aber von den Protesten überrumpelt worden wären, wollten Kox und Donven nicht gelten lassen. Polizeibeamte seien in ihrer Reaktion immer abhängig von den Entwicklungen vor Ort. Deshalb sei es wichtig, so der beigeordnete Polizeidirektor, die Situation im Auge zu behalten und flexibel zu bleiben, um die Folgen eines Eingriffes abschätzen zu können.

„Beamte müssen immer abwiegen, ob es sich lohnt, wegen eines geringfügigen Vergehens einzugreifen und damit eine Eskalation in Kauf zu nehmen“, erklärte Donven. Es sei Aufgabe der Polizisten, die öffentliche Ordnung zu gewährleisten, ohne das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Allerdings ließ der Offizier keine Zweifel daran aufkommen, dass die Beamten bei Zuwiderhandlungen entsprechend reagieren werden. „Wir reagieren auf das, was passiert!“, so dessen Schlussfolgerung.

Tatsächlich waren nach den Geschehnissen vom vergangenen Wochenende in der Öffentlichkeit Stimmen laut geworden, wonach die Beamten nicht konsequent genug durchgegriffen hätten. Splittergruppen hatten unter anderem versucht, sich über die Covid-Check-Regeln hinwegzusetzen und die Weihnachtsmärkte zu stürmen. Dabei wurden Absperrgitter durchbrochen, Polizisten angegriffen und mitunter auch Familien mit kleinen Kindern in Bedrängnis gebracht.

Am Mahnmal der „Gëlle Fra“ wurden bedenkliche Botschaften angebracht, die den Holocaust verharmlosen, während Demonstranten in die Abgeordnetenkammer zu gelangen versuchten. Auch zogen Teilnehmer vor die Privatwohnungen der Minister Xavier Bettel und Corinne Cahen, um dort lautstark ihren Unmut kundzutun und die Regierungsmitglieder mit Parolen zu verunglimpfen, die teils weit unter die Gürtellinie gingen.

Der Umstand, dass die Beamten in vielerlei Hinsicht deeskalierend eingriffen, wurde von manchen Kritikern als Untätigkeit ausgelegt, während manche Anhänger der Proteste sich dadurch sogar bestätigt fühlten. Dem erteilten Henri Kox und Donat Donven aber eine eindeutige Abfuhr: Die Polizei sei in ihrer edlen Aufgabe, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, neutral, so der Minister. Jeder Beamte habe das Recht auf eine eigene Meinung, solange er diese nur im privaten Umfeld vertrete. In der Ausübung ihrer Pflichten aber würden Polizisten keine Position beziehen, betonte der beigeordnete Polizeidirektor.

Das Polizeiaufgebot wurde noch mal angepasst und deutlich verstärkt. Die Szenen vom vergangenen Wochenende sollen sich nicht wiederholen.
Das Polizeiaufgebot wurde noch mal angepasst und deutlich verstärkt. Die Szenen vom vergangenen Wochenende sollen sich nicht wiederholen. Foto: Editpress/Claude Lenert

Ein fragiles Gleichgewicht

Die Veranstaltungen am Wochenende seien eine gute Gelegenheit für Bürger, sich von der Gewalt zu distanzieren, so Donven. Bürgermeisterin Lydie Polfer und Minister Kox äußerten indessen ihre Hoffnung, dass sich die Teilnehmer der angekündigten Veranstaltungen nicht von einer gewalttätigen Minderheit instrumentalisieren lassen und sich an die ausgewiesene Protestzone zwischen dem Glacis und der place de l’Europe halten.

Man sei sich bewusst, dass die Gewalt nur von einem kleinen Teil der Demonstranten ausgegangen sei, bestätigten alle drei Redner während der Pressekonferenz. Bis letzten Samstag seien die „Marche blanche“ und ähnliche Protestveranstaltungen stets friedlich verlaufen. „Drittpersonen waren bis dahin nicht gefährdet. Wir stehen im Gespräch mit den Veranstaltern, um zu verhindern, dass es zu einer Solidarisierung mit Krawallmachern kommt“, so Kox.

Drei Protestaktionen haben die Impfgegner und Covid-Leugner bislang angekündigt. Zwei davon – die „Polonaise solidaire“ am Samstag sowie die „Marche blanche“ am Sonntag – wurden den Behörden bis Redaktionsschluss rechtmäßig gemeldet. Die Veranstalter wurden Aussagen des Ministers und der Bürgermeisterin zufolge noch am Donnerstag von den neuen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt.

Die Polizei wurde indessen fürs Wochenende mit erweiterten Befugnissen ausgestattet. Laut Artikel 5 des neuen Polizeigesetzes von 2018 haben Beamte z.B. das Recht, im Fall eines „danger grave, concret et imminent“ erweiterte Identitätskontrollen durchzuführen, etwa beim Betreten eines ausgewiesenen Sicherheitsperimeters. Es handele sich dabei um einen tiefen Einschnitt ins Gleichgewicht des Rechtsstaates, so Kox. „In dieser Situation aber ist es wichtig, den Polizisten die Mittel zur Verfügung zu stellen, dass sie punktuell jenen Teilnehmern entgegentreten können, die sich nicht an die öffentliche Ordnung halten wollen.“

Diese „außergewöhnlichen Maßnahmen“ seien die Folge „außergewöhnlicher und inakzeptabler Vorgänge“, betonte Bürgermeisterin Lydie Polfer. Es sei dies eine Situation, wie man sie bislang nur selten erlebt habe. „Wir sind dafür verantwortlich, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt“, so Polfer. Es sei deshalb das Anliegen von Regierung, Stadt Luxemburg und Polizei gewesen, eine Lösung zu finden, die dem Bürger ein Recht auf freie Meinungsäußerung einräumt, ohne dass Drittpersonen zu Schaden kommen.

„Es gilt, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Freiheit der einen und der Einschränkung der Rechte anderer“, erklärte Henri Kox. „In dieser Protestzone ist es den Bürgern nun möglich, ihre freie Meinung zu äußern und ihre Unzufriedenheit über bestimmte Maßnahmen kundzutun“, so der Minister. Dabei könnten die Teilnehmer von Polizisten begleitet werden, ohne dass Personen, der Verkehr oder die Geschäftswelt im Zentrum der Stadt beeinträchtigt werden.

Eine Kerze für die Menschenrechte

Enttäuscht nahmen Minister Henri Kox und Bürgermeisterin Lydie Polfer zur Kenntnis, dass die für Freitag geplante Veranstaltung von Amnesty International abgesagt werden musste. Amnesty hatte im Rahmen des Internationalen Tages der Menschenrechte zu einem Fackelzug durch die Innenstadt geladen. „Mit ausdrücklichem Bedauern aber müssen wir feststellen, dass sich Amnesty zu diesem Schritt gezwungen sah. Und das, weil sie ihre edlen Ziele nicht weiter verfolgen können, ohne sich der Gefahr auszusetzen, von Demonstranten unterwandert zu werden, die teils auf Gewalt aus sind“, meinte Kox. Polfer stellte indessen fest, dass die Entscheidung den Veranstaltern nicht leicht gefallen sei. Unter den gegebenen Umständen aber sei es die richtige Wahl. Aus diesem Grund erging denn auch der Aufruf der Politiker an die Bevölkerung, sich am Freitagabend an der alternativen Kerzen-Aktion zu beteiligen. So sollen die Bürger am Abend eine Kerze anzünden, ein Foto davon schießen und in den sozialen Netzwerken mit einem Verweis auf Amnesty teilen (Instagram: @amnesty_luxembourg, Facebook: @amnestyluxembourg, Twitter: @AmnestyLux oder per Mail an [email protected]).