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HIV: Wie dramatisch ist die Lage?

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Die neuen Zahlen zu HIV in Luxemburg sind nicht so verheerend, wie das Ministerium glauben lässt - eine Risikogruppe ist allerdings vermehrt betroffen.

Bei 98 Menschen wurde in Luxemburg im Jahr 2016 HIV diagnostiziert. Diese Zahl geht aus dem nationalen HIV-Bericht hervor, den Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) am Mittwoch der Presse vorstellte.

Es ist der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1983. Die Ministerin bezeichnete diese Zahl deshalb als „alarmierend“. Diese Einschätzung teilen aber nicht alle. „Eigentlich wollten wir genau da hin,“ erklärte ein Mitarbeiter der „HIV-Berodung Luxemburg“ dem Tageblatt.

Diagnosen sind keine Infektionen

Schockierende Aussage? Keineswegs: „Wären in dieser Statistik Menschen gemeint, die sich im Jahr 2016 mit HIV infiziert haben, wäre das wirklich eine schlechte Entwicklung“, erläutert er weiter. Solche Zahlen werden aber für das Großherzogtum gar nicht erhoben. Stattdessen besagt die Zahl, wie viele HIV-Infizierte im vergangenen Jahr ihre Diagnose erhielten. „Mehr Diagnosen werden aber nur gestellt, weil sich immer mehr Leute testen lassen.“

Diese Erklärung macht auch deutlich, warum die Zahl seit 2010 kontinuierlich steigt: Seit damals werden vermehrt Präventionskampagnen durchgeführt, welche die Menschen dazu bewegen sollen, einen HIV-Test zu machen. Davor schwankte der Wert sieben Jahre in Folge kaum und lag bei durchschnittlich ca. 60 neuen Diagnosen jährlich.

Der Trend sei also positiv zu werten, nur wenn man von seiner Infektion weiß, kann mit einer Behandlung begonnen werden. Inzwischen können Betroffene ihre Viruslast (die Konzentration der HI-Viren im Blut und anderen Körperflüssigkeiten) durch moderne Medikamente massiv verringern. Damit sinkt nicht nur ihre Wahrscheinlichkeit, an Aids zu erkranken, praktisch auf null, sondern es ist auch nahezu ausgeschlossen, dass sie andere Personen beim Sex mit HIV anstecken.

„Die Infektionskette wird durchbrochen“

Das nennt sich „Schutz durch Therapie“. „Sind Betroffene nicht mehr ansteckend, ist die Infektionskette durchbrochen“, führt der HIV-Berater aus. Das bedeutet aber auch: Je mehr HIV-Infektionen erkannt und therapiert werden, desto weniger kann sich HIV ausbreiten. Eine hohe Zahl an Neudiagnosen ist daher begrüßenswert, weil von den laut Ministerium ungefähr 1.065 HIV-positiven Personen in Luxemburg 13 Prozent nichts von ihrer Infektion wissen.

Vor wenigen Jahren wurde die Zahl noch auf 30 Prozent geschätzt. Auch das ist als Erfolg zu werten und lässt sich unter anderem auf die höhere Testbereitschaft zurückführen.

Ein solcher Test sollte allerdings regelmäßig stattfinden. Der HIV-Berater empfiehlt jeder Person mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern (ab zehn pro Jahr), sich alle sechs  Monate testen zu lassen. Für andere reicht eine jährliche Untersuchung.

Homosexuelle Männer haben zudem die Möglichkeit, sich vorab zu schützen. Seit dem 1. April können HIV-negative Schwule in Luxemburg „Präexpositionsprophylaxe“ (PrEP oder auch „Pille davor“) erhalten. Diese macht eine Ansteckung durch einen sexuellen Kontakt bei korrekter Einnahme extrem unwahrscheinlich. In Frankreich, Norwegen und einigen US-amerikanischen Städten ist diese Präventionsmaßnahme schon seit Jahren Standard: Die Infektionsrate innerhalb der schwulen Community sank.

Immer mehr Kokainkonsumenten

Leider ist noch nicht ausreichend erforscht, ob PrEP auch gegen eine Ansteckung durch intravenösen Drogenkonsum schützen kann – aber gerade hier sind die Zahlen in der Tat alarmierend: Jahrelang bewegten sich die Werte im einstelligen Bereich, schnellten aber ab 2013 nach oben. In diesem Fall lässt das nicht auf eine erhöhte Testbereitschaft von Drogenkonsumenten schließen, sondern liegt an einer Änderung des Angebots.

„Seit fünf Jahren drängen Banden auf den luxemburgischen Drogenmarkt, die vor allem Kokain anbieten“, erklärt der nationale Drogenbeauftragte Alain Origer. Das hat auch Auswirkungen auf andere Substanzen. Heroin, dessen Reinheitsgrad im Großherzogtum bei 12-14 Prozent liegt, wird nun vermehrt mit Kokain gemischt – obwohl die Wirkungsweise beider Stoffe völlig unterschiedlich ist.

Heroin wirkt als Opiat entspannend, Kokain ist dagegen ein Stimulanz. Die Mischung ist gefährlich und verkürzt den von Heroinabhängigen gewünschten Effekt. Bieten die Dealer den gepanschten Stoff an, greifen die Süchtigen dennoch zu. „Normalerweise sind Konsumenten nach einem Schuss zwei Stunden ruhig, jetzt werden sie schon nach 30 Minuten wieder nervös“, so Origer. Manche sind nach ersten „Kostproben“ auch ganz auf Kokain umgestiegen. Die Folgen sind in beiden Fällen dieselben: immer kürzere Abstände zwischen den Injektionen. Die Konsumenten spritzen bis zu zehnmal am Tag.

Fixen als Risikofaktor

Intravenöser Drogenkonsum ist ein hoher Risikofaktor für eine HIV-Infektion. Je öfter ein Abhängiger fixt, desto eher steckt er sich an, sofern er seine Spritzen mit anderen teilt. Zwar wurden im vergangenen Jahr in den verschiedenen nationalen Konsumzentren insgesamt 423.060 sterile Spritzen an Drogenabhängige abgegeben, aber dieses Angebot erreicht die neuen Kokainkonsumenten nicht so wie erhofft.

„Sie haben gar nicht mehr die Zeit oder die Energie, sich um neue Spritzen zu kümmern“, erklärt Origer. Die veränderte Wirkweise führt zu einer ständigen Jagd nach dem nächsten Schuss und macht ein normales Leben unmöglich. Saubere Spritzen zu besorgen, steht da bei Betroffenen einfach ganz unten auf der Prioritätenliste.

Momentan ist Kokain billiger als Heroin. Da es aber öfter und mehr konsumiert wird („viermal so häufig“), verschlimmert sich die Geldnot und damit die soziale Situation der Konsumenten. Gerade Frauen sehen sich dann oft zur Prostitution gezwungen. Auf diese Weise sind sie zweifacher Gefahr ausgesetzt: Sie könnten sich durch ihren Drogenmissbrauch oder die häufig wechselnden Geschlechtspartner anstecken.

Alternative Konsummethoden

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sieht der HIV-Bericht vor, den Betroffenen eine andere Konsumform nahezubringen. Typischerweise wird Kokain geschnupft, aber auch Konsum durch Inhalation ist möglich. Durch beide Methoden kann immerhin kein HIV übertragen werden. Allerdings ist dies laut Origer keine neue Maßnahme.

Intravenöser Drogenkonsum stellt immer eine Gefahr für die Gesundheit dar. Selbst wenn alle Beteiligten HIV-negativ sind, können diverse andere Infektionen auf diesem Wege übertragen werden. Und auch mit einer sauberen Spritze können Entzündungen und sogar Blutvergiftungen auftreten.

„Wir geben zwar sterile Spritzen ab, aber wir haben gleichzeitig immer versucht, die Süchtigen wenigstens von dieser Art des Konsums abzubringen.“ Deshalb existiere im Konsumraum Luxemburg-Stadt des Drogenhilfezentrums Abrigado bereits ein sogenannter „Blowroom“, in dem Süchtige ihren mitgebrachten Stoff inhalieren können. Schon 45% aller Konsumenten habe man von dieser Konsumform überzeugen können.

Forschungslage ist unklar

Durch Präventionsfahrzeuge, die gezielt die Orte aufsuchen, an denen Drogensüchtige anzutreffen sind, besteht auch für diese die Möglichkeit eines HIV-Tests. Eine Art „Schutz durch Therapie“, wie er bei Sexualkontakten möglich ist, ist bislang für Drogenkonsumenten nicht in Sicht, da die Wirkungsweise bei Blut-zu-Blut-Ansteckung noch nicht erforscht wurde. Problematisch wäre das aber ohnehin: Die Medikamente müssten regelmäßig und gewissenhaft eingenommen werden, was für Süchtige in ihrer prekären Situation oft unmöglich ist.

Die Fixer unter den Drogenabhängigen gehören daher zur momentan gefährdetsten Gruppe – auch wenn die Menge an Neudiagnosen in absoluten Zahlen (21) klein ist. Die Entwicklung der letzten Jahre ist dennoch besorgniserregend und erfordert die besondere Fürsorge der Gemeinschaft.

Aline Pabst

Jonas
26. August 2017 - 0.19

Ëmmer déi Sprëtzen. OK, vill Drogenofhängeg sinn aarm drun, mä bei Amazon kritt een 100 Eemolsprëtze mat Kanüle fir 7,32€.
Dat misst engem säi Liewen awer wäert sinn.