Zum vierten Mal in diesem Jahr werden die wahlmüden Bulgaren am Sonntag zu den Urnen schreiten: Nach drei Parlamentswahlen haben sie in der Stichwahl der Präsidentenkür über ihren künftigen Landesvater zu entscheiden. Amtsinhaber Rumen Radew geht mit 49,42 Prozent aus dem ersten Wahlgang mit klarem Vorsprung auf seinen konservativen Herausforderer Anastas Gerdschikow (22,83 Prozent) und als haushoher Favorit ins Rennen.
Doch nicht nur wegen seines schwachen Auftritts beim TV-Duell gilt die Wiederwahl des 58-jährigen Ex-Generals keineswegs als sicher: Mehrere Unsicherheitsfaktoren scheinen den Platzhirsch zunehmend nervös zu machen.
Schon den Einzug in die Stichwahl feierte der unabhängige, von der rechten Gerb-Partei unterstützte Gerdschikow als Erfolg. In der zweiten Runde kann der Rektor der Universität Sofia auf zusätzliche Stimmen von Anhängern ausgeschiedener Kandidaten rechnen. Nicht nur die disziplinierten Wähler der Partei der türkischen Minderheit (DPS) dürften für ihn stimmen: Wegen der russlandfreundlichen Haltung von Radew könnte auch ein Teil der Wählerschaft der eigentlich Gerb-kritischen DB für den konservativen Außenseiter stimmen.
Radew wurde bereits in der ersten, gleichzeitig mit den vorgezogenen Parlamentswahlen abgehaltenen Wahlrunde von der sozialistischen BSP, der Antikorruptionspartei PP und der Protestpartei ITN unterstützt. Wie schon beim Urnengang am vergangenen Sonntag, bei dem der Favorit auch wegen der geringen Wahlbeteiligung den lang prognostizierten Sieg im ersten Wahlgang verpasste, droht ihm die Wahlermattung einen Strich durch die Rechnung zu machen: Der Favorit könnte Mühe haben, alle seine Wähler aus der ersten Runde erneut für einen Urnengang zu mobilisieren.
Sozialistische BSP verärgert
Zum einen hat die präsidiale Unterstützung für den Parteineuling PP bei den Parlamentswahlen in der sozialistischen BSP offenen Ingrimm ausgelöst. Von einer „neuen Präsidentenpartei“ sprach verärgert die nach dem Wahldebakel ihrer Partei abgetretene BSP-Chefin Kornelija Ninowa: Analysten schließen nicht aus, dass von Radew enttäuschte BSP-Sympathisanten bei der Stichwahl zu Hause bleiben könnten. Zum anderen könnten sein großer Vorsprung und scheinbar sicherer Sieg auch Wähler der ihm nahestehenden PP, aber auch der ITN vom Urnengang abhalten.
Beim ersten und einzigen TV-Duell trieb der Herausforderer den Favoriten mit den Pandemie-Versäumnissen der von Radew eingesetzten Interimsregierung unerwartet in die Defensive. Der „selbstbewusste und gut vorbereitete“ Gerschikow habe den „zu selbstgefälligen“ Radew vorgeführt, sah die Agentur „Sofia Globe“ den Außenseiter hernach als klaren Punktsieger: „Aber dies war weder eine Wahl noch ein TV-Quiz oder Song-Contest, sondern nur ein TV-Ereignis: Bulgariens Wähler werden entscheiden, wer am Sonntag gewinnt.“
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