Helmut Wyrwich
Die Lagune von Venedig hat europäische Geschichte geschrieben. Hier wurden die Gewürze angeliefert und über den europäischen Kontinent verteilt. Hier arbeiteten im elften Jahrhundert bereits 12.000 Menschen im Schiffbau, hier wurde und wird kostbarstes Glas geblasen, und hier herrschte die Republik Venedig, die heute noch als Inselstadt das gut 60 Quadratkilometer große Binnenmeer mit seinen 118 Inseln beherrscht.
Die Lagune hat ein Problem, unter dem Venedig gut dreimal pro Jahr leidet. Es gibt Fluten, die über die übliche Tide hinausgehen und dann den Markusplatz unter Wasser setzen.
Die Inselstadt Venedig, die in Wirklichkeit durch den Canale Grande zweigeteilt ist, hat überdies das Problem, dass sich in den vergangenen 100 Jahren der Meeresspiegel um 24 Zentimeter gehoben hat. Davon gehen elf Zentimeter allein auf den Anstieg des Meeres zurück, drei Zentimeter auf natürliche Setzung. Zehn Zentimeter Anstieg wurden von Menschen verursacht, zum Beispiel durch die beständige Arbeit des Wassers durch die Schiffe, die durch die Lagune fahren. Allerdings, so heißt es bei der Organisation „Neues Venedig“, steige das Wasser derzeit nicht weiter an.
Was hat das nun mit ArcelorMittal und den Stahlwerken in Esch/Belval und in Differdingen zu tun?
Im Jahre 1987 kamen die Italiener auf die Idee, bei den drei Zugängen, die Schiffen zur Einfahrt in die Lagune zur Verfügung stehen, das Meereswasser bei den Fluten zu regulieren. Man weiß, dass der normale Tidenhub in der Lagune bei 0,60 bis 0,80 Metern liegt. Die Lagune kann insgesamt einen Tidenhub von einem Meter ohne Probleme vertragen. Aber darüber hinaus, etwa bei 1,10 Metern, wird es kritisch. Die Inseln werden dann überschwemmt und der Markusplatz steht unter Wasser.
Die Idee in Italien war bereits im vergangenen Jahrhundert, dass man den Wasserzufluss in die Lagune regulieren muss, zumal dann, wenn es sich um hohe Fluten handelt. Das Projekt erhielt den Namen „Mose“. Die Verträge dazu wurden 1987 unterschrieben. Das war für Italien kein schlechter Zeitpunkt. Die Europäische Direktive, die zwingend vorschreibt, dass Projekte einer solchen Größenordnung europäisch ausgeschrieben werden müssen, trat erst ein Jahr später in Kraft.
Italien entschied sich daher dafür, die ungeheure Summe von 4,6 Milliarden Euro, die die Verhinderung von drei Überschwemmungen im Jahr kosten sollte, selber zu finanzieren und das gesamte Projekt in staatlicher Hand zu halten. Im Jahre 2014 soll es fertig sein und in Venedig glaubt jeder daran.
Bei dieser Milliardensumme soll es aber nicht bleiben. Gleichzeitig ist die Verseuchung der Lagune mit Giftabfällen und vergiftetem Grundwasser aus den Industriezonen in Angriff genommen worden. Gleichzeitig wurden auch Umweltzonen gesichert und neuerdings denkt man sogar daran, in der Lagune Austern zu züchten.
„Italien“, sagt Dan Kohnen, „ist traditionell ein Land des Betons. In diesem Projekt ist es ArcelorMittal allerdings gelungen, mit Spundwänden und T-Trägern Fuß zu fassen.“
Das war so einfach nicht. ArcelorMittal hat den Italienern einen Koffer aus Spundwänden bauen und ihnen zeigen müssen, dass diese Stahlwände tatsächlich dicht sind. Letztlich ist es den Luxemburger Stahlmanagern gelungen, mit einer Tonnage von 130.000 Tonnen Stahl in dem Projekt Fuß zu fassen. Fährt man heute durch den Hafen in der Lagune, sieht man überall an den Böschungen bereits Spundwände liegen.
Insgesamt sind noch 1.600 Tonnen zu liefern. Die Gesamt-Tonnage stellt ein Siebtel der Gesamt-Kapazität von Esch-Belval dar.
Die drei Zufahrten zur Lagune werden mit Zufahrtskanälen versteift. In der Lido-Öffnung wird in der Mitte eine künstliche Insel errichtet, von der aus zwei Unterseedeiche gebaut werden sollen. In einem Trockendock werden riesige Betonklötze gegossen, die eines Tages in etwa neun Meter unter dem Meeresspiegel liegen werden. Sie werden den Koffer bilden für Deiche, die bei Flut aus dem Meer wachsen und das Wasser aus der Lagune heraushalten sollen. ArcelorMittal liefert hier Spundwände und T-Träger, die zum Beispiel im Trockendock die Wände abstützen. ArcelorMittal liefert auch die Spundwände, mit denen die Hafenmauern neu abgestützt werden.
Noch liefert ArcelorMittal nicht die Deiche gegen die Flut, die aus dem Wasser ragen sollen. Hierzu soll es demnächst eine internationale Ausschreibung geben, bei der sich der Luxemburger Stahlkonzern bewerben wird, wie Kohnen zusicherte.
De Maart
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