Freitag31. Oktober 2025

Demaart De Maart

CoronaWie das EU-Impfstoffdesaster die Position Pekings und Moskaus in Südosteuropa stärkt

Corona / Wie das EU-Impfstoffdesaster die Position Pekings und Moskaus in Südosteuropa stärkt
Schon Mitte Januar wurde Serbien mit einer Million chinesischer Sinopharm-Impfdosen beliefert Foto: AFP/Andrej Isakovic

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Die Lieferschwierigkeiten westlicher Impfstoffproduzenten untergraben das Vertrauen in die EU und stärken die Konkurrenz. Ob EU-Mitglieder oder Anwärter: Immer mehr südosteuropäische Staaten setzen auf direkte Lieferverträge – auch mit China und Russland.

Serbiens Meister der Selbstvermarktung stellt sein Licht wieder einmal nicht unter den Scheffel. Er entschuldige sich für seine Kleidung, aber er habe seit dem Morgen „wichtige Gespräche mit unseren Freunden in aller Welt geführt, um so viel wie möglich Impfdosen für unsere Bürger zu sichern“, verkündete Staatschef Aleksandar Vucic am Wochenende seinen Landesleuten die frohe Impfbotschaft im Trainingsanzug. Er sei „stolz“, dass Serbien bis Anfang März eine Million weiterer Impfdosen erhalten werde: „Und dabei geht es nicht um Verträge, sondern um echte Impfdosen.“

Schon Mitte Januar war der Balkanstaat mit einer Million chinesischer Sinopharm-Impfdosen beliefert worden. Die Serum-Bruderhilfe aus dem Osten macht es möglich: Nach Großbritannien weist laut OurWorld-Data ausgerechnet der rückständige EU-Anwärter mit 6,3 Prozent (Stand: 29. Januar) in Europa mittlerweile den höchsten Bevölkerungsanteil von bereits Geimpften auf.

Auffällig ist hingegen der geringe Impfgrad in den Herstellerstaaten, die sich die Lieferschwierigkeiten der Westkonkurrenz beim Kampf um Marktanteile und politischen Einfluss geschickt zunutze machen. Sowohl in China (1,58 Prozent – Stand 27. Januar) als auch in Russland (0,69 Prozent – Stand 15. Januar) liegt der Anteil der bereits Geimpften weit unter dem Serbiens.

Nicht nur Geschäfte – auch Politik wird so gemacht

Mit der Mangelware Impfstoff werden nicht nur Geschäfte, sondern auch Politik gemacht. Der Ruf Chinas auf dem Balkan nehme stark zu, während Vucic „den nationalen Helden“ mimen könne, umschreibt der serbischsprachige Dienst der Deutschen Welle den beiderseitigen Nutzen und Nebeneffekt der chinesischen Serum-Offensive: „Denn statt Versprechen liefert Peking Impfstoff.“

Wir wollen keine Erklärungen, wir wollen Impfstoffe

Viktor Orban, Ungarns rechtspopulistischer Premier

Tatsächlich untergraben die Lieferschwierigkeiten westlicher Produzenten das Vertrauen in die EU – und stärken die Konkurrenz. Ob EU-Mitglieder oder Anwärter: Immer mehr südosteuropäische Staaten setzen auf direkte Lieferverträge – ob mit China oder Russland.

„Wir wollen keine Erklärungen, wir wollen Impfstoffe“, begründet Ungarns rechtspopulistischer Premier Viktor Orban die Unterzeichnung von Verträgen zur Lieferung von russischem Sputnik-V- und chinesischem Sinopharm-Serum. Während im EU-Wartesaal Bosnien und Herzegowina sowie Nord-Mazedonien wegen des Ausbleibens der mit der EU vereinbarten Impfstofflieferungen nach serbischen Vorbild Direktverhandlungen mit den Herstellern angekündigt haben, bröckelt auch in Europas kriselndem Wohlstandsbündnis das Vertrauen in die Brüsseler Beschaffungsanstrengungen.

Auch klar westlich orientierte Staaten verlieren im Südosten des Kontinents die Geduld. Rumänien hat vergangene Woche bereits einen Vertrag zum Bezug von neun Millionen Dosen des deutschen, noch nicht zugelassenen Impfstoffs CureVac unterzeichnet. Und auch in anderen EU-Staaten nimmt der öffentliche Handlungsdruck auf die entnervten Würdenträger zu.

„Ohne Serum kann man nicht impfen“, kommentiert das tschechische Webportal Novinky.cz die Überlegungen, ähnlich wie Ungarn russischen Sputnik V-Impfstoff zu ordern oder in Lizenz selbst zu fertigen. Geopolitische Überlegungen sollten in diesem Fall keine Rolle spielen: „Es ergibt Sinn, eine benötigte Substanz von dort zu beziehen, wo sie erhältlich ist.“

Da die EU offensichtlich keinen Impfstoff organisieren könne, sollte man nicht länger auf das „Dreschen politischer Phrasen“ in Brüssel warten, sondern sich diesen selbst „auf dem freien Markt“ beschaffen, ermahnt das kroatische Webportal index.hr die eigene Regierung zum Handeln: „Findet den Impfstoff, mit oder ohne EU. Andere machen es auch.“