Bei der von den USA und Russland ausgehandelten Waffenruhe im südwestlichen Syrien geht es vor allem auch um den Iran. Denn Syriens Nachbarn Jordanien und Israel befürchten, dass Teheran auf eine langfristige Präsenz im Süden des Bürgerkriegslandes abzielt. Jüngste Bewegungen iran-treuer schiitischer Milizen, die an der Seite der syrischen Regierungstruppen kämpfen, haben diese Sorge verstärkt. Die Feuerpause, die am Sonntag um 12 Uhr in Kraft treten soll, dient denn auch dazu, Jordanien und Israel etwas zu beruhigen.
Die Waffenruhe würde – wenn sie eingehalten wird – dafür sorgen, dass alle Kampfparteien sozusagen auf ihren gegenwärtigen Positionen festgefroren sind, heißt es von der jordanischen Regierung, die an den Verhandlungen beteiligt war. Damit wären auch weitere Vorstöße von Kräften unter iranischem Kommando, darunter die libanesische Hisbollah-Miliz, unterbunden.
Die syrische Regierung will mit Hilfe der schiitischen Milizen von Rebellengruppen erobertes Territorium in der südlichen Provinz Daraa und vom sogenannten Islamischen Staat kontrollierte Gebiete im Südwesten nahe dem Dreiländereck mit dem Irak und Jordanien zurückzugewinnen. Aber Syriens Nachbarn haben den Verdacht, dass der Iran eine breiter angelegte Agenda verfolgt, nämlich einen Landkorridor vom eigenen Territorium über den Iran durch Syrien bis in den Libanon.
Die Waffenruhe ab Sonntag soll nach Angaben eines ranghohen jordanischen Regierungsbeamten mit Hilfe von Satelliten und Drohnen sowie durch Beobachter am Boden überwacht werden. Syriens Verbündeter Russland soll Militärpolizisten in dem Gebiet stationieren. Feuerpausen sind im schon sechs Jahre dauernden syrischen Bürgerkrieg wiederholt vereinbart worden, um dann am Ende nicht eingehalten zu werden, und es ist nicht klar, ob es diesmal funktioniert. Die Waffenruhe im Südwesten ist getrennt von den bisher erfolglosen Bemühungen von Russland, der Türkei und dem Iran, sogenannte Deeskalationszonen in Syrien, so auch im Süden, zu schaffen.
Israel beobachtet
Israel war nicht direkt an den Verhandlungen beteiligt, aber es wird erwartet, dass es die Waffenruhe genau beobachtet. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat wiederholt betont, dass sie keine dauerhafte iranische Präsenz in Syrien zulassen werde. So führte das israelische Militär in Syrien auch eine Reihe von Luftangriffen durch, um mutmaßlich für die Hisbollah bestimmte Waffentransporte zu stoppen. Auch der jordanische Regierungsvertreter sagt, die internationale Gemeinschaft, regionale Mächte und Jordanien würden die Entstehung einer „Landlinie auf der ganzen Strecke zwischen Teheran und Beirut“ nicht tolerieren.
Ein solcher „schiitischer Halbmond“ würde das regionale Gleichgewicht zerstören und als „superrote Linie“ betrachtet, so die Gewährsperson. Mit Bezug auf die rivalisierenden sunnitischen und schiitischen politischen Lager, die von Saudi-Arabien beziehungsweise dem Iran angeführt werden. Konflikte zischen beiden Seiten sind in den vergangenen Jahren eskaliert, etwa in der Form von Stellvertreterkriegen in Syrien und dem Jemen. Das überwiegend sunnitische Jordanien ist ein US-Verbündeter und unterhält auch diskrete Verbindungen zu Israel.
Sein Land habe in Gesprächen mit Russland seine Besorgnis über die iranischen Absichten deutlich gemacht, schildert der Regierungsbeamte. Die Botschaft sei mit Sicherheit bei der syrischen Regierung angekommen, aber es sei unklar, wie viel Einfluss Syriens Präsident Baschar al-Assad auf seine Verbündeten habe. Eine erfolgreiche Waffenruhe könne den Weg zu Gesprächen über eine syrische Wiederübernahme der Kontrolle von Grenzübergängen zu Jordanien ebnen, die Syrien im Krieg an die Rebellen verloren habe.
Eine iranische Landverbindung
Israel kontrolliert die Golanhöhen im Südwesten Syriens, die es im Nahostkrieg 1967 erobert hatte, und ist beunruhigt über die Präsenz der Hisbollah in der Nähe dieses Gebietes. Besorgt sei man auch über iranische Bestrebungen, im Libanon eine „Fähigkeit zur Eigenproduktion von Raketen“ aufzubauen, wie Chagai Tzuriel vom israelischen Geheimdienstministerium sagt. Er weist zudem darauf hin, dass sich im Juni Kräfte der iranischen Achse, die von beiden Seiten der der syrisch-irakischen Grenze gekommen seien, nahe Jordanien miteinander verbunden hätten. Eine Kontrolle über Teile der Grenze könne Teheran helfen, sein strategisches Ziel einer Landverbindung in den Libanon zu verwirklichen.
„Dies sind Bedrohungen, die alle Parteien interessieren sollten, die an einer Stabilisierung Syriens und der Region interessiert sind, darunter die USA und Russland“, sagt Tzuriel. Die Vereinbarung über die Waffenruhe ist die erste dieser Art zwischen der Regierung von US-Präsident Donald Trump und Russland. Sie könnte Washington etwas mehr Mitsprache dabei sichern, wer das Machtvakuum füllt, das mit dem Vertreiben des IS aus weiteren Gebieten in Syrien entsteht. Washington stemmt sich gegen ein Erstarken der iranischen Kräfte und deren Verbündeten. In den vergangenen Wochen hat das US-Militär sowohl ein syrisches Flugzeug, das sich amerikanischen Truppen zu stark genähert hat, als auch iranische Drohnen abgeschossen.
Der britische Botschafter in Jordanien, Edward Oakden, spricht Russland eine bedeutende Rolle zu. „Es ist offensichtlich, dass es den Russen obliegt, Druck auf beide, das (syrische) Regime und die Iraner, und auf die Hisbollah-Verbündeten des Regimes auszuüben, damit sie Geist und Buchstaben dieser Waffenruhe respektieren.“
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AP
De Maart
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