Tageblatt: Herr Höhne, sind Sie zufrieden mit dem Fortschritt bei der Klimakonferenz?
Niklas Höhne: Diese Klimakonferenzen haben zwei Dinge, die wichtig sind: Der Abschlusstext, der zum jetzigen Zeitpunkt noch verhandelt wird, ist mit fast 200 beteiligten Staaten immer ein Kompromiss, der auch enttäuschen wird. Aber immerhin haben viele Staaten neue Klimaschutzziele vorgelegt, die beispielsweise im Fall Indiens enorm wichtig waren. Ebenso wichtig sind aber die Nebenabkommen bei solchen Konferenzen, die nicht offiziell verhandelt werden. Und bei denen hat es Fortschritte gegeben.
Über welche Abkommen haben Sie sich gefreut?
Jedes einzelne bringt uns nach vorn, etwa zum Waldschutz, zur Verringerung des Methan-Ausstoßes, zu emissionsfreien Fahrzeugen oder zur Verringerung von Emissionen im Luftverkehr.
Die Umsetzung war bislang aber stets das Problem. Wie verbindlich sind solche Verabredungen überhaupt?
Die Staaten werden gedrängt, sich immer neue Maßnahmen zu überlegen und gehen das gemeinsam bei diesen Konferenzen an. Es gibt in vielen Feldern gewissen Gruppenzwang, bringt also politisch immer etwas. Aber selbst wenn man alle Ziele, Maßnahmen und Nebenabkommen zusammenrechnet und für gesichert hält, gibt es nach wie vor eine riesige Lücke bis zum sogenannten 1,5-Grad-Pfad.
Also dem Kurs, auf den die Staaten schwenken müssen, um die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1, 5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.
Korrekt. Unsere Berechnungen zeigen, dass die globalen Treibhausgasemissionen in den kommenden zehn Jahren halbiert werden müssen, um das Ziel erreichen zu können. Mit allen Zusagen, die in den Jahren vor dieser Konferenz und hier in Glasgow gemacht worden sind, kommen wir grob geschätzt im Jahr 2030 auf denselben Emissionswert, den wir heute haben. Anders ausgedrückt: Wir werden voraussichtlich in zehn Jahren immer noch doppelt so viele Treibhausgase in die Atmosphäre pusten, wie wir für das 1,5-Grad-Ziel eigentlich dürften. Diese enorme Lücke ist hier in Glasgow um etwa ein Fünftel geschrumpft. Aber das reicht natürlich längst nicht aus.
Muss also das Ziel langsam aufgegeben werden?
Angesichts dessen, dass wir bereits heute eine Erderwärmung von 1,1 Grad erreicht haben, wird es sehr schwierig. Für ausgeschlossen halte ich es aber nicht, dass es noch zu machen ist. In diesem Tempo jedenfalls nicht. Mit allen bisherigen Zusagen werden wir bis Ende des Jahrhunderts bei 2,4 Grad Erwärmung landen. Eine Horrorvorstellung für das Leben auf der Erde.
Bislang ist kein einziges Land der Erde auf dem Kurs, auf dem es für Netto-Null-Emissionen sein sollte
Was ist zu tun?
Die Länder müssen ihre Langfristziele, die sie für die Zeit nach 2030 ausgegeben haben, mit kurzfristigen Zusagen und Maßnahmen unterfüttern. Dann könnten wir bis Ende des Jahrhunderts bei 1,8 Grad landen. Das zeigt: Selbst diese ambitionierten Ziele, die etwa Indien formuliert hat, reichen noch nicht. Und die Staaten sind sehr weit weg davon, tatsächlich die erforderlichen kurzfristigen Maßnahmen zu ergreifen. Bislang ist kein einziges Land der Erde auf dem Kurs, auf dem es für Netto-Null-Emissionen sein sollte.
Was muss unterm Strich dieser Konferenz stehen?
Es ist entscheidend, dass alle Länder zugeben, dass es nach wie vor eine riesige Lücke zwischen ihren Zusagen und dem 1,5-Grad-Pfad gibt. Und Glasgow ist auch nur dann ein echter Erfolg, wenn man sich darauf einigt, dass die nächste Runde für neue Klimaschutzverpflichtungen bereits im kommenden Jahr stattfinden wird. Bislang ist im Pariser Klimaschutzabkommen vorgesehen, dass die Staaten nur alle fünf Jahre neue Klimaschutzziele nennen müssen. Bleibt es dabei, werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichen können.
Lassen wir der Erde ihren Lauf und malen nicht den Teufel an die Wand . Mir scheint eher die Grünkapitalisten ihre Schäfchen ins Trockene bringen und durch die Hintertür der Ökosozialismus an die Macht bugsiert wird.