EditorialNeue Normalitäten: Auf dem Weg zurück sind wir alle vulnerabel

Editorial / Neue Normalitäten: Auf dem Weg zurück sind wir alle vulnerabel
Schutzbedürftig und wenig relevant für die Wirtschaft: Viele ältere Menschen sorgen sich inzwischen vor Diskriminierung und Stigmatisierung Foto: AFP/Eitan Abramovich

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Mit dem Ende des Lockdowns ändern sich die Regeln. Aber der Rahmen ändert sich nicht für alle gleich stark. Nach den Wochen des allgemeinen Rückzugs ist Luxemburg seit gestern in der Phase 2 und damit auf dem Weg zurück in die Normalität, die man vorsichtshalber „neue Normalität“ nennt – weil keiner voraussagen kann, wann und ob uns dieses Virus in Ruhe lässt, wann und ob wir für alle einen Impfstoff haben. Und damit: wann aus der neuen die alte Normalität wird.

Die Optimisten unter den Experten wären heilfroh, stünde ein Impfstoff in einem Jahr zur Verfügung. So lange im Lockdown zu bleiben, halten weder Mensch noch Wirtschaft aus. Es ist noch „ze fréi fir Party“, aber an der Zeit für vieles andere: vorsichtiges Wiedersehen von Freunden und Familie, Öffnung von Schulen, Geschäften, Friseuren. Demnächst dürften Gastronomie und Kultur hinzukommen. Die Gefahren von wirtschaftlichen, sozialen, psychischen Schäden werden ab jetzt, anders als im Lockdown, den Gefahren durch Covid-19 nicht mehr vollkommen untergeordnet.

Die neue Krankheit aber ist kein Gleichmacher. Besonders gefährlich ist sie für Menschen ab 75 Jahren und für solche mit Vorerkrankungen. In Luxemburg sprechen wir von „Personnes vulnérables“ – und viele, die sich da unfreiwillig mitgemeint fühlen, können diese Bezeichnung jetzt schon nicht mehr hören. Sie befürchten, als Hemmschuh auf dem Weg zurück ins Leben wahrgenommen zu werden. Sie sorgen sich vor Stigmatisierung und Diskriminierung. Oder einfacher: vor den bösen Blicken der anderen. Sie bekommen vor Augen geführt, nicht zu den „wirtschaftlich relevanten“ Teilen der Bevölkerung zu zählen. Dabei reden wir von vielen Menschen. Rund 41.200 sind in Luxemburg älter als 75. Wird die Grenze bei 65 gezogen, kommen noch einmal knapp 50.000 hinzu.

Im Hinblick auf den Schutz des Krankenhaus- und Pflegepersonals wird diesen Menschen viel Eigenverantwortung abverlangt werden – für einen erfolgreichen Weg zurück bleiben sie demnach sehr wohl „relevant“. Wer sich selber per Isolation schützen will, darf daraus keine Nachteile ziehen, auch keine finanziellen. Der Rest der Gesellschaft ist zur Rücksicht gegenüber diesen Menschen aufgefordert. Auch sie müssen noch hinauskönnen, wenn sie es wollen. Weder die Krankheit an sich noch eine besondere Schutzbedürftigkeit dürfen zum gesellschaftlichen Stigma werden. Von da aus wäre es nurmehr ein Schritt zur Diskriminierung des Alters an sich.

Damit das gelingt, muss jeder selbst entscheiden können, wie schutzbedürftig er ist oder nicht – und auch, wie er damit umgehen möchte. Von oben herab eine Auswahl zu treffen, wäre hingegen nichts anderes als ein Wegsperren. Da ändert auch der beste Wille nichts dran. Eine Auswahl teilt ein Ganzes immer in mehrere Teile. Wer Schutzbedürftige auswählt, wählt ihren Gegenpart gleich mit aus: die Corona-Fitten, die sogar in der Krise effizient sind. Das wäre dann nicht eine, das wären dann mindestens zwei „neue Normalitäten“ – von dort aus in das uns bekannte Zusammensein zurückzufinden, würde noch mühsamer.

Lully
12. Mai 2020 - 14.33

ech weess aus mengem Êmfeld gin êt och jong Läit déi vulnérabel sen, schwéierfälleg a müßesch, hänken doheem rêm a langweilen sêch an êmgedréint, ech kennen och eeler Läit, déi méi wéi 75 Joer hun, déi se fit wéi ee jonken Hunn, foure Velo, Schi, Moto, gi vill ze Fouss, am Gaart schaffen a mam Hond spazéiere, alt 6 Stonnen den Dag kann een einfach nêt all Mênsch an ENG Norm setzen, weder déi Aal nach déi Jonk êt gêt vun Allem Eppes Lully

Jangeli
12. Mai 2020 - 13.50

Waat ass daat eng scheiss Gesellschaft.

J.C.Kemp
12. Mai 2020 - 13.21

Wie mech als vulnerabel tituléiert, kritt eng gemoult! Net elo physesch, awer scho verbal.

Tarzan
12. Mai 2020 - 13.06

Welche andere Alternative gibt es denn als zurück zur Normalität? Bleift doheem bis ende 2022? Dass ältere menschen bei egal welcher Krankheit, Virus oder Operation ein höheres Risiko tragen, ist der Tatsache geschuldet, dass das Immunsystem im alter schwächer wird. Wenn jetzt ein älterer Erdenbürger demnächst wieder den apero in seiner stammkneipe trinkt oder im Fitnessstudio durchstarten will, dann soll er das. Noch was zum nachdenken aus einem andere Tb-Artikel von heute „Seit dem Auftreten der ersten HIV-Infektionen vor 35 Jahren haben sich laut Unaids etwa 78 Millionen Menschen mit dem Erreger infiziert. 35 Millionen starben demnach an den Folgen ihrer Aids-Erkrankung“.

Léini
12. Mai 2020 - 11.07

Esou ass et.

Leila
12. Mai 2020 - 9.32

Bis vor kurzem war die ältere Generation unsichtbar - jetzt stehen sie im Focus - ungewollt!

J.Scholer
12. Mai 2020 - 6.58

Die die den Reichtum dieses Land geschaffen , erschaffen , werden jetzt stigmatisiert und entmündigt. Die Generationen die Toleranz predigen, Solidarität einfordern strafen die Großväter, Großmütter ab.