Sonntag26. Oktober 2025

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Cavendishs Tränen und Pevenages „Enthüllungen“

Cavendishs Tränen und Pevenages „Enthüllungen“

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Alles läuft bestens für Andy Schleck, der auf der gestrigen Etappe nach Montargis zeitgleich mit Etappensieger Mark Cavendish auf Platz 37 eintraf. Für Gesprächsstoff sorgten des Siegers Tränen und die in „L’Equipe“ veröffentlichten Enthüllungen über Jan Ullrich.

Aus Montargis berichten „T“-Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsport-Experte Petz Lahure (P.L.)

Mensch, kann der weinen! Als Mark Cavendish, der überlegene Sieger der gestrigen fünften Tour-Etappe von Epernay nach Montargis, sich anschickte, seinen Siegerstrauß auf dem Podium in Empfang zu nehmen, erlitt er einen regelrechten Weinkrampf.

Die Tränen rannen ihm die Wangen herunter, als er zugab, die Welt in letzter Zeit manchmal verarscht zu haben, doch sei er im Grunde genommen kein böser Kerl. „Ein jeder sagt Schlechtes über mich“, stammelte Cavendish hervor, „aber ich bin nicht so wie die Leute mich sehen. Niemand hat meine Geste bei der Tour de Romandie verstanden („bras d’honneur“, d.Red.), keiner den Sturz bei der Tour de Suisse richtig analysiert. Ich war ganz einfach der Buhmann, ich fiel von meiner Wolke ins Bodenlose und ging durch die Hölle.“

Nur seinem Team verdanke er es, dass er noch die Kraft zu diesem Erfolg aufbrachte. „Die ganze Mannschaft hielt zu mir und unterstützte mich. Am Mittwoch in Reims habe ich alle enttäuscht, doch diesmal hat es geklappt. Dieser Sprint gibt mir viel Selbstvertrauen zurück. Ich habe nie aufgegeben und wurde nun mit diesem für mich so wichtigen Sieg belohnt.“

Nach dem Massenspurt von Reims, bei dem Alessandro Petacchi seinen Gegnern zeigte, dass er trotz seiner 36 Lenze noch lange nicht zum alten Eisen gehört, war gestern auf der fünften Etappe von Epernay nach Montargis erneut mit einer Ankunft des kompakten Feldes gerechnet worden. So wie vor vier Jahren, als letztmals die mit ihren 127 Brücken als „Venedig des Gâtinais“ bekannte 15.000-Einwohner-Stadt angesteuert wurde und der Australier Robbie McEwen sich durchsetzte.

Diesmal ließ Mark Cavendish nichts anbrennen. Er wurde meisterhaft von seinem australischen Kumpel Mark Renshaw auf die Zielgerade gefahren und ergriff 400 m vor dem Ziel selbst die Initiative. Der noch junge Cavendish (geb. am 21. Mai 1985 in Douglas, Isle of Man) durfte zum elften Mal bei einer Tour de France die Arme zum Sieg erheben. Am Mittwoch musste sich der 25-Jährige noch heftige Kritik von seinem Lehrmeister Erik Zabel gefallen lassen, weil er im Finale frühzeitig die Beine „hochgenommen“ hatte. Im Peloton war auch Andy Schleck auf Platz 37 (siehe S. 33).

Fuentes und kein Ende

Im Vorfeld von Cavendishs Triumph wurde am Ziel in Montargis insbesondere über einen Artikel der französischen Sportzeitung L’Equipe diskutiert, in dem der belgische Manager Rudy Pevenage offen zugibt, dass sein jahrelanger Schützling Jan Ullrich, der bekanntlich die Tour 1997 gewann, in die Doping-Affäre „Operacion Puerto“ verwickelt war.

Pevenage gesteht u.a., Ullrichs Flüge zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes organisiert zu haben. „Ja, ich habe die Reisen von Jan nach Madrid zu Fuentes geplant. Ich habe aber selbst nie Dopingprodukte gekauft oder verkauft.“

Laut Pevenage trafen sich Ullrich und Fuentes in dieser Zeit jährlich „fünf- bis sechsmal pro Jahr“. Von Blutbehandlungen bei Ullrich habe er, Pevenage, jedoch „keine Kenntnis gehabt“. Vielmehr sei er von seinem Schützling, der oft Probleme mit dem Übergewicht hatte, gebeten worden, den Kontakt zu Fuentes herzustellen.

Pevenage verdächtigt auch Ullrichs stärksten Widersacher Lance Armstrong des Dopingmissbrauchs: „Wir waren keine Idioten. Wir kannten Armstrong vor seiner Krebserkrankung. Die Verwandlung nach seiner Rückkehr war unglaublich. Wir haben schnell begriffen, dass es keine andere Wahl gab.“

In einem Bericht des Bundeskriminalamtes, der 2009 im Nachrichtenmagazin Der Spiegel erschien, hieß es: „Der Beschuldigte Ullrich nutzt das Dopingsystem des spanischen Arztes Dr. Fuentes, um sich vertragswidrig mit leistungssteigernden Mitteln und Methoden auf seine Wettkämpfe vorzubereiten.“

Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelte, verzichtete am Ende aber gegen eine Zahlung von 25.000 Euro auf ein Verfahren gegen Pevenage. Auch Jan Ullrich einigte sich durch einen zehn Mal höheren Betrag mit der Behörde.

P.L.