Freitag7. November 2025

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LEITARTIKEL : Der Rechthaber irrt.

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In alten Zeiten riefen die Könige und die Kriegsherren ihre Auguren, um zu erfahren, ob die Götter oder das Schicksal den Plänen wohlgesinnt wären. Alexander und Cäsar war es wichtig, zu hören, was die Priester aus dem Vogelflug oder den Eingeweiden lasen ...

Auf wen hören die modernen Könige (man heißt sie Präsident, oder Premier, oder Minister); wem folgen die neuen Kriegsherren an der Spitze der schließlich nur die Reichen reicher machenden Konzerne?
Ihren Experten.
Die irren kaum weniger, trotz bester Schulung und fantastischer Rechner, als ihrerzeit die Seher. Mitunter stimmt die Prognose, oder auch nicht. Damit kann jeder wahre Entscheidungsträger leben. Der Chef hört zu, aber er bestimmt den Kurs. Erweist sich der Kurs als falsch, geht der Chef. So ist die Praxis in der Privatwirtschaft, weltweit.
Im politischen Spiel, zumindest im luxemburgischen, gelten andere Regeln. Da darf der Chef sogar bleiben, wenn die wahren Zahlen ihm glasklar widersprechen, wie, zum Beispiel, der gegenwärtige Luxemburger Finanzminister.
Herr Frieden meldete Wahnsinnsdefizite für 2009 und 2010 nach Brüssel und verkündete seine Gewissheit, das Steueraufkommen würde dramatisch fallen. Nun hat die Realität den Miesmacher eingeholt. Das Luxemburger Defizit ist, nach Brüsseler Kriterien, lediglich 1,1% im Jahre 2009, und für 2010 sind statt des ursprünglichen Minus von 4,5% nur noch 2,4% angesagt.
Warum gibt Frieden, ein Rechtsanwalt, kein Ökonom, nicht zu, dass er sich von seinen verunsicherten Beratern aufs Eis hatte locken lassen?
Warum freut er sich nicht über den spektakulären Aufschwung der Luxemburger Volkswirtschaft? +2,9% BIP allein im ersten Trimester! Warum will er die genesende Konjunktur mit seinem abstrusen Sparprogramm, das aus kaufkraftmindernden Rezepten besteht, abwürgen?
Um nach dem fatalen Rundumschlag zu beweisen, dass er, der Pessimist, recht hatte?
Seit gestern ist bekannt, dass die Steuereinnahmen des Staates im ersten Halbjahr um 8% gestiegen sind: die TVA um 13%, die Körperschaftssteuer um 12%, die Einkommenssteuer um 4%, die Taxe d’abonnement um 33%. Sogar bei der Gewerbesteuer (+/- 0%) ist kein Einbruch feststellbar.
Wo in Europa gibt es so was??? Jubelte Frieden, wie es sein deutscher, sein französischer, sein belgischer Kollege getan hätte?
Nein. Frieden kann sich über nichts freuen, weil er recht haben will, um demnächst, nach Juncker, der neue CSV-Staatsminister zu werden. Les Luxembourgeois sont épris de sécurité, wusste schon Abbé Heiderscheid; sie sind Gläubige; sie vertrauen dem, der ihnen das Unheil und zugleich die Rettung verkündet.
Nun ist es aber so, dass das Unheil nicht im prophezeiten Maße über Luxemburg hereinbricht, und wir, statt einer Retterfigur, lediglich Politiker mit Sinn für die Praxis brauchen. Die Praxis verlangt u.a. gesunden Menschenverstand im Umgang mit den Gewerkschaften.

Über die Schuld am Defizit

Die Gewerkschaften können den sozialen Frieden natürlich nicht immer zum Nulltarif anbieten, wie die CGFP es für das Jahr 2010 mit viel gutem Willen tat, allerdings nur, weil der Index weder abgeschafft noch moduliert wurde!
Ach! Würde die CSV doch über ihren schwarzen Schatten springen! Und ein für alle Male zugeben, dass das Luxemburger Staatshaushaltsdefizit (wir meinen jenes, das der sogenannte Zentralstaat aufweist) nichts, gar nichts, mit der gegenwärtigen Wirtschaftsleistung des Landes zu tun hat.
Das Defizit des seit ewigen Zeiten CSV-kontrollierten „Zentralstaats“ ist vorrangig der CSV anzulasten. Sie erkaufte sich ihre dominante Stellung im politischen Business mit teuren Leistungen zu Lasten aller Luxemburger, von denen 64% die CSV nicht wählten, 2009.
Clever!
Frohe Ferien denen, denen das Glück solche gewährt.

Alvin Sold
[email protected]