ErweiterungOhne Zug zum EU-Ziel: Beitrittskandidat Serbien tritt auf der Stelle

Erweiterung / Ohne Zug zum EU-Ziel: Beitrittskandidat Serbien tritt auf der Stelle
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hat es offensichtlich nicht eilig mit den EU-Beitrittsverhandlungen  Foto: Andrej Isakovic/AFP

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Stillstand auf der EU-Dauerbaustelle: In diesem Jahr hat der wichtigste Beitrittskandidat Serbien noch kein einziges Verhandlungskapitel eröffnet. Statt sich der EU anzunähern, scheint sich der Balkanstaat unter dem autoritär gestrickten Staatschef Aleksandar Vucic stets weiter von ihr zu entfernen.

Wo kein erkennbarer Wille ist, findet sich auch beim EU-Beitrittsmarathon selten ein schneller Weg zum Ziel. Die Tatsache, dass der EU-Anwärter Serbien in diesem Jahr noch kein einziges neues Beitrittskapitel habe eröffnen können, „spricht für sich selbst“, schreibt Vladimir Bilcik, der slowakische Serbien-Berichterstatter des Europaparlaments, dem wichtigsten EU-Anwärter auf dem Westbalkan ins Stammbuch. Ohne Fortschritte bei der Stärkung des Rechtsstaats und des Kampfs gegen die Korruption sei ein solcher auch nicht bei der EU-Annäherung zu erwarten: „Wo es keine Arbeit und keine Resultate gibt, eröffnen sich auch keine neuen Kapitel. Das ist klar.“

2014 hatte Serbien die Beitrittsverhandlungen mit Brüssel begonnen. Von 35 Verhandlungskapitel konnte der Balkanstaat bisher lediglich 18 eröffnen und zwei abschließen, Tendenz fallend. Hatte Serbien 2017 noch sechs Kapitel eröffnet, waren es 2018 vier und 2019 nur noch zwei. Ob Belgrad in diesem Jahr überhaupt noch ein Kapitel eröffnet wird, ist angesichts der halbherzigen Verhandlungsführung und des mangelnden Reformwillens eher fraglich. „Trotz der Beitrittsverhandlungen verstärkt sich der Eindruck, dass sich Serbien immer weiter von der EU entfernt,“ konstatiert nüchtern das Webportal nova.rs.

Bei der Machtübernahme seiner nationalpopulistischen SNS 2012 hatte der allgewaltige Partei- und Staatschef Aleksandar Vucic noch von 2018 als Zieldatum für einen EU-Beitritt gesprochen. Angesichts des fehlenden Zugs zum Ziel gilt auch seine jetzige Vorgabe 2026 als kaum mehr realistisch: Selbst ein serbischer EU-Beitritt vor 2030 scheint mittlerweile eher fraglich als gewiss.

Belgrad nervt

Seit über einem Jahr ist der Posten von Serbiens Chefunterhändler nicht besetzt. Die von Vucic für 2017 zugesagte Verfassungsänderung zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz ist noch immer nicht umgesetzt. Der Dialog über das von der EU geforderte Nachbarschaftsabkommen mit Kosovo ist völlig festgefahren. Der gelobte Kampf gegen die florierende Korruption ist genauso ausgeblieben wie die der EU zugesagten Aufklärung von 24 zweifelhaften Privatisierungen. Stattdessen werden immer mehr Institutionen von der SNS gleichgeschaltet, die wenigen unabhängigen Medien unter Druck gesetzt.

„Vucic liefert“, priesen westliche Botschafter das vom Ultranationalisten zum scheinbaren Pro-Europäer mutierte Politchamäleon bis vor zwei, drei Jahren im einhelligen Diplomatenchor als „Reformer“ – und sahen wie ihre Dienstherren über die autoritären Tendenzen beim EU-Anwärter großzügig hinweg.

Doch der vermeintliche Hoffnungsträger hat sich zur tiefen Enttäuschung seiner westlichen Förderer als Meister der leeren Versprechen und auch außenpolitisch als opportunistischer und unverlässlicher Schaumschläger entpuppt. Ob seine verzückten Lobeshymnen auf China, die verweigerten Russland-Sanktionen oder den nun auf US-Druck angekündigten Umzug der Israel-Botschaft nach Jerusalem: Serbiens widerwillige Übernahme der gemeinsamen EU-Außenpolitik beginnt die Partner zunehmend zu nerven.