Mal so richtig gelassen alle Hemmungen verlieren

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„Was soll man sonst mit drei Männern machen als angeln zu gehen?“, fragt Rosie ihre zwei Freundinnen Donna und Tanya. Das ist zwar eigentlich nicht Donnas Hauptproblem, aber sicherlich eine berechtigte Frage. Vor allem, wenn „frau“ seit mehr als 20 Jahren den Kontakt zum starken Geschlecht auf Berufliches reduziert hat. Heike Bucher

Was in der Musical-Verfilmung „Mamma Mia!“ auf den ersten Blick wie ein fast nebensächlicher Gag erscheint, entpuppt sich schnell als augenzwinkernder Kern der Geschichte.
Die Story ist einfach gestrickt: Die alleinerziehende Donna (Meryl Streep) lebt mit ihrer 20-jährigen Tochter Sophie auf einer winzigen griechischen Insel und betreibt dort wenig erfolgreich ein kleines Hotel. Als Sophie ihre Jugendliebe Sky heiraten möchte, wird ein großes Fest geplant, zu dem die junge Frau ohne Wissen der Mutter ihre drei in Frage kommenden Väter einlädt, die auch prompt alle erscheinen (Pierce Brosnan, Colin Firth und Stellan Skarsgård). Außerdem reisen Donnas beste Freundinnen Rosie und Tanya (Julie Walters und Christine Baranski) an, mit denen Donna nicht nur Freud und Leid teilt, sondern auch die Erinnerungen an eine bewegte Jugend mit ihrer Coverband „Donna and the Dynamos“.

Die Mama schaukelt das Baby

Der Erfolg des Bühnenmusicals „Mamma Mia!“ mit den Hits der schwedischen Popband ABBA war und ist phänomenal, natürlich konnte die Verfilmung da nicht lange auf sich warten lassen. Bemerkenswert jedoch ist der Mut, mit Catherine Johnson eine in Kinofilmen völlig unerfahrene Regisseurin anzuheuern. Die Engländerin hatte zwar schon am Theater Regie geführt, sich aber vor allem als Autorin der „Mamma Mia!“-Geschichte verdient gemacht. Wer also sollte sein eigenes Baby besser schaukeln als die Mami?, mögen sich die Produzenten (unter anderen Tom Hanks nebst Frau Rita Wilson) gedacht haben. Dass sie damit vielleicht nicht unbedingt den richtigen Riecher hatten, beweisen die Kritiken, die in den letzten Wochen in allen möglichen Zeitungen standen. Was wurde da nicht alles bemängelt: Licht- und Gegenlichteffekte, Kulissen, Choreografien und natürlich das spärlich vorhandene gesangliche Talent eines Pierce Brosnan, der mehr zu verteidigen hat als seine persönliche Glaubwürdigkeit. Schließlich rüttelt er an einer der charismatischsten Autoritäten der Filmgeschichte überhaupt, Mr. James Bond. Man mag es vielleicht peinlich finden, wie er versucht, seine Stimme zu beherrschen und die Töne herausquetscht, als würde er sich erleichtern. Aber fernab jeglicher ästhetischer Programmatik, die immer gleiche Bilder in immer ähnlicheren Produktionen vorschreibt, kann der Film vor allem mit seiner absurden, fast schon trashigen Machart für köstliche Unterhaltung sorgen. Und auch das ständige plötzliche Erscheinen eines Hintergrund-Chores in den denkbar merkwürdigsten Positionen will mehr als bloße Begleitung sein.

Das Offensichtliche als Ablenkung

Die gesamte Musicalbranche an sich wird dabei auf die Schippe genommen, in der einem seit Jahrzehnten als normal verkauft werden soll, dass es Leute gibt, die von einer Sekunde auf die nächste zu singen anfangen. Was vor Jahren in „Grease“ und zuletzt in „Hairspray“ nur angedeutet wurde, wird in „Mamma Mia!“ auf die Spitze getrieben. Es ist ein Studiofilm mit grellen, bunten und schnellen Bildern, die zwar oft mehr verwirren, als heimisch zu werden in allzu seichten Sehgewohnheiten, dafür aber nie vorhersagbar sind. Nichts plänkelt so dahin, alles ist in Aufruhr. Kleine versteckte Details spielen sich im Hintergrund ab, während das Offensichtliche lediglich pure Ablenkung ist. So ist die Hochzeit der jungen Sophie nichts weiter als ein Auslöser für die Irrungen und Wirrungen in die Jahre gekommener Frauen und Männer (und Hollywoodstars), die mal so richtig gelassen alle Hemmungen verlieren und ihren selbst aufgebauten Rollenklischees seelenruhig die Stirn bieten können. Die fast 60-jährige Meryl Streep rennt und singt durchs Bild und entwickelt dabei eine nie zuvor gesehene Dynamik. Und auch Julie Walters (den meisten Kinogängern in letzter Zeit als Mutter von Ron Weasley aus „Harry Potter“ bekannt) versprüht ungewöhnliche Eleganz, vor allem bei einem ausgelassenen Tanz auf der Hochzeitstafel (Treat Williams hat es in „Hair“ nicht besser gemacht). Amanda Seyfried als junge Sophie ist zwar eine echte Augenweide und bringt als einzige die Töne butterweich rüber, kann aber den eigentlichen Stars kaum das Wasser reichen. Colin Firth hat es so ausdrückt: „If you are the kind of person who always wanted to see middle-aged men in tight spandex trying to sing, then this is the film for you.“ Recht hat er, aber die Frauen sind auch nicht schlecht, ganz und gar nicht.
Im Ariston/Esch und im Utopolis, www.caramba.lu, www.utopolis.lu