Premierminister Xavier Bettel hat in seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstag die inhaltlichen Weichen für das nächste Jahr gestellt (das Tageblatt berichtete). Finanzminister Pierre Gramegna legte am Folgetag mit seinem Budgetvorschlag das finanzielle Fundament dazu (auch diesbezüglich berichtete das Tageblatt). Die Opposition hat an Kritik nicht eben gespart, der Gewerkschaftsbund OGBL legt nach: Zwar hätten die beiden Minister positive Ankündigungen verlauten lassen, „angesichts des Ernstes der sozialen und wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land derzeit befindet“, seien diese allerdings „ungenügend“. Bestehende Krisen – etwa im Wohnungswesen oder in der sozialen Ungleichheit – hätten sich durch die Corona-Pandemie verschärft.
Einerseits begrüßt der Gewerkschaftsbund die Entscheidung der Regierung, auf einen Austeritätskurs und weitgehende Sparmaßnahmen zu verzichten – hier seien die Lehren aus der Finanzkrise von 2008/2009 wohl gezogen worden. Das Bekenntnis zum Wohlfahrtsstaat und die Investitionsbereitschaft hebt der OGBL ebenfalls als löblich hervor. Auch der Verzicht auf Steuererhöhungen, welche die kleinen und mittleren Einkommen belasten würden, wird von der Arbeitnehmervertretung begrüßt. Die „bemerkenswerte Ausnahme“ ist dabei die Kohlenstoffsteuer – und hier tut sich das erste Problem auf.
Kein Ende bestehender Ungerechtigkeiten in Sicht
Denn der Sozialausgleich, der im Zusammenhang mit der Einführung der Kohlenstoffsteuer vorgesehen ist, reicht der Gewerkschaft nicht. Der Betrag von 96 Euro sei „viel zu niedrig“, um die neue Steuer wirklich auszugleichen, und gerade die sehr kleinen Einkommen, die ohnehin steuerbefreit seien, könnten vom Steuerkredit nicht profitieren. Das Prinzip „Pollueur-Payeur“ sei überdies auch gegenüber Mietern ungerecht, da diese keinen Einfluss auf die Art der in ihren Häusern verwendeten Energie haben. Der OGBL fordert hier die Regierung auf, entweder Heizöl und Erdgas von der Kohlenstoffsteuer auszunehmen oder ein Rückerstattungssystem für Mieter einzuführen. Auch die zehnprozentige Erhöhung der Teuerungszulage als sozialen Ausgleich darzustellen, sei „inakzeptabel“ – eine Erhöhung sei längst notwendig gewesen.
Harsche Kritik üben die Gewerkschafter an den neuen Beteiligungsprämien, die nach der Abschaffung der umstrittenen „Stock Options“ ein ähnliches Konzept verfolgen und „ebenfalls nur sehr hohe Gehälter begünstigen und damit neue Steuerungerechtigkeiten schaffen“.
Das Vorgehen gegen Immobilienspekulation sei zwar prinzipiell wünschenswert, trotzdem versäumt die Regierung nach Ansicht des OGBL eine Reihe wichtiger Punkte. Die Gewerkschaft bedauert, „dass die Regierung immer noch nicht erwägt, mehr Sozialwohnungen auf den Markt zu bringen, noch die Gemeinden zur Förderung erschwinglicher Wohnungen zu zwingen, noch ihren jüngsten Gesetzentwurf über Mietverträge zu ändern, noch die Vermögenssteuer zu reformieren, noch eine nationale Steuer auf Landrückbehalt einzuführen.“ Demnach bleibe die Ankündigung „deutlich unter dem, was erforderlich wäre, um die Herausforderung der Wohnungskrise ernsthaft anzugehen“.
De Maart
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