Von unserem Korrespondenten Frederic Spohr
Die beliebte indische Satire-Seite „Humans of Hindutva“ macht dicht. Dem Betreiber wurden die Morddrohungen von radikalen Hindus zu viel. In Indien gibt es immer wieder Drohungen gegen kritische Journalisten. Premierminister Modi wird deswegen kritisiert.
Es war eine kurze Glanzzeit. Nicht einmal ein Jahr lebte Indiens wohl bissigstes Satire-Projekt: Am Donnerstag ging die Facebook-Seite „Humans of Hindutva“ endgültig offline. Erst im April war sie gestartet – und erreichte schnell mehr als 100.000 Abonnenten. Hindutva ist eine Ideologie, die eine stärkere Rolle des Hinduismus in der indischen Politik fordert. Dieser Hindu-Nationalismus richtet sich in seiner radikalen Ausprägung häufig gegen Minderheiten und wurde in den vergangenen Jahren immer stärker auf dem Subkontinent.
Beliebt bei liberalen Indern
„Humans of Hindutva“ nahm die Bewegung in für indische Verhältnisse ungewohnter Schärfe ins Visier: Da steht zum Beispiel der hindu-nationalistische Premierminister Narendra Modi in einem Forschungslabor – und lässt sich erklären, wie alle Volksfeinde nun ein Blumenkohlgericht als Hirn-Ersatz implementiert bekommen. Durch die Operationen würde ihn künftig noch mehr Menschen lieben, erklärt ihm eine Forscherin.
Zum Ziel der Humor-Attacken wurden auch fanatische Kuhschützer, die in Indien immer wieder in Mobs auf Muslime oder andere vermeintliche Rindfleischesser losgehen. Humans of Hindutva nahm aber auch Sittenwächter aufs Korn oder thematisierte die zunehmende staatliche Überwachung der Inder. Es sind erste Themen, die den Alltag progressiver Inder zunehmend schwieriger machen.
Sorge um die Familie
Doch nun zieht sich der anonyme Satiriker zurück. Unbekannte Männer hätten ihn plötzlich angerufen und ihn bedroht, erklärte er indischen Medien. „Ich möchte nicht wie Gauri Lankesh oder Afrazul Khan enden“, schreibt er in einem seiner letzten Beiträge. Gauri Lankesh ist eine ermordete kritische Journalistin, Afrazul Khan ein Muslim, der vor wenigen Wochen von einem fanatischen Hindu vor laufender Kamera getötet wurde. „Noch mehr als um mich sorge ich mich um meine Familie. Ich hoffe, dass diejenigen, die mich bedroht haben, dies als einen Sieg betrachten und uns in Ruhe lassen.“
Der Fall zeigt, wie es um die Meinungsfreiheit in Indien bestellt ist. Zwar gibt es zahlreiche Zeitungen, die recht unabhängig berichten. Immer wieder kommt es jedoch zu Drohungen oder sogar Gewalt gegen kritische Journalisten. Und auch Satire hat es auf dem Subkontinent schwer. Im Juni ermittelte die Polizei gegen die Comedy-Truppe All-India Bakchod. Sie hatte ein Bild von Modi veröffentlicht, das zuvor durch einen Hunde-Filter von Snapchat bearbeitet worden war.
Kein Schutz vom Staat
Kritiker werfen der regierenden hindu-nationalistischen Partei Bharatiya Janata Party von Modi immer wieder vor, zu wenig gegen Intoleranz tun – oder diese sogar befeuern. Auch der Texter von All-India Bakchod, Pulkit Arora, kritisierte nach dem Ende von Hindus of Hindutva den indischen Regierungschef. Bevor dieser an die Macht gekommen sei, seien die Leute nicht empfindlich gewesen. Gleichzeitig hätten die Behörden Andersdenkende besser geschützt. „Der Staat beschützt dich nicht, wenn jemand beschließt, außerhalb des Gesetzes zu handeln“, sagte er gegenüber dem Guardian.
Der anonyme „Humans of Hindutva“-Gründer ist auch wohl nach seiner Aufgabe noch nicht aus der Schusslinie. Derzeit muss er sich noch gegen Gerüchte um Falschmeldungen wehren. Bereits im Dezember schaltete er die Seite das erste Mal ab. Plötzlich zirkulierte in sozialen Medien ein manipulierter Screenshot, der belegen sollte, dass die Seite von Facebook wegen Hassrede geblockt wurde. Das überzeugte so viele, dass sich der Satiriker noch einmal gezwungen sah, die Seite zum Gegenbeweis abermals zu aktivieren. Doch nun ist wohl endgültig Schluss.
De Maart
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