Dienstag28. Oktober 2025

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Gelungene Neuerfindung

Gelungene Neuerfindung
Frontmann Kurt Wagner kombiniert seine tiefe Stimme neuerdings mit elektronischen Elementen (Foto: Tania Feller)

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Eine Band erfindet sich auf ihre alten Tage neu, hieß es in aller Munde, als Lambchop ihr letztes Album „Flotus“ (was für „First Lady of the United States“ stehen könnte, offiziell aber mit „For Love Often Turns Us Still“ ent-akronymisiert wird) vorstellten.
In der Tat war „Flotus“ auf ersten Blick eine radikale Abwendung des Sounds, den Lambchop seit nunmehr einer gefühlten Ewigkeit praktizierten – minimalistischer Amerikana, der von spärlichen, delikaten Arrangements und Frontmann Kurt Wagners unverkennbarem Bariton-Gesang lebt. Auf „Flotus“ gibt es elektronische Sounds, lange, perkussive Jams und vor allem eine durch den Vocoder getriebene, von Auto-Tune modulierte Stimme, die Wagners Gesang etwas entfremdet.

Relativierte Radikalität

Diese Radikalität kann und muss aber zweifach relativiert werden: Erstens ist die Nutzung von Vocoder und Auto-Tune in den generischen Sphären vom Singer/Songwriter, vom Folk und Americana keineswegs neuartig. Auf Sufjan Stevens unterschätzten, komplexen „The Age of Adz“ gab es den wohl ersten radikalen, experimentellen und konsequenten Einsatz dieser Entfremdungstechniken (man erinnere sich an das 20-minütige „Impossible Soul“), den Hipster Justin Vermont AKA Bon Iver auf seinem letzten Album für den Mainstream gefällig machte.

Foto: Tania Feller

Zweitens – und das merkte man beim Konzert am vergangenen Freitag ganz besonders – bleibt hinter diesem neuen stilistischen Gefüge der Kern dessen, was einen Lambchop-Song ausmacht, intakt.

Alte Songs mit neuem Stil

Ob es nun die zahlreichen neuen Tracks waren (die Band eröffnete mit dem prächtigen „Writer“, fuhr dann mit „Old Masters“ fort, das im Live-Format mit Klavier und den delikaten Echos von Wagners Stimme noch überzeugender als auf der Platte herüberkam) oder die vereinzelten Klassiker, die sich in deren Mitte einnisteten (das schöne 2B2 vom Album „Mr. M“), das Set hörte sich wunderbar homogen an und auch die Aufarbeitung älterer Songs, die teilweise mit der neuen elektronischen Vorliebe verfärbt wurden, fügte sich nahtlos in das anderthalbstündige Konzert ein. Die neuen Songs wirkten gar eine Spur knackiger als auf dem Album, auf dem die neue Expermentierfreudigkeit manchmal etwas  selbstgefällig wirken konnte.

Foto: Tania Feller

Dies lag wohl hauptsächlich an einer sehr effizient funktionierenden Live-Besetzung: Während Bassist Mark Nevers (am Freitag war sein Geburtstag) seinem Bass eine sehr jazzige Geschmeidigkeit verlieh und die delikaten Klaviertöne von Tony Crow mit dessen humorvoll großmäuligen Auftreten kontrastierten, stand Wagner, manchmal ironisch schulterzuckend (als wolle er sagen: „that’s all we got, Folks!“), mit sehr amerikanischer Baseballkappe in der Mitte der Bühne und zeigte, dass es sehr wohl so etwas wie eine bescheidene, zurückhaltende Selbstsicherheit gibt.

Etwas zu poliert

Dies spiegelte sich auch in der Art und Weise, mit der die Band mit dem Publikum interagierte wider, wobei die Rollenaufteilung ganz klar war: Mark Nevers gab den schüchternen Bassisten, Tony Crow den humorvollen Redner, dem Wagner kopfschüttelnd und etwas resigniert die Stirn bot.

Foto: Tania Feller

Soundtechnisch war das Konzert zwar einwandfrei – sowohl die Basslinien als auch die Klaviertöne erklangen sehr präzise, im oft minimalistisch-komplexen Geflecht hörte man jede Note kristallin heraus –, durch die Gestaltung des Raumes (nur Sitzplätze, die Boxen verteilen den Klang von oben herab) herrschte aber eine gewisse klangliche Kälte, eine zu große Geschliffenheit, die zwar zu den elektronischen Einschlägen gut passte, der Wärme und DIY-Ästhetik des Folks aber manchmal ein wenig schadete. Nichtsdestotrotz: Mit Lambchop konnte opderschmelz den glücklicherweise ziemlich zahlreich vorhandenen Zuschauern einen ausgezeichneten musikalischen Abend bieten. Der unsererseits dann in der Rockbox mit einem Desdemonia-Konzert nicht kontrastreicher hätte aufhören können.