Mittwoch29. Oktober 2025

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MenschenrechteDie Macht der Kerze: Amnesty rüstet sich für Weihnachtskampagnen

Menschenrechte / Die Macht der Kerze: Amnesty rüstet sich für Weihnachtskampagnen
Seit ihrem siebten Lebensjahr berichtet die heute 15-jährige Janna Jihad von Menschenrechtsverletzungen im besetzten Westjordanland. Dafür wird sie regelmäßig mit Morddrohungen konfrontiert. Foto: NOOR/Tanya Habjouqa

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Seit 1961 schon versucht Amnesty International, politische Gefangene aus der Haft zu befreien und sie vor Folter oder Todesstrafe zu retten. Das Erfolgsprinzip der wohl bekanntesten Menschenrechtsorganisation ist es, den Druck auf die Regierungen zu erhöhen, indem sie die Fälle an die Weltöffentlichkeit bringt. Im Mai wurde das Jubiläum offiziell begangen. Jetzt um Weihnachten aber wollen die Menschenrechtler nochmals auf die Missstände in aller Welt hinweisen.

Gewöhnliche Menschen können Außergewöhnliches bewirken: Davon ist der britische Rechtsanwalt Peter Benenson überzeugt, als er 1961 Amnesty International gründet. 60 Jahre später sind rund 2.000 Mitarbeiter bei der Menschenrechtsorganisation beschäftigt, zehntausende Menschenrechtsverletzungen wurden seit der Gründung angeprangert. Eigenen Angaben zufolge hat Amnesty inzwischen mehr als zehn Millionen Unterstützer weltweit und Vertretungen in rund 70 Ländern.

Ihre Gründung „verdankt“ die Organisation zwei portugiesischen Studenten, die in einem Café in Lissabon auf die Freiheit anstoßen. In Portugal herrscht Diktatur und Kritik ist zu diesem Zeitpunkt unerwünscht. Allein die Erwähnung des Wortes „liberdade“ steht unter Strafe. Die zwei Studenten werden daraufhin festgenommen und später zu sieben Jahren Haft verurteilt. Benenson erfährt davon aus den Medien und ist empört. Er verfasst einen Brandbrief, der am 28. Mai 1961 im britischen Observer veröffentlicht wird, und die Resonanz ist überwältigend: Dutzende Zeitungen greifen den Artikel auf, tausende Mitstreiter wollen helfen. Im Juli entscheiden sich die Verantwortlichen, das als Kampagne angelegte Projekt in eine feste Organisation umzuwandeln.

In den ersten Jahren von Amnesty International ist Benenson allgegenwärtig: Er kümmert sich um die Finanzierung, hilft bei Ermittlungen gegen Menschenrechtsverletzungen und prangert Behörden in allen Ecken der Welt an. „Seinem visionären Engagement ist es zu verdanken, dass aus Amnesty die größte Menschenrechtsbewegung der Welt geworden ist“, so eine Sprecherin der Organisation. Benenson selbst aber sei bis zum Schluss bescheiden geblieben: Er wolle nicht mit einem Heiligenschein ausgestattet werden, habe er selbst mal gesagt. Er sei nur ein ganz gewöhnlicher Bürger.

„Früher lagen die Konzentrationslager und Höllenlöcher der Welt in Dunkelheit. Nun sind sie von der Amnesty-Kerze erleuchtet. Die Kerze im Stacheldraht. Als ich die Kerze das erste Mal anzündete, hatte ich ein altes chinesisches Sprichwort im Kopf: Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen“, soll sich Benenson zur Gründung der Bewegung geäußert haben. Er selbst stirbt am 25. Februar 2005 in Oxford an einer Lungenentzündung. Seine Kerze aber brennt heute noch – und das in hunderttausenden Haushalten weltweit.

Die Kerze der Freiheit

Seit 60 Jahren schon ist die mit Stacheldraht umwickelte „Kerze der Freiheit“ ein Symbol für das Engagement der Bewegung. Der Stacheldraht steht für die Repressalien, unter welchen Millionen von Menschen weltweit zu leiden haben. Die Kerze hingegen symbolisiert das Licht und die Hoffnung, die Amnesty und ihre Unterstützer in Gefängnisse, Kerker und Folterkeller bringen. Die erste Kerze wurde nur wenige Monate nach der Gründung von Amnesty am 10. Dezember 1961 von einer Überlebenden des KZ Ravensbrück in einer Londoner Kirche angezündet.

Seitdem ist es für Unterstützer der Bewegung Usus geworden, am internationalen Tag der Menschenrechte – dem 10. Dezember – selbst eine Kerze anzuzünden und gut sichtbar ins Fenster zu stellen. „Die traditionelle Geste ist ein starkes Symbol der Solidarität und der Verbundenheit mit der Vision einer gerechteren Welt“, betont eine Sprecherin von Amnesty International in Luxemburg. Darüber hinaus trage der Kauf einer Kerze zur finanziellen Unabhängigkeit der Bewegung bei, deren Einnahmen dieses Jahr zu fast 99 Prozent auf Spenden und den Verkauf dieser Solidaritätsartikel zurückzuführen seien.

Anlässlich des Jubiläumsjahres wurde das Motiv der Kerze in Luxemburg einer Verjüngungskur unterzogen. Geziert wird die Sonderausgabe von einer farbenfrohen Kreation der Luxemburger Illustratorin Irina Moons. „Die Zeichnung spiegelt die Mission von Amnesty wider, indem sie mehrere Personen darstellt, die sich auf unterschiedliche Weise für die Menschenrechte einsetzen“, so die Sprecherin weiter. Gleichzeitig verweist die Illustration auch auf die zweite, große Kampagne von Amnesty zum Jahresende: den Briefmarathon „Write for Rights“, der dieses Jahr schon sein 20. Jubiläum feiert.

Irina Moons sei stolz darauf, das Motiv der Amnesty-Kerze erneuern zu dürfen, heißt es in einer Mitteilung der Bewegung. Sie hoffe, mit ihrer Illustration noch mehr Menschen zu erreichen und sie zum Handeln zu motivieren. „Es gab ein Thema, das ich wirklich relevant fand und das ein bisschen in den Alltag von jedem passt: Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge ändern, können sie das Gesicht der Welt verändern“, so die Künstlerin. „Die Idee bleibt wirklich, dass jeder Mensch das tut, was er kann: Da ist einer, der schreiben kann, also schreibt er, da ist einer, der auf der Straße demonstrieren will, also demonstriert er. Wenn jeder sich anstrengt, können wir die Welt verändern.“

Das Motiv der Jubiläumskerze hat die Luxemburger Illustratorin Irina Moons entworfen
Das Motiv der Jubiläumskerze hat die Luxemburger Illustratorin Irina Moons entworfen Foto: Amnesty International Luxembourg

Worte haben Macht

Ein weiterer Schwerpunkt der Kampagne ist auch dieses Jahr wieder der Briefmarathon, der inzwischen zu den weltweit größten Veranstaltungen für Menschenrechte gezählt wird. Jedes Jahr sammelt Amnesty Millionen von Briefen, Unterschriften und Tweets, die für inhaftierte oder verfolgte Menschen verfasst werden, die im Vorfeld von der Menschenrechtsbewegung prominent ins Rampenlicht gestellt wurden (siehe Kasten).

So wird dieses Jahr unter anderem die chinesische Bürgerjournalistin Zhang Zhan unterstützt, die in ihrem Land inhaftiert wurde, weil sie Informationen zur Pandemie veröffentlicht hat. Daneben will Amnesty auch auf Menschen wie Bernardo Caal Xol aufmerksam machen, ein Umweltschützer, der in Guatemala inhaftiert ist, weil er sich gegen die Zerstörung eines der heiligen Flüsse seines Landes eingesetzt hat. Oder Mikita Zalatarou, der erst 16 Jahre alt war, als er festgenommen wurde, nachdem er in Belarus in eine Menschenmenge geraten war, die eine Demonstration verließ. Er wurde in Einzelhaft gehalten, wo er Berichten zufolge gefoltert wurde.

„Write for Rights“ stehe für den Grundgedanken hinter der Bewegung: „Menschen auf der ganzen Welt, die mit einer Stimme sprechen und gemeinsam handeln, können etwas Konkretes und Wirksames für die Menschenrechte erreichen. Was wir in 20 Jahren mit ‚Write for Rights‘ bewegt haben, zeigt, dass Worte Macht haben“, sagt Olivier Pirot, Direktor von „Amnesty International Luxembourg“. Es gebe viele Möglichkeiten, sich zu engagieren: mit Briefen und Briefmarathons innerhalb der Familie und des Freundeskreises, mit Wortmeldungen in den sozialen Medien oder mit einer Teilnahme am traditionellen Fackelzug am 10. Dezember durch die Straßen der Hauptstadt.

Das Jubiläum sei dieses Jahr eine gute Gelegenheit, an die vielen Menschen zu erinnern, die in den letzten Jahren für Freiheiten, Rechte und Gerechtigkeit gekämpft haben, so Pirot. „Es ist auch der Moment, uns noch stärker zu engagieren, um gemeinsam daran zu arbeiten, dass die Menschenrechte geachtet und die Errungenschaften der Vergangenheit nicht abgebaut werden.“

Die Sonderausgabe der Amnesty-Kerze ist für 13 Euro im Online-Shop erhältlich. Die klassische Kerze kostet 3 (klein) bzw. 6 Euro. Um den 10. Dezember werden auch mehrere öffentliche Briefschreibabende organisiert. Mehr Infos auf write4rights.amnesty.lu.

Ein Treffen mit Jugendreporterin Janna Jihad

Im Zusammenhang mit dem jährlichen Briefmarathon stellt Amnesty stets zehn Menschen oder Gruppierungen vor, die für ihren Einsatz für die Menschenrechte in ihrer jeweiligen Heimat verfolgt oder gar inhaftiert wurden. Die Bewegung versucht dabei Fälle in den Mittelpunkt zu rücken, die stellvertretend für strukturelle Ungerechtigkeiten in der ganzen Welt stehen. Wie etwa Ciham Ali aus Eritrea, die seit mehr als acht Jahren vermisst wird. Sie war erst 15 Jahre alt, als sie von den eritreischen Behörden beim Versuch, das Land zu verlassen, aufgegriffen wurde. Seither fehlt jede Spur von ihr.

Oder wie die 15-jährige Janna Jihad, die in dem kleinen palästinensischen Dorf Nabi Saleh lebt. 2009 begann ihr Dorf, friedlich gegen die Besatzung zu demonstrieren – sehr zum Unmut der israelischen Streitkräfte. Janna ist zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt. Vier Jahre später beginnt sie, die Demonstrationen und Menschenrechtsverletzungen mit ihrer Kamera zu begleiten. Im Alter von 13 Jahren wird Janna als eine der jüngsten Journalistinnen der Welt anerkannt.

Sie dokumentiert die Angriffe der israelischen Armee auf ihre Gemeinschaft, die nächtlichen Razzien, die Zerstörung von Häusern und Schulen und die Niederschlagung von Menschen, die ihre Rechte verteidigen. Anschließend veröffentlicht sie ihre Reportagen in sozialen Netzwerken. Regelmäßig erhält Janna Todesdrohungen, doch ihrer Entschlossenheit tut dies keinen Abbruch.

In einem Online-Meeting von Amnesty International wird Janna Jihad am 19. November um 12.30 Uhr über ihre Erfahrungen berichten. Maen Hammad, Kampagnenleiter von Amnesty International im Nahen Osten, wird ebenfalls über die Menschenrechtssituation in Palästina sprechen. Interessenten können sich per E-Mail an [email protected] anmelden.

Sturen, aalen Bock
18. November 2021 - 9.01

Angesichts steigender Lebenshaltungskosten, steigender Energiepreise , CO2 Steuer , schleichender Inflation bleibt kein Geld für Wohltätigkeiten mehr übrig. Jeder ist sich der Nächste.