In Innsbruck hat man sich zu früh über den erfolgreichen Widerstand gegen die von Virologen schon Mitte vergangener Woche georderte Isolation Tirols gefreut. Tatsächlich hatte eine geschlossene Front der ÖVP-Landesgranden erreicht, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Montag nur eine – rechtlich unverbindliche – Reisewarnung für das westliche Bundesland aussprach. Entgegen dem Rat aller Experten wurde wie in ganz Österreich auch in Tirol der seit sechs Wochen geltende Lockdown gelockert – Geschäfte, Schulen und Friseure haben unter Auflagen wieder geöffnet. Nur die Gastronomie und Hotellerie sind weiter geschlossen.
Montagabend räumte Anschober ein, dass in Tirol eigentlich eine Verschärfung der Maßnahmen angezeigt gewesen, aber am Widerstand des dortigen Landeshauptmannes Günther Platter (ÖVP) gescheitert wäre. Genaugenommen war Anschober auch daran gescheitert, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz keinen offenen Konflikt mit seinen Tiroler Parteifreunden riskieren wollte und seinen grünen Minister im Regen stehen ließ.
„Wiener Rülpser“ und gefährliche Kombination
Die Tiroler ÖVP revanchierte sich mit Abfälligkeiten: Es sei nicht so entscheidend, wenn „Wien einen Rülpser tut“, meinte der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Franz Hörl. Viel entscheidender seien Reisewarnungen aus den Hauptmärken – „die Deutschen und die Holländer“, so der ÖVP-Abgeordnete und Seilbahn-Lobbyist, der schon zu Beginn der Pandemie gegen einen Stopp des Skibetriebs gemauert hatte.
Doch genau auf einem dieser Hauptmärkte zog eine Gewitterfront Richtung Süden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fand nämlich die „überstürzte Lockerung“ in Österreich gar nicht gut. Und schon gar kein Verständnis hatte er für den lockeren Österreichs Umgang mit der Tatsache, dass Tirol mit 293 bestätigten Fällen mittlerweile der größte B.1.351-Cluster außerhalb Südafrikas ist.
„Die Kombination aus Mutation und einer überstürzten Lockerung, das ist nicht der dritte Weg, sondern der schlechteste Weg“, so der CSU-Chef. Sein Generalsekretär Markus Blume wurde im RTL-Frühstücksfernsehen noch deutlicher: Man werde „nicht zulassen, dass sich diese Welle über die Grenze zu uns nach Deutschland breitmacht“, sagte Blume und warnte, dass „Grenzschließungen eine Möglichkeit“ seien.
Hohe Geldstrafen und Ausreise nur mit Test
Das zeigt Wirkung. Hatte die Regierung in Wien am Montag noch geglaubt, gegen die geschlossene Tiroler-Front nichts außer ein paar Verhaltensempfehlungen und einer unwirksamen Reisewarnung tun zu können, so rang sich Kanzler Kurz gestern doch zu einer Verschärfung durch. Gemeinsam mit Minister Anschober erklärte er Tirol quasi zur Sperrzone, aus der man ab Freitag nur noch mit einem negativen Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, ausreisen darf.
Schluss ist auch mit augenzwinkernden „Lösungen“, die in den vergangenen Wochen trotz offiziell geltenden Beherbergungsverbots so manchen Skiurlauber auch aus Deutschland angelockt hatten. 1.000 Polizisten und Soldaten werden im Einsatz sein, um die auch bei einer bloßen Durchreise geltende Testpflicht penibel zu kontrollieren. Wer ohne Testdokument erwischt wird, zahlt bis zu 1.450 Euro Geldstrafe.
Die Argumente, die Kurz nun ins Treffen führte, galten auch schon am Vortag: Wenn sich die bislang fast ausschließlich in Tirol grassierende südafrikanische Mutante durchsetzen sollte, wäre das ein „Horrorszenario“, so der ÖVP-Chef mit Blick auf den bei B.1.351 „nur sehr eingeschränkt“ wirkenden Impfstoff von AstraZeneca.
Da die Hälfte der bis Sommer erwarteten Impfstoff-Dosen von dem britisch-schwedischen Pharmakonzern kommen, würde eine Ausbreitung der Mutante die österreichische Impfstrategie um Monate zurückwerfen. Das wusste man in Wien auch schon am Wochenende. Aber da gab es noch keine bayerische „Argumentationshilfe“ gegen die widerspenstigen Tiroler …
 
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