Kopf des TagesNarr oder Nervensäge? Jan Böhmermann wird 40

Kopf des Tages / Narr oder Nervensäge? Jan Böhmermann wird 40
 Foto: dpa/Christophe Gateau

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Jan Böhmermann wird 40

Jan Böhmermann ist Satiriker, Power-Twitterer und hat nie den ganz einfachen Weg gewählt. Die Frage ist: Ist der „juwelenbesetzte Ring am ausgestreckten Mittelfinger des Zweiten Deutschen Fernsehens“ mit 40 Jahren nun endlich da angekommen, wo er hingehört?

Es gibt Spaßigeres, als einen runden Geburtstag im Lockdown zu feiern. Auch Jan Böhmermann ist das kürzlich aufgefallen. „Ich feier meinen 40. Geburtstag im Lockdown. In ein paar Tagen ist es so weit. Ich weiß gar nicht, was ich mache“, sagte der deutsche Satiriker in seinem Podcast „Fest & Flauschig“. Wobei es in seinem Fall dann doch keine so große Frage zu sein scheint. „Ich meine: Ich mache ohnehin nichts, eigentlich immer. Aber jetzt mache ich noch weniger als sonst.“

Man weiß nicht besonders viel darüber, wie Jan Böhmermann privat so ist. In die Schublade des Feierbiestes hätte man ihn aber auch bis zu diesem kleinen Einblick nicht einsortiert. Böhmermann ist eher der rationale Typ, der selbst den Quatsch, den er berufsmäßig für das Fernsehen produziert, genau durchdenken kann. Am heutigen Dienstag wird der „blasse, dünne Junge“ aber tatsächlich 40 Jahre alt, ob er nun auf den Putz haut oder nicht.

Auch wenn 40 angeblich das neue 30 ist, kann man sagen, dass Alter und Karrierestatus bei Böhmermann nun gut zusammenpassen. Seit November sendet er im ehrwürdigen ZDF-Hauptprogramm sein „ZDF Magazin Royale“, nachdem er sich dafür über Jahre auf dem kleinen Spartensender ZDFneo warmgelaufen hat. Böhmermann greift sich in dem Format ausgeruht ein Thema heraus, das er hart bearbeitet. Die Sendung ist gut, ohne jede Woche einen neuen Aufreger zu liefern. Es ist eine Mischung aus Satire und Investigativjournalismus.

Es gab Zeiten, in denen das anders war. Böhmermann wirkte über Jahre eher wie ein medialer Schachtelteufel, der die Aufmerksamkeit auch in der Nische geradezu magisch anzog. Goldstandard in Böhmermanns Aufreger-Karriere ist bis heute das Gedicht „Schmähkritik“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, in dessen Folge der Moderator zeitweise unter Polizeischutz stand.

Die Causa Erdogan kann man auch als Wendepunkt betrachten. Böhmermann wurde danach politischer, oft auch moralisierender. Immer wieder ließ er dafür auch die Kunstfigur hinter sich und argumentierte ohne jede blödelige Zwischenebene. Hat er ein Thema gefunden, kann er sich darin verbeißen. Ob manch einer ihn für eine Nervensäge hält, ist ihm wurscht. Der Spiegel schrieb 2019, Böhmermann sei eine „Ikone der Linken“ geworden. Titel des Textes: „Der Narr macht Ernst“.

Seinem Lehrmeister Harald Schmidt wäre das so nicht passiert. 2009 bis 2012 arbeitete Böhmermann dem Chefzyniker der deutschen Late Night zu, was wie eine Staffelübergabe wirkte. Heute lässt sich eine humor-ideologische Distanz beobachten. Während seiner „Gesellenzeit“ bei Schmidt sei ihm eingebläut worden, bloß nicht preiszugeben, was man wirklich denkt, erzählte Böhmermann 2020 der Süddeutschen Zeitung. Und wenn, dann so ironisch gedreht, dass man nicht festgenagelt werden kann. „Damit kommt man aber nicht sehr weit.“

Böhmermann kommt im Gegensatz zu Schmidt aus dem Journalismus. Der Bremer Polizistensohn volontierte von 2002 bis 2004 bei Radio Bremen. Jobtechnisch hat es ihn mittlerweile nach Köln verschlagen, wo seine Show produziert wird. Dass sich Böhmermann eher nicht für Otto-Normal-Tätigkeiten eignet, war allerdings früh klar. 2016 sagte er der dpa über seine Schulzeit: „Klar war ich ein Sonderling. Mit 14 oder 15 habe ich lange Ledermäntel, komische Schals und exzentrische Klamotten getragen und mich komplett ausgeklinkt, wenn es darum ging, in so einer Schul-Coolness mitzuschwimmen.“ Die anderen hätten rumgeknutscht, er sei „mit Inlineskates über den Lesumdeich gefahren“.

Wer das erlebt hat, dürfte auch einen Geburtstag im Lockdown überstehen. (dpa)

Cornichon
25. Februar 2021 - 11.00

Einer seiner letzten Sendungen über Influencer in Dubai war sehr gut. I like.

Leila
23. Februar 2021 - 18.27

Soso... der Kopf des Tages! Knallkopf des Tages gefiele mir schon besser. Wie kommt es, dass eine nicht deutsche Tageszeitung dem Poeten des allerbilligsten "Humors" (Satire???) Aufmerksamkeit schenkt? Zwischen ihm und Harald Schmidt liegen Welten - WELTEN!

Realist
23. Februar 2021 - 15.19

Für einen Narren ist er einfach nicht lustig genug; und für eine Nervensäge reicht's bei mir auch nicht, da ich automatisch umschalte, sobald er ins Bild kommt.

solange
23. Februar 2021 - 11.13

Keine Ahnung, da ich seit dem letzten Jahrtausend aufs Fernsehen verzichte, sind mir diese Z-Prominenten unbekannt.