Marokko schaut weg Tausende Migranten überwinden Wassergrenze ins spanische Ceuta

Marokko schaut weg  / Tausende Migranten überwinden Wassergrenze ins spanische Ceuta
Europa im Blick: Als es hieß, die Grenze sei offen, gab es für viele kein Halten mehr Foto: AFP/Fadel Senna

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Spanien hat rund die Hälfte der seit Montag in der spanischen Exklave Ceuta eingetroffenen Migranten wieder nach Marokko abgeschoben. 

Die meisten kommen schwimmend. Einige sitzen in kleinen Gummibooten. Oder sie klammern sich an aufgeblasene Reifenschläuche. Manche schaffen es sogar, ohne nasse Füße zu bekommen und kletterten über die Steine des Grenzdamms, der an der Küste Ceutas Spanien von Marokko trennt.

Tausende erreichten auf diese Weise in den letzten Stunden spanischen Boden. Erschöpft liegen einige der Angekommenen im Sand. Andere rennen jubelnd über den Strand und rufen „Viva España“. Schätzungen zufolge haben bis zum Dienstagnachmittag annähernd 10.000 Menschen die Grenze überwunden.

Spaniens Nordafrika-Küstenstadt Ceuta, die von marokkanischem Territorium umgeben ist, erlebt derzeit den größten Ansturm von Flüchtlingen und Migranten, an den sich die 80.000 Bewohner erinnern können. „Wir haben hier schon viel gesehen“, sagt Rot-Kreuz-Sprecherin Isabel Brasero. „Aber noch nie sind in so kurzer Zeit so viele Menschen gekommen.“

Mit schwerem Gerät am Zaun: Martialische Bilder an der Grenze
Mit schwerem Gerät am Zaun: Martialische Bilder an der Grenze Foto: AFP/Antonio Sempere

Der konservative Bürgermeister der spanischen Exklave, Juan Jesús Vivas, berichtet von chaotischen Szenen und dass sich die Stadt in einer Art Ausnahmezustand befinde. Die Bevölkerung habe Angst. „Unsere Stadt erlebt eine Invasion.“ Die Bilder, die aus Ceuta kommen, sind martialisch: Am Strand Tarajal, im Süden der Stadt, sind Truppentransporter der spanischen Streitkräfte aufgefahren. Soldaten und Polizisten haben die Bucht, die direkt an Marokko grenzt, abgeriegelt. In der Luft kreisen Hubschrauber, auf dem Wasser patrouillieren spanische Grenzschutzboote.

„Die Grenze ist auf“

Die spanischen Sicherheitskräfte hindern die Menschen nicht daran, aus dem Wasser zu klettern und europäischen Boden zu erreichen. Aber sie sorgen dafür, dass die Ankommenden nicht in den Gassen der Stadt verschwinden. Eine Lagerhalle und das örtliche Fußballstadion dienen als provisorische Auffanglager.

Die meisten Angekommenen müssen mit sofortiger Abschiebung rechnen, sagt Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska, der am Dienstagnachmittag nach Ceuta reiste. Annähernd 3.000 Migranten seien schon Stunden nach ihrer Ankunft wieder nach Marokko abgeschoben worden. Nach Berichten von Augenzeugen sollen darunter auch zahlreiche Minderjährige sein, deren Deportation eigentlich verboten ist.

Der Anlauf auf Ceuta begann zu Wochenbeginn am frühen Morgen. Wie auf ein geheimes Signal hin verschwanden die marokkanischen Polizisten, die üblicherweise die zaunbewehrten Schutzdämme an der Wassergrenze bewachen. „Die Grenze nach Ceuta ist auf“, konnte man in sozialen Netzwerken in Marokko lesen.

Der Rückzug der marokkanischen Grenzer war kein Zufall: Marokkos launiger König Mohammed VI. benutzt regelmäßig die Migrationspolitik, um Druck auf Spanien und Europa auszuüben. Je nach politischer Wetterlage lässt er die Kontrollen an seinen Küsten lockern oder verstärken. Das bekamen schon die Kanarischen Inseln zu spüren, die  2020 einen gewaltigen Migrantenandrang aus Marokko erlebten.

Eine Revanche?

Dieses Mal erzürnte Mohammed offenbar, dass Spanien dem Chef der Polisario-Befreiungsbewegung Brahim Gali, Marokkos Staatsfeind Nummer eins, eine Krankenhaus-Behandlung im spanischen Logroño ermöglichte. Das sei eine „Kriegserklärung“, sagten marokkanische Diplomaten. Die Polisario kämpft für die Unabhängigkeit der von Marokko besetzten Westsahara, die bis 1975 spanisches Kolonialgebiet war.

Die Nachricht von der unbewachten Wassergrenze in Ceuta verbreitete sich in Marokko wie ein Lauffeuer. Aus den umliegenden Dörfern und Städten zogen Karawanen von Marokkanern zu den Sperrdämmen, welche die Wassergrenze zu Ceuta markieren.

Tausende wurden bereits zurückgeschickt
Tausende wurden bereits zurückgeschickt Foto: AFP/Antonio Sempere

Man sah vor allem junge Männer, die besonders unter der Perspektivlosigkeit und Wirtschaftsmisere in Marokko leiden. Auch ganze Familien brachen auf. Mütter mit Babys im Arm. Einige mit Rucksäcken oder sogar mit einem Koffer in der Hand. Doch die meisten kamen nur mit dem, was sie auf dem Leibe trugen.

In Ceuta versuchten in der Vergangenheit immer wieder schwarzafrikanische Migranten, den sechs Meter hohen Grenzzaun zu überwinden, der mit EU-Hilfe gebaut wurde. Manche starben dabei, weil sie vom Zaun fielen oder sich schwere Verletzungen im Stacheldraht zuzogen.

Auch dieses Mal bezahlte wenigstens ein Schutzsuchender seinen Traum, nach Europa zu gelangen, mit dem Leben. Er konnte nur noch tot aus dem Wasser gezogen werden. Zwei weitere Migranten, die mit Herzstillstand angetrieben wurden, konnten wiederbelebt werden.

Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sanchez kündigte am Dienstag an, dass er die Sicherheitskräfte in Ceuta weiter verstärken werde. Man werde mit allen Mitteln die Unversehrtheit der spanischen Nordafrika-Besitzung, die schon länger von Marokko beansprucht wird, verteidigen.

Auch die Europäische Kommission sagte Unterstützung zu: „Spanische Grenzen sind europäische Grenzen“, erklärte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Marokko müsse seine Pflicht erfüllen und die Grenzen kontrollieren. Wenn dies nicht geschehe, sei Europa auch bereit, die europäische Grenzschutzeinheit Frontex nach Ceuta zu schicken.

frolick
20. Mai 2021 - 20.21

Länder die immer noch Kolonien in Afrika haben brauchen wir nicht zu bemitleiden.

HTK
19. Mai 2021 - 8.30

Alle afrikanischen Staaten schauen weg.Denn wenn sie sich kümmern würden bräuchte ihre Jugend nicht nach Europa zu flüchten.Das angebliche wirtschaftliche Paradies.Aber für die meisten von ihnen ein Versinken in der Kriminalität.Aber wenn man nichts zu verlieren hat!

J.Scholer
19. Mai 2021 - 7.27

Marokko schaut nicht weg, es schafft eine künstliche Migration, die Flüchtlinge als Druckmittel und Erpressung , weil Spanien den Führer der Polisario ärztliche Behandlung zukommen lässt. Marokko beansprucht die Westsahara , dessen Unabhängigkeit die Polisario erwirken möchte.Längst ist der Flüchtling nicht mehr Flüchtling, zu achtzig Prozent ist er zum Spielball verschiedener Mächte geworden andere Länder zu erpressen, destabilisieren. Die Türkei ist bestes Beispiel solcher Politik, einerseits den Terror der Hamas , der Dschihadisten , im Aserbaidschan unterstützen, andererseits die EU mit den Flüchtlingen erpressen. Komischerweise funktioniert diese Politik, die EU kuscht .