Wo früher einmal getanzt und gefeiert wurde, treffen sich heute die praktizierenden Muslime zum Gebet: In der früheren Disko in der Differdinger rue John F. Kennedy befindet sich heute das „Centre islamique et culturel“. Anass hat dort seit mehr als über einem Jahr die Rolle des Imam übernommen. Das Tageblatt hat mit ihm über den heute beginnenden Ramadan gesprochen.
Tageblatt: Können Sie uns etwas über die Bedeutung des Ramadan im Islam erzählen?
Imam Anass: Die Zeit des Ramadan ist wie eine Art Schule. Während 30 Tagen trinkt und isst der Mensch nichts vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Der Tag ist ja die Zeit, in der der Mensch aktiv ist. In diesen Stunden, das Essen und Trinken zu unterlassen, verlangt eine gewisse Anstrengung. In der Nacht zu fasten, wäre ja einfach, da der Mensch dann sowieso schläft.
Doch wieso wird eigentlich gefastet?
Das Ziel des Ramadan ist es, in dieser Zeit ein besserer Mensch zu werden. Der Fastende soll eine persönliche Entwicklung durchmachen. Er soll sich in drei Punkten weiterentwickeln: Zuallererst soll der Mensch seine Beziehung zu Gott vertiefen.
Zweitens soll er seine Beziehung zu sich selbst verstärken. Er soll dadurch eine bessere Lebensweise entwickeln. Es ist medizinisch belegt, dass sich das Fasten positiv auf verschiedene Krankheiten auswirken kann. Das Fasten reinigt den Körper. In diesem Jahr wird während des Ramadan etwa 18 Stunden lang pro Tag gefastet. Der Mensch kann das ohne größere gesundheitliche Risiken überstehen. Der Körper fühlt sich natürlich etwas schwach. Doch im Gegensatz dazu entwickelt sich die spirituelle Kraft. Wenn man zu essen aufhört, füttert man die Seele mit dem Gebet und der Meditation. Wenn man beispielsweise einen Menschen zum Lächeln bringt, wirkt sich diese positive Energie auf einen selbst aus.
Und drittens?
Während des Ramadan soll die Beziehung zu allen Geschöpfen verbessert werden: Dazu gehören logischerweise die anderen Menschen, aber auch die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Umwelt. Alles, was Gott geschaffen hat, wird als heilig betrachtet. Nach Sonnenuntergang findet die erste Mahlzeit des Tages statt. Diese wird regelrecht zelebriert. Es wird zu einem Augenblick des brüderlichen Teilens und des Zusammenseins. Dieser Moment wird mit der Familie, Freunden oder auch in der Moschee zusammen verbracht. Am Abend gibt es auch noch ein gemeinsames Gebet, bei dem der Koran zitiert wird.
Ist das Fasten für jeden Pflicht?
Für die Muslime ist es für jeden Pflicht, der dazu imstande ist. Kranke, schwangere Frauen oder ältere Menschen müssen dies nicht tun. Wenn es eine Gefahr für die Gesundheit darstellt und der Arzt vom Fasten abrät, ist niemand dazu verpflichtet. Kinder können es versuchen, müssen aber nicht.
Ist es schwierig, so enthaltsam zu leben?
An den ersten drei Tagen kann es schwer sein, wenn man es nicht gewohnt ist. Doch es ist möglich, sich darauf vorzubereiten, wenn man außerhalb des Ramadan ein paar Fastentage einlegt. Der Ramadan kann auch eine Art Therapie für Menschen sein, die von gewissen Dingen abhängig sind, für Raucher beispielsweise. In einer Familie wird sich dann gegenseitig geholfen. Man ist nicht alleine. Ich persönlich war Student und später bei der Arbeit hatte ich nie Schwierigkeiten, andere Menschen beim Essen zuzusehen, wenn ich selbst fasten musste. Die Motivation kommt aus dem Inneren.
Was wird abends gegessen? Werden traditionelle Spezialitäten aufgetischt?
Ja, das gibt es. Es geht aber eher auf die einzelnen Kulturen zurück. In Luxemburg gibt es Muslime mit bosnischen Wurzeln, und die kochen dann Spezialitäten aus ihrer Kultur. Es ist eher eine Gewohnheit. Im Islam ist festgeschrieben, dass alles, was Gott uns vorschreibt, gut für uns und andere ist. Dies stellt ein wichtiges Prinzip im Islam dar. Morgens gibt es vor dem Sonnenaufgang eine erste Mahlzeit, die sehr wichtig ist. Diese Mahlzeit gibt die Kraft für die kommenden Stunden. Oft werden dann Datteln gegessen. Es ist eine süße Frucht mit vielen Vitaminen, die zusammen mit viel Wasser sättigend wirken soll. Abends isst dann jeder, wie und was er mag.
Seit wann praktizieren Sie den Ramadan?
Ich habe bereits früh, mit acht Jahren, angefangen. Ich wollte es so machen wie die Erwachsenen. Mein erster Ramadan war im November, dann sind die Tage kürzer, was das Fasten einfacher macht.
Was hat es Ihnen bis jetzt persönlich gebracht?
Da ich sehr früh angefangen habe, fällt es mir jetzt leichter. Jetzt ist es eine Gewohnheit. Der Ramadan hilft den Menschen, sie sind wachsamer. Sie passen besser darauf auf, was sie machen und was sie sagen. Und das Ziel ist es, das ganze Jahr über so zu sein. Man strengt sich ein Monat lang an, damit es später zur Gewohnheit wird. Sozialwissenschaftler und Psychologen sagen, dass ein Mensch in der Regel drei bis vier Wochen braucht, um sich an etwas Neuem zu gewöhnen oder sich einer negativen Angewohnheit zu entledigen. Der Ramadan ist auch eine Zeit der Großzügigkeit und des Teilens jedem gegenüber. Zuerst ist man ein Mensch und dann erst Muslime.
Gibt es andere Vorbereitungen?
Vor dem Fasten ist es wichtig, dass man versucht, sich mit anderen zu versöhnen. Menschen mit Familienproblemen wollen mit ihren Verwandten Frieden schließen. Der Schlaf zu der Zeit ist eine Frage der Organisation. Denn wenn man um drei Uhr morgens aufsteht, bleibt nicht mehr viel Zeit, bis man zur Arbeit muss. Während des Ramadan hört der Alltag nicht auf. Alles läuft wie gewohnt. Sportler müssen natürlich aufpassen. Doch es gibt auch Nationalspieler, die den Ramadan praktizieren.
Wie sieht ein typischer Abend während des Ramadan aus, nachdem die Sonne untergegangen ist?
Nachdem die Sonne verschwunden ist, wird gebetet. Es gibt fünf Gebete täglich. Muslime leben mit der Natur, deswegen richten sich die Zeiten dafür nach der Sonne. Danach gibt es ein Festessen, wie auch das Ende des Ramadan mit einem großen Fest gefeiert wird. In unserer Moschee kommt jedes Jahr ein Team mit Küchenpersonal, das Essen für diejenigen zubereitet, die keine Familie haben. Nach dem Essen findet das letzte Gebet statt.
Das wird zusammen in der Gruppe abgehalten. Das Gebet ist wirklich eine Art der Meditation für uns. Und jede der einzelnen Gebetspositionen ist eine Art der Verbeugung vor Gott. Es gibt auch einen sozialen Nutzen, denn dieses gemeinsame Beten verbindet die einzelnen Menschen miteinander.

De Maart

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