Donnerstag6. November 2025

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Stahlindustrie kocht auf Sparflamme

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Die Stahlproduktion ist in Luxemburg spürbar zurück gefahren worden. Folgen hat das für die Belegschaft nicht. Der OGB-L pocht auf die bewährten Instrumente, um derlei Schwankungen aufzufangen./Lucien Montebrusco

Luxemburgs Stahlindustrie läuft zurzeit auf Sparflamme. In den meisten Werken ist sie sogar ganz aus. Vergangene Woche hatte der Konzern eine weltweite Reduzierung der Produktion um 15 Prozent angekündigt. Man bewege sich auch in Luxemburg in diese Richtung, sagte uns gestern ein Pressesprecher von ArcelorMittal. Details wolle man keine geben. Man bevorzuge eine Verlangsamung der Produktion gegenüber einem Preisverfall.
Tatsache ist, dass der TLM 330 in Schifflingen seit einem Monat steht, ebenso die Drahtstraße STFS. Auch das Schifflinger Stahlwerk hat die Produktion eingestellt. „Alle Anlagen stehen“, sagte uns gestern Raymond Kapuscinsky, Präsident des OGB-L-Stahlsyndikats. Der Produktionsstopp soll noch acht Wochen andauern, wobei zwischenzeitlich die Produktion je nach Kundennachfrage wieder hochgefahren werden kann.

Börsen undbilliger Schrott

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Bis Ende des Monats steht auch die neue Walzstraße TMB in Belval. Das Stahlwerk in Esch arbeitete im Monat Oktober nur an vier Tagen. In Differdingen steht die Grey-Straße, und das voraussichtlich während zwei Wochen, in Rodange die Straßen C und A. Der Belegschaft wurde dies mit den Entwicklungen an den Börsen erklärt.
Ein weiterer Grund dürfte jedoch sein, dass der Konzern im Juli/August enorme Mengen an Schrott zu niedrigen Preisen gekauft hat, die Stahlpreise aber nach wie vor hoch bleiben, der Kunde jedoch auf Preisreduzierungen pocht.
Laut Gewerkschafter wurden die geplanten Investitionen in die Luxemburger Anlagen vorläufig eingefroren. Investitionen, die im Rahmen des Lux2010 vorgesehen seien, um die Produktivität zu erhöhen, so Alain Kinn, im OGB-L für den Stahlsektor zuständig.

Personal weiterbeschäftigt

Auf die Beschäftigungslage wirkt sich der Produktionsstopp nicht aus. Wer keine freien Tage mehr hat, muss auch weiterhin antreten. „Die Menschen werden weiter beschäftigt“, so Kapuscinsky. Sie putzen und streichen an. Mancher Walzstraße werde bereits die zweite Farbschicht verpasst, so Kapuscinsky.
Dass sämtliche Anlagen gestoppt wurden, habe er in seiner ganzen Laufbahn in der Stahlindustrie noch nicht erlebt. Es sei lediglich zu zeitweiligen Produktionsunterbrechungen auf einer Anlage gekommen. „Überschüssiges“ Personal wurde dabei der „Cellule de reclassement interne“ (CDR) überwiesen. Eine betriebsinterne Arbeitsvermittlungsstelle, die Personal an andere Abteilungen des Konzerns vermittelt oder auch für externe Betriebe Leiharbeiter zur Verfügung stellt. Damit konnten in der Vergangenheit Entlassungen vermieden werden.
Der OGB-L pocht denn auch auf eine Weiterführung der CDR. Eben diese Frage bleibe vorerst unbeantwortet, sagt Kinn. Ebenso jene der Fortführung der Vorruhestandsregelung für Stahlarbeiter. Diese Instrumente müssten jedoch erhalten bleiben. Ohne sie wäre das ordnungsgemäße Funktionieren der Stahlindustrie nicht mehr gewährleistet. Besonders bei längeren Produktionsstopps würden diese Instrumente benötigt. Andernfalls müsste man über Personalabbau reden. „Sie dienen demnach auch dazu, die Arbeitsplätze in der Stahlindustrie abzusichern“, so Kinn. Und das sei vor allem in Zeiten wichtig, wo über die Notwendigkeit eines Umdenkens und über die Schaffung von Arbeitsplätzen auch in der Industrie geredet wird.
Der Produktionsstopp fällt gerade in die Vorwahlperiode zu den Sozialwahlen. Auch bei ArcelorMittal werden sich die Beschäftigten klar für jene Vertreter aussprechen können, die ihre Interessen am besten verteidigen. Ein klares Kräfteverhältnis sollte sich aus den Delegationswahlen schon herausschälen, so Kapuscinsky mit Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen mit der Direktion. Bange ist den OGB-L-Vertretern nicht. Die Gewerkschaft habe in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet.

 Stahltripartite vor Ende 2008?

Seit über einem Jahr wird über das Projekt Lux2010 diskutiert, das die weitere Zukunft der Stahlindustrie in Luxemburg absichern soll. Vorgesehen sind unter anderem Investitionen, um die Produktivität zu erhöhen. Gewerkschaften und Direktion seien sich weitgehend einig, so Alain Kinn, im OGB-L für den Stahlbereich zuständig. Nur die Frage der Begleitmaßnahmen müsse noch geklärt werden. Darunter fallen die „Cellule de reclassement interne“ (CDR) und die Vorruhestandsregelung. Den Gewerkschaften zufolge sollten sämtliche, im Bereich ArcelorMittal tätigen Betriebe in den Genuss dieser Regelungen fallen, also nicht bloß die Mitarbeiter der eigentlichen Stahlindustrie. Die Weiterführung dieser sozialen Begleitinstrumente hängt jedoch auch von der Regierung ab, da die öffentliche Hand sie finanziell mittragen muss. Die Gewerkschaften pochen daher auf die Einberufung einer Stahltripartite, die sich auf das Maßnahmepaket einigen könnte. Kinn zufolge könnte eine Stahltripartite noch in den nächsten Wochen stattfinden.
Die letzte Dreierkonferenz fand im Mai 2007 am Konzernsitz in Luxemburg in Anwesenheit von Premierminister Jean-Claude Juncker und Konzernchef Lakshmi Mittal statt. lmo