Im Metal-Genre ist es mittlerweile Usus, dass Bands im Dreierpack auftreten. Dieses ziemlich großzügige Jahr gab es bereits die Möglichkeit, Disturbed, Avenged Sevenfold und Chevelle zu sehen, nächste Woche folgen Five Finger Death Punch, In Flames und Of Mice And Men. Am Donnerstag gab es mit Russian Circles, Red Fang und Mastodon ein weiteres Highlight in der Rockhal. Wir haben uns mit Russian Circles, der verschwiegensten der drei Bands, unterhalten.
In Luxemburg wirken die größten Ereignisse manchmal wie ein Dorffest. Im benachbarten Belgien kommt es im Gegenteil schon mal vor, dass die perfekte Dorffestlocation zum internationalen Festivalschauplatz wird. So geschehen im belgischen Zottegem, das einmal im Jahr das „dunk!“-Festival beherbergt.
Vor einem Jahr traten dort Russian Circles als Headliner auf. Kurz vor dem Konzert saß Gitarrist Mike Sullivan alleine auf einem der drei langen Kantinentische, die das nutritive Zentrum des Festivals bildeten. Niemand der zahlreich vorbeihuschenden Fans traute sich, den Gitarristen anzureden, es formierte sich sogar ein respektvoller Distanzkreis um Mike, der in ganzer Ruhe seine Mahlzeit zu sich nahm.
Der Grund dieser Schüchternheit der Fans mag wohl darin gelegen haben, dass Russian Circles auf der Bühne die Distanz zu den Fans maximieren: kein dämliches „Seid ihr gut drauf?“, keine austauschbaren Floskeln, keine Zugaben. Die Musik steht im Zentrum, der Rest ist unwichtig.
Dass die Formel durchaus aufgeht, zeigt die Tatsache, dass der Klub in der Rockhal bereits ordentlich gefüllt war, als Russian Circles aufgetreten sind – und das, obwohl die Amerikaner nur der erste von zwei Support Acts waren und bereits sehr früh (und leider sehr kurz) auftraten. Verschiedene Fans sollen sogar hauptsächlich wegen Russian Circles das Mastodon-Konzert besucht haben.
Im Interview gaben sich die drei Bandmitglieder als äußerst jovial und erstaunlich kommunikativ. Und das, obwohl Mike uns anfänglich warnte, er sei ein Mann von wenigen Worten, mit ihm riskiere das Interview, bloß fünf Minuten zu dauern.
Tageblatt: Als Begleitband – ihr seid ja hier sozusagen die Eröffnungsband der Eröffnungsband – stehen euch knapp 30 Minuten zur Verfügung, um das Publikum von eurem Talent zu überzeugen. Wie geht man da beim Aufstellen einer Setlist vor, zumal eure Songs doch gerne mal über 7 Minuten dauern – und ihr bereits sechs Platten herausgebracht habt?
Mike Sullivan: Nun, wenn wir mit anderen Bands auf Tour sind und für diese eröffnen, testen wir am Anfang mal eine Reihe von Songs. Es dauert manchmal eine Weile, bis wir das richtige Gleichgewicht gefunden und festgestellt haben, was funktioniert und was nicht. Da wir mit zwei (Stoner-)Metalbands unterwegs sind, haben wir uns für diese Tour entschieden, einfach die lauten Songs vorzuziehen. So passen wir uns stilistisch an den Gesamtkontext der Tour an. Bei unseren längeren Sets möchten wir natürlich ein ausgeglicheneres Set bieten, pendeln zwischen den ruhigeren, atmosphärischen Titeln und den härteren Sachen.

Jedes Russian-Circles-Album klingt ganz eindeutig nach Russian Circles – und doch gibt es eine ganz klare Evolution vom ersten Album „Enter“ zu „Guidance“, das ihr 2016 veröffentlicht habt. Wie würdet ihr diese Entwicklung kommentieren?
Brian Cook: Ich glaube, für den Zuhörer stellt sich unser neues Material einfacher, geradliniger als die frühen Songs dar. In Wahrheit sind die neuen Sachen aber vielschichtiger. Früher bestand unser Markenzeichen darin, komplexe Gitarren- oder Bassläufe zu schreiben, wohingegen wir uns heute eher fragen, wie viele Schichten wir mit kontrastreichen oder komplementären Tönen und Frequenzen stapeln können. Es klingt, als würde weniger passieren, obwohl eigentlich mehr passiert.
M.S: Was jetzt das sehr eigene Feeling jeder Platte anbelangt: Klar denke ich, dass jede Band ihr nächstes Album von den vorherigen abgrenzen möchte. Wir verbringen im Studio sehr viel Zeit damit, uns zu fragen, wie die Songs aufeinander abgestimmt werden sollen. Dieser Track war ruhiger, dann soll der nächste wieder etwas mehr Unruhe verbreiten.
Als Band kultiviert ihr eine gewisse Aura: Es gibt keine Zugaben und ihr redet auch nicht mit dem Publikum. War das von Anfang an gewollt oder hat sich dies irgendwann ergeben?
M.S.: Ein bisschen von beidem, denke ich. Die Leute wissen, dass der Merch-Stand ein möglicher Platz ist, um mit der Band zu reden. Die Dankbarkeit, die wir unseren Fans gegenüber verspüren, die Dankbarkeit dafür, dass sie unsere Konzerte besuchen und uns unterstützen – das ist für uns eine Selbstverständlichkeit, die nicht unbedingt verbal ausgedrückt werden muss. Und humorvolle Statements zu machen – das würde überhaupt nicht zu unserer Musik passen. Für mich ist hier weniger mehr. So erlaubt man der Musik, mehr Platz einzunehmen.
(Zu diesem Zeitpunkt kommt Schlagzeuger Dave Turncrantz in die Backstage gewandert und fragt, ob irgendwo ein Aufnahmegerät herumliegt, was von Brian und Mike bejaht wird. Dave lacht kurz – „Ich dachte, ihr würdet bloß herumdiskutieren“ – und gesellt sich zu uns zum Interview.)
Bei instrumentaler Musik gibt es keinen Lead-Singer – und damit auch keine notgedrungene Hierarchisierung, da jedes Instrument gleichermaßen zentral ist. Hat diese demokratischere Herangehensweise auch einen Einfluss auf den kreativen Prozess?
D.T.: Das sehe ich gar nicht so, in meinen Augen bin ich ganz klar der Star der Band (lacht). Nein, im Ernst: Der Fakt, dass wir nur zu dritt sind und es keinen Gesang gibt, bedeutet für mich, dass in den Songs jedes Instrument ausgefeilter sein muss, dass jedes Element „catchy“ sein soll – wir können uns auf keinen Frontmann verlassen.
M.S.: Beim Schaffensprozess gilt es, die Instrumente auszubalancieren. Wenn Dave einen dichten, komplexen Schlagzeugteil spielt, dann ist es wichtig, dass Brian und ich dies nicht mit unseren Instrumenten übersättigen.
Hier würden zu viele Köche den Brei verderben. Man muss den anderen atmen lassen.
In instrumentaler Musik gibt es sehr wenige Bedeutungselemente. Es gibt keine Texte, nur Songtitel und das Artwork. Bei einer Postrock-Band wie Mogwai stehen die Titel und das Artwork oft in ironischem, humorvollem Kontrast zur melancholischen Musik. Wie handhabt ihr diese paar prominenten Bedeutungszentren, das Artwork und die Songtitel?
B.C.: Unsere Songs sagen nichts aus. Man kann über keinen unserer Songs sagen, dass er jetzt z.B. über Herzschmerz oder Beziehungen geht. In diesem Sinne handelt es sich bei unseren Kompositionen um abstrakte Formen. Es gibt dann auch keine Möglichkeit der Fehlinterpretation – jede Stimmung, die jemand in einen unserer Songs hineinlegt, ist legitim. Das Artwork kommt bei uns immer gegen Ende des Schaffensprozesses. Die Musik ist zuerst da, dann suchen wir nach Titeln. Der Prozess ist eher viszeral. Erst im Rückblick sagen wir uns manchmal, dass dieser oder jener Songtitel irgendwie – vielleicht unbewusst oder zufällig – mit unserer momentanen Lebenslage zu tun hatte.
Das anschließende Konzert war kurz, aber beeindruckend – ein ausgezeichnetes Amuse-Bouche, das Lust auf mehr machte, vor allem „Harper Lewis“ unterschied sich von der Albumversion, da hier Cooks fräsender Bass dem Song zusätzliche Dichte verleiht.
Red Fang gelang es anschließend, die Art Stoner auf die Bühne zu bringen, die die Queens Of The Stone Age längst nicht mehr spielen – kompromisslos, schmutzig und schnell, mit Gesangsparts, die nach bärtigen, rauen Männern klingen und auch von bärtigen, rauen Männern gesungen werden.
Mastodons abschließendes Set dauerte fast zwei Stunden und mischte gekonnt alte und neue Tracks. Gegen Ende gab es einen beeindruckenden Gastauftritt von Scott Kelly von Neurosis, der sechs Songs lang dauerte. Mastodon waren technisch beeindruckend, wirkten manchmal aber etwas überladen, den Songs wurde zu wenig Freiraum gelassen und gegen Ende stellte sich eine gewisse Monotonie ein.
Eine Lösung wäre hier gewesen, die typisch hierarchische Aufteilung zwischen Support Acts und Hauptband aufzulösen und den Konzertprozess zu demokratisieren, zumal die drei Bands qualitativ ebenbürtig waren.
Als ich vor Jahren eine weitere Dreierkonstellation – Solstafir, Mono und The Ocean – in Köln sah, hatte man genau dies getan: Jeder Band stand die gleiche Spielzeit zur Verfügung. Ein Modell, das in solchen Situationen und Konstellationen vielleicht Schule machen sollte.
De Maart






































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