Es gibt kaum ein Gericht, was es bei Adrienn Sabjan nicht auch als Torte gibt. Mit sicherer Hand formt sie die Griffe des roten Zuckergusstopfes. Mit einer Sauce aus Marmelade und Gelatine übergießt die frühere Finanzfachfrau den appetitlichen Lesco-Eintopf: Dem täuschend echten Ratatouille-Gericht fehlt nur der verführerische Duft und Dampf.
Für seine herzhafte Küche ist Ungarn ebenso bekannt wie für seine feine Backkunst. An deren erstaunliche Kombination wagt sich die kreativste Kuchenkünstlerin im Donaustaat. Ob mit Gulasch-, Schnitzel- oder Suppentorten: Mit ihren verblüffenden Kreationen sorgt die frühere Finanzfrau in Budapest für Furore.
Bleich schwimmt der vermeintliche Hühnerschenkel in der Suppentorte. Viel Gelächter und „kindliche Freude“ lösten ihre kalorienreichen Geschenktorten aus, erzählt die Chefin der Konditorei „Cake to go“ in der Petnahazy Utca. Manchmal werde das Lieblingsessen der Geburtstagskinder in Tortenform bestellt, oft seien aber gerade die Gerichte gefragt, die die Beschenkten Zeit ihres Lebens kaum hinunterwürgen konnten: „Mit der Torte erhalten sie endlich Gelegenheit, das verhasste Gericht ohne Probleme zu genießen.“
Kulinarische Kindheitstraumen süß aufarbeiten
Ob Spinat, die berüchtigten Paprika-Kartoffelnudeln „krumplis teszta“ oder der mit Spiegelei kredenzte Erbseneintopf „Borsofözelek“: An ihre kulinarischen Kindheitstraumen und Dramen können sich die Tortenempfänger endlich einmal unbeschwert erinnern – und diese süß aufarbeiten. Wie frisch aus dem Operationssaal wirkt derweil die von einer Kundin für ihren Liebsten zum Valentinstag georderte „Blutige-Herz-Torte“. Der Fantasie ihrer Kunden seien keinerlei Backgrenzen gesetzt, berichtet schmunzelnd die Tortenschöpferin.

Als die Betriebswirtin vor gut einem Jahrzehnt für ihren damals drei Jahre alt gewordenen Sohn ihre erste „Lightening McQueen“-Geburtstagstorte zauberte, verlor die Betriebswirtin noch keinen Gedanken an einen Wechsel ins Backgeschäft. Doch nachdem sie vor fünf Jahren auf Bitte eines Freundes ihre erste Paprikaeintopf-Torte kreierte, sorgten ihre verblüffend naturalistischen Werke erst in den Webwelten, aber dann auch bald in Ungarns Medien für immer größeren Wellenschlag. Vermehrten Einladungen in die TV-Studios folgte ein Buch über ihre Tortenkunstwerke– und stets mehr Backaufträge.
„Irgendwann waren mein Job, die Kinder und das Backen nicht mehr zu kombinieren – es fehlte mir einfach an Schlaf“, erklärt die Finanzfachfrau, warum sie nach 20 Berufsjahren in der Buchhaltung internationaler Konzerne Ende 2019 den Wechsel wagte – und eine eigene Konditorei eröffnete: „Wenn man ein Talent hat, sollte man es auch nutzen.“
„Ich esse gerne Chips“, sagt die Konditorin
Ihre spektakulären Tortenschöpfungen haben die Neu-Bäckerin bis heute erstaunlich gut durch die Corona-Krise gebracht. Denn statt wie zunächst geplant in dem von den Touristen stark frequentierten Zentrum eröffnete sie ihre Konditorei in einem guten Wohnviertel in Budapests 13. Distrikt. „Das war mein Glück – denn von Touristen bin ich nun nicht abhängig.“

Die „Essenstorten“ seien vor allem „gut fürs Marketing“, ist die Erfahrung der geschäftstüchtigen Konditorin, die mittlerweile ein halbes Dutzend Angestellte beschäftigt: „Es läuft sehr gut. Wenn die Leute eine Geburtstagstorte bestellt haben, kaufen sie später bei uns auch andere Kuchen.“
Statt mit Buttercreme würden ungarische Torten mit Sahne oder Quark gefertigt, so Sabjan. Ob sich unter ihren Gulasch- und Eintopftorten Schokolade- Himbeercreme- oder gesalzene Karamel-Füllungen verbergen, „alle unserer 15 Geschmacksrichtungen sind köstlich“, versichert Adrienn Sabljan. Selbst mag sie sich nach tausenden von gefertigten Torten allerdings an keinem süßen Gebäck mehr laben: „Ich mag Salziges – und esse gerne Chips.“

 
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Nicht unbedingt sehr appetitlich und geschmackvoll.
De gustibus non est disputandum. Körperwelten aus Marzipan zum Mitessen. Bon appétit.