Sonntag19. Oktober 2025

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Deutschland / Scholz will das Land winterfest machen
Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkandidat und Bundesminister der Finanzen, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterhalten sich während der Sitzung des Bundestags Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Die Corona-Zahlen explodieren, die Politik wirkt im Übergang von der alten zur neuen Regierung nicht gut sortiert. Von Olaf Scholz war tagelang nichts zu hören – jetzt sprach er im Bundestag. Dort bekam er Lob von künftigen Ampel-Partnern und Schelte vom bisherigen Regierungspartner. Die Macht sortiert sich neu.

Wo war Olaf Scholz? Während sich die vierte Corona-Welle immer höher in Deutschland auftürmt und die Intensivstationen voll werden, war vom vermutlich nächsten Kanzler zuletzt nichts zu hören. Scholz konzentrierte sich auf die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP. Die Union warf dem Sozialdemokraten vor, er verstecke sich vor seiner Verantwortung und meide die klare Positionierung.

Am Donnerstagmorgen taucht Scholz im Parlament aus der Versenkung auf. Zu den Vorwürfen von CDU und CSU sagt er nichts. Dafür versucht er, kraftvoll Führung zu zeigen, quasi in eigener Sache zu boostern. „Das Virus ist noch unter uns und bedroht die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger. Wir müssen gewissermaßen unser Land winterfest machen.“ Scholz mahnt zu größerer Vorsicht. Die Schutzmaßnahmen müssten stärker kontrolliert werden. Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, Abstand bei Veranstaltungen, das Vorzeigen der Impfausweise. Dazu müssten „viele, viele weitere Maßnahmen“ ergriffen werden, kündigt Scholz an.

Die Anti-Corona-Werkzeuge haben die drei Ampel-Parteien in ihrem Entwurf für ein geändertes Infektionsschutzgesetz zusammengefasst, den der Bundestag am Donnerstag erstmals beraten hat. SPD, Grüne und FDP wollen unter anderem Alten- und Pflegeheime besser schützen, 3G-Regeln am Arbeitsplatz einführen, wieder kostenlose Bürgertests anbieten. Und sie wollen die aktuell noch geltende epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen lassen.

Auch das bietet der Union Anlass zur deftigen Kritik: Die Ampel würde die „verlässliche Grundlage für unsere Pandemiepolitik“ auslaufen lassen und den Ländern die Flexibilität nehmen, wird Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus im Anschluss an Scholz’ Rede sagen. „Das geht doch nicht, meine Damen und Herren, wir sind in einer Krise!“, schimpft Brinkhaus. Und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt legt nach, dass Scholz das „Team Vorsicht“ verlasse und in die Corona-Mannschaft namens „Versuchen wir’s mal“ wechsle. CDU und CSU – obwohl als Teil der geschäftsführenden Regierung noch in Ämtern und Verantwortung – laufen sich für die neue Rolle in der Opposition warm, auch das wird in der hitzigen Debatte deutlich.

Achillesferse zu geringe Impfquote

Deutschlands Achillesferse in der vierten Welle bleibt die zu geringe Impfquote. Erst 67,3 Prozent sind doppelt geimpft. Scholz wirbt für die Impfung, macht sich für die Wiedereröffnung der Impfzentren stark und verspricht finanzielle Beteiligung des Bundes. Jeder Ungeimpfte müsse sich die Konsequenzen bewusst machen, mahnt Scholz. Viele würden auf den Intensivstationen landen, einige „um ihr Leben ringen“.

Doch der werdende Kanzler betont auch, dass der Staat die Aufgabe habe, sich um die Impfunwilligen zu kümmern: „Wir müssen Schutz für die Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger bieten“, sagt er unter Beifall seiner SPD-Fraktion. Dafür müssten die Kliniken mehr Geld bekommen, um Ausfälle durch Corona-bedingt verschobene Operationen kompensieren zu können. Auch das ist Teil des Ampel-Gesetzesentwurfs.

Zu den Schulen sagt Scholz nur einen einzigen Satz: Es müsse dort mehr getestet werden. Ist ihm nicht bewusst, dass Millionen Familien in größter Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder sind? Zu Beginn der Pandemie musste sich Noch-Kanzlerin Angela Merkel den Vorwurf gefallen lassen, Kinder und Jugendliche nicht auf dem Schirm gehabt zu haben. Umso erstaunlicher ist es, dass Scholz ausrechnet in diesem Punkt ähnlich nachlässig auftritt, zumindest in dieser Rede.

Linkspartei ist neue Verbündete der Union

Inhaltlich wird die Parlamentsdebatte an diesem Morgen von der Pandemie beherrscht. Doch in den Gesten und Zwischentönen geht es auch um die neue Verteilung von Macht. Da sind Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, die wohlwollende Töne in Richtung des künftigen Chefs der gemeinsamen Regierung senden. Scholz habe eine neue Bund-Länder-Runde mit den Ministerpräsidenten angekündigt – „zurecht!“, lobt Göring-Eckardt lautstark. Und Buschmann dankt Scholz ausdrücklich dafür, dass er seine Vorstellungen der Pandemiepolitik im Parlament darlegt. „Denn sie gehört in den Deutschen Bundestag.“ Die Ex-Oppositionsparteien Grüne und FDP rühmen sich dafür, nun auf dem Weg in die Regierungsbank den Parlamentarismus zu stärken.

Auch auf der künftigen Oppositionsbank tut sich etwas. Die Union schießt scharf gegen den Corona-Kurs der Ampel, fordert Scholz dazu auf, seine Verantwortung wahrzunehmen – und findet in diesem Punkt ausgerechnet in der Linkspartei eine Verbündete. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, hatte an anderer Stelle in der Debatte die Union zur „konstruktiv-kritischen Zusammenarbeit in der Opposition“ eingeladen.

Scholz hingegen will weniger durch Schärfe, mehr durch einen staatsmännischen Gestus glänzen. Und so versucht er zum Schluss, Brücken zu bauen. In dieser Gesundheitskrise sollten alle über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeiten. „Ich möchte alle einladen, mitzumachen.“ Er zumindest hat nach längerem Schweigen nun in der Corona-Politik einen ersten Aufschlag gemacht.