PolenAndrzej Duda will am Sonntag bei den Präsidentschaftswahlen sein Amt verteidigen

Polen / Andrzej Duda will am Sonntag bei den Präsidentschaftswahlen sein Amt verteidigen
Andrzej Duda versuchte, mit einem Besuch bei Trump im Wahlkampf zu punkten, die Opposition griff den polnischen Präsidenten wegen des teuren und mit Steuergeldern finanzierten Wahlkampfauftritts an Foto: Saul Loeb/AFP

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In Polen treffen bei den Präsidentenwahlen zwei Lebenswelten aufeinander, die den alten Bruderkrieg zwischen liberalen und konservativen Ex-Dissidenten neu befeuern.

Auf dem Rathausdach positionieren sich sieben Scharfschützen. Der zentrale Platz der beschaulichen 4.300-Einwohner-Stadt Serock, 40 Kilometer nördlich von Warschau, füllt sich, auch wenn viele Zuschauer uniformierte und Zivilpolizisten sind. Rund um die Bühne gruppieren sich Duda-Anhänger mit Plakaten, dazu viele Kinder mit Polen-Fähnchen. Ein Aktivist der Regierungspartei PiS peitscht die Versammelten ein: „Duda! Duda! Duda!“, ruft die Menge.

Andrzej Duda trifft mit halbstündiger Verspätung mit seinem „Duda-Bus“ ein und lobt die Bewohner des Städtchens überschwänglich. Serock sei wichtig, um bereits in der ersten Runde zu gewinnen, behauptet Duda und hebt wortgewaltig zu einer Lobrede auf den PiS-Sozialstaat an. „Endlich haben wir einen gerechten Staat“, sagt Duda und fordert dazu auf, 2015 mit heute zu vergleichen. „Ihr habt mich vor fünf Jahren im Wahlkampf um Hilfe gebeten, und ich habe euch geholfen“, sagt Duda. Duda wirbt für die traditionelle Familie aus Mann, Frau und Kindern, spricht von der Senkung des Rentenalters in seiner ersten Amtszeit, den Zusatzrenten, dem 2016 erstmals in Polen eingeführten Kindergeld und der Erhöhung des Mindestlohns. „Ich bin der Wächter des bisher Erreichten“, wirbt Duda und sagt: „Ich will weitermachen, damit ihr so viel wie in Westeuropa verdient und den gleichen Lebensstandard habt.“

„Wir danken! Wir danken!“, jubeln die rund 200 Versammelten. Doch hinten am Marktplatz sind immer wieder Pfiffe zu hören. Dort hat sich eine Gegendemonstration des „Komitees zur Verteidigung der Demokratie“ (KOD) versammelt. Auf Transparenten fordern sie die Einhaltung der Verfassung und protestieren gegen die Polarisierung des Landes. „LGBT ist keine Ideologie, das sind Menschen“, steht auf einem mit den Regenbogenfarben verzierten Kartonplakat. „Duda hilft mit, die Gewaltenteilung aufzuheben und eine autoritäre Herrschaft zu etablieren“, begründet ein lokaler Kosmetikproduzent seinen Protest. „Duda ist ein Albtraum“, sagt er und stimmt ins Pfeifkonzert ein. „Wir haben genug!“, hebt die Gruppe zum Schlachtruf der Opposition an.

Gefährliche Polarisierung

„Da hinten steht der Pöbel aus Warschau“, fluchen ein paar Duda-Anhänger unweit der Rednerbühne. Die aufgepeitschten PiS-Anhänger bedienen sich desselben Vokabulars, mit dem Parteichef Kaczynski Anfang Juni im Parlament Abgeordnete der oppositionellen Bürgerplattform (PO) als „groben Abschaum“ betitelt hatte.

Die Wortwahl zeigt eine gefährliche Polarisierung in Polen. Sie hat noch zugenommen, seit der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski Polens neuer Polit-Star geworden ist. Nachdem die Präsidentenwahl vom 10. Mai auf den 28. Juni verschoben wurde, hatte sich das liberale Bündnis KO (Bürgerplattform, Moderne und Grüne) nämlich entschlossen, ihre in den Umfragen lahmende Kandidatin Malgorzata Kidawa-Blonska (2 Prozent) durch den jungen und energischen Trzaskowski zu ersetzen. Nach der Bekanntgabe des neuen Wahldatums hatten sich auch die Grundzüge des Wahlkampfs verändert. Der Kampf des einsamen Favoriten Duda mit drei gleichwertigen Außenseitern ist zum traditionellen Zweikampf PiS gegen PO (2020 als Bündnis KO) geworden, der die Innenpolitik an der Weichsel seit 15 Jahren beherrscht.

Duda ist seitdem in den Umfragen abgestürzt. Galt es Anfang Mai noch als wahrscheinlich, dass der Amtsinhaber bereits in der ersten Runde gewinnt, muss der Regierungskandidat sieben Wochen später mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Trzaskowski in der zweiten Runde am 12. Juli rechnen. PiS-Parteichef Kaczynski, Polens starker Mann, schiebt die Schuld dafür der Opposition in die Schuhe. Dabei aber waren es Widerstände im eigenen rechtspopulistischen Lager, die die Wahlverschiebung erzwungen hatten, allen voran der inzwischen zurückgetretene Vize-Regierungschef Jaroslaw Gowin.

In Umfragen abgesackt

Während Duda (PiS) von über 60 auf rund 40 Prozent abgesackt ist, hat Trzaskowski (KO) die Zustimmung zum Oppositionskandidaten auf bis zu 32 Prozent hochgetrieben. „Ich werde ein starker Präsident sein, der die Verfassung achtet und der Regierung auf die Finger schaut“, verspricht Trzaskowski. Er werde aber „nicht der Präsident der totalen Opposition“ sein, sondern alle Polen gleich behandeln. „Ich mag nicht eure Ansichten haben, aber ich bin nicht euer Feind“, schreibt Trzaskowski im offenen Brief an die PiS-Anhänger.

Der Linksliberale hat inzwischen in den Umfragen alle übrigen neun Oppositionskandidaten abgehängt. Am schlimmsten trifft das den katholischen Publizisten Szymon Holownia, der lange als aussichtsreicher Unabhängiger galt, als neue Hoffnung auf eine Überwindung des Bruderkriegs zwischen PiS und PO. Dieser Bruderzwist ist tragisch, da die beiden ehemaligen Solidarnosc-Dissidentengruppen das Land seit 2005 polarisieren. „Ich träume von einer Zeit, in der ich als Wähler keine Entscheidung zwischen dem kleineren und größeren Übel treffen muss“, sagt Holownia bei einem Gespräch mit dem Tageblatt. Er habe viele bisherige Nicht-Wähler motiviert, sich am politischen Prozess zu beteiligen, erzählt Holownia, doch ob er sie auch für die zweite Runde an die Urnen bewegen kann, bezweifelt er. „Ich glaube nicht an die Weitergabe ganzer Wählerschichten“, sagt er angesprochen auf eine Wahlempfehlung. Dabei lässt Holownia keinen Zweifel offen, dass für ihn persönlich Duda, der immer wieder brutal gegen LGBT gewettert hat, nicht wählbar ist.

Zwei unterschiedliche Weltanschauungen

Der Wahlkampf ist damit auch zu einer Auseinandersetzung zweier Weltanschauungen geworden. Und je näher die Entscheidung rückt, desto brutaler wird das Ringen zwischen den konservativen Kaczynski-Anhängern, die immer noch mehr Sozialhilfe erwarten, und den Freunden eines weltoffenen Polen. Noch tritt dieses Lager getrennt in vier Parteien von links bis zur Mitte an, doch für die zweite Runde wird es sich gegen Duda vereinigen, der PiS fünf Jahre lang eine fast absolute Macht garantiert hat, weil er alle auch noch so umstrittenen Gesetze unterschrieben hat. Mehrere EU-Vertragsverletzungsverfahren sind die Frucht dieser ersten Amtszeit.

Laut Umfragen kann de facto nur Rafal Trzaskowski (KO) eine zweite Amtszeit des Kaczynski-Freundes verhindern. Neben dem Spiel mit der Angst vor Homosexuellen hat Duda drei Tage vor der ersten Wahlrunde nun noch ein Treffen mit US-Präsident Donald Trump in die Waagschale geworfen. Bei der nur 25-minütigen Unterredung ist nichts Konkretes entschieden worden, doch Trump hoffte danach vor der Presse auf einen Wahlsieg Dudas. Dies sei ein wahrhaftig teurer Wahlkampfauftritt auf Steuerzahlerkosten gewesen, höhnte in Polen die Opposition.

Rafal Trzaskowski, Bürgermeister von Warschau und einziger Kandidat, der Duda in eine zweite Wahlrunde zwingen kann
Rafal Trzaskowski, Bürgermeister von Warschau und einziger Kandidat, der Duda in eine zweite Wahlrunde zwingen kann Foto: Andrzej Grygiel/PAP/dpa
HTK
26. Juni 2020 - 9.38

...und davor zeigt man sich dann mit dem Obertrottel aus Übersee um Punkte zu sammeln.Ein kleines Lob von Trump,dass man auch brav seine 2% an die Kriegskasse einzahlt und schon regnet es Stimmen. Oh mei.