„Bipolar“ von Queena Li (Tiger Competition – 111’)
Me, myself and my lobster: Das Debüt der Chinesin Queena Li erzählt von einer namenlosen Protagonistin, die sich aus unklaren Gründen im tibetanischen Lhasa wiederfindet. Sie ist in sich zurückgezogen und in Trauer. Als sie jedoch im Hotelrestaurant einen (anscheinend) heiligen Hummer in einem viel zu kleinen Aquarium erblickt, erwacht die Aktivistin in ihr. Am nächsten Morgen ist das Aquarium leer und der Hummer in ihrem Auto.
Keine Angst: Dieses Roadmovie hat keine vegetarische Moral. Li lädt zwar auf eine Reise ein, die der Mensch als solche schon etliche Male gesehen hat – und dennoch gelingt ihr ein kurzweiliger Film, der mit traum-ähnlichen Bildsprache, schrulligen Situationen und einer verspielten (wenn auch an der jugendlichen Prätention vorbeischlitternden) Inszenierung punktet. Trotz eines schwerfälligen Starts und der Tatsache, dass die Intentionen und das allgemeine Narrativ etwas eins-zu-eins sind.
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„Gritt“ von Itonje Soimer Guttormsen (Tiger Competition – 119’)
Die Grenzen des skandinavischen Sozialmodells: Gritt ist eine prekäre Künstlerin, die sich irgendwie über Wasser hält, mit ihrer Art und Weise aber immer mehr ins gesellschaftliche Abseits schießt. Als ihr dann die staatlichen Zuschüsse für ihr groß angelegtes Kunstprojekt verwehrt bleiben, wird die Spirale nach unten losgetreten.
Ob Mensch will oder nicht, Guttormsen hält die Kamera auf die von Birgitte Larsen mit aller Konsequenz und ohne Erbarmen gespielte Gritt drauf. Auf der Suche nach dem Richtigen entscheidet sich die Figur wiederholt für das Falsche und rennt mit 120 km/h gegen eine Mauer. Die Regisseurin tut ihrem Publikum jedoch keinen wirklichen Gefallen, wenn sie hinter einer fast schon dokumentarisch anmutenden Herangehensweise dann doch nur Gritts Kunstkacke-Gelaber inszenatorisch unterstreicht. Aber vielleicht braucht der Film das. Die Reaktion auf die komplexe Psychogramm deckt so oder so eher etwas über einen selbst als sonst was auf.
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„La nuit des rois“ von Philippe Lacôte (Limelight – 93’)
1001 Nacht in Abidjan: Der ivorische Regisseur Philippe Lacôte inszeniert mit seinem zweiten Spielfilm ein faszinierend seltsames Hybrid, in welchem Scheherazade, Aristophanes Vögel, Shakespeare, moderner Tanz, queere Theorie und die Codes eines klassischen amerikanischen Gefängnisthrillers zusammenkommen.
Ein junger Mann landet in einem berühmt-berüchtigten Gefängnis Abidjans, in dem die Insassen das Sagen haben. Er wird vom dahinsiechenden Gefängniskönig Barbe-noir zum neuen Roman, der Erzählerfigur, ernannt, der in der kommenden Nacht (des blutroten Mondes) vor aufmüpfigem Mob eine Geschichte zu erzählen hat.
Storytelling um des Lebens Willen ist das Kernstück dieses ausufernden Filmes, der mit magisch realistischen Deutungsmöglichkeiten im Bann hält.
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„Quo Vadis, Aida?“ von Jasmila Zbanic (Limelight – 101’)
Don’t shoot the piano player: Dieser außerordentlich graue Film erzählt vom Massaker an bosnischen Muslimen in Srebrenica im Sommer 1995. Bedrückend und erbarmungslos ist der Film der Beweis, dass auch nach 25 Jahren die Wunden nicht verheilt sind. Nicht nur bei Bosniern und Serben, sondern auch bei den Holländern, deren Blauhelme eine nicht zu unterschätzende Rolle bei dieser Tragödie mitzutragen haben. Die IFFR-Auswahl ist somit alles andere als eine rein künstlerische. Jasna Duricic hätte in Venedig durchaus den Interpretationspreis verdient gehabt.
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De Maart
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