Diese Periode vor Abertausenden von Jahren ist der historische Glanzpunkt Afrikas, jedenfalls wenn es nach unseren Schul-Geschichtsbüchern geht. Afrika bleibt heute noch ein schwarzer Fleck – mit Ausnahme seiner mediterranen Küste – in unserem historischen Verständnis.
Für Europa interessant wurden die riesigen Landmassen erst wieder, als im 15. Jahrhundert, im Zuge der portugiesischen Seefahrer, Nachschubposten gegründet und der so blühende Sklavenhandel eingeführt wurden. Was nun folgen sollte, stellt eine einzigartige Periode der Menschheitsgeschichte dar. Erst im Namen des Christentums und der Verbreitung der frohen Botschaft und später dann auch im Namen der Zivilisation drang man immer tiefer in den Kontinent hinein und hinterließ auf den Pfaden der „Entdecker“ eine Blutspur.
Die Ausbeutung der Menschen nahm Ende des 19. Jahrhunderts im belgischen Kongo unter Leopold II. schon quasi wissenschaftliche Züge an. Für den Literaten Joseph Conrad mutete dies – festgehalten in seinen Tagebuchnotizen, die später als Grundlage für sein Meisterwerk „Das Herz der Finsternis“ dienen sollten – als „die verkommenste, beutegierigste Balgerei an, die je die Geschichte des menschlichen Gewissens verunstaltet hat“.
Die „Wohltaten“ der Kolonisation
Wir tun uns auch heute noch schwer, auf diese und andere europäische Verbrechen auf afrikanischem Boden zurückzuschauen. Bestes Beispiel hierfür ist wohl das Gesetz vom 23. Februar 2005 aus Frankreich über die „bienfaits de la colonisation“, wo der Gesetzgeber sich in der Rolle des Historikers sieht. Es ist durchaus zu verstehen, dass Europa nach dem für sich selbst so katastrophalen 20. Jahrhundert sich nicht auch noch mit den kolonialen Ereignissen konfrontiert sehen möchte.
Doch hinter jeder Geschichtsschreibung stecken auch immer Eigeninteressen.
Europa versucht sich natürlich einerseits so aus der Verantwortung zu stehlen. Könnte ja sein, dass eines Tages Wiedergutmachungsforderungen auf uns zukommen. Beispiele hierfür gibt es mittlerweile zur Genüge, so z.B. in Australien, wo es zu Ausgleichszahlungen zwischen der Regierung und den Aborigines kam.
Und die Liste der kolonialen Verbrechen ist ellenlang: Die „Zivilisationsbringer“ aus Europa haben in Afrika nicht nur gebrandschatzt, sondern auch weite Teile Afrikas seiner kulturellen Identität beraubt. So sind z.B. die heutigen afrikanischen Länder und ihre Organisationsformen europäisches Machwerk und spiegeln in keinster Weise die historisch gewachsenen Staatsgebilde der prä-kolonialen Ära wider. Mögen auch die Grenzen auf dem Reißbrett entstanden sein, die Völker sind nicht gewichen.
Andererseits lässt sich natürlich aus dieser Verdrängungshaltung hervorragend gen Afrika moralisieren. Und während man mit erhobenem Finger die teilweise selbstverschuldete Situation der Menschenrechte in Afrika anprangert, wird ein Großteil des wirtschaftlichen Kuchens immer noch unter den westlichen Konzernen aufgeteilt.
Wie sagt schon ein afrikanisches Sprichwort: „Tant que les lions n’auront pas d’historiens, l’histoire des lions sera écrite par les chasseurs.“ Fragt sich nur, wo das Herz der Finsternis eigentlich schlägt
Sascha Bremer
sbremer@tageblatt
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können