Freitag7. November 2025

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LEITARTIKEL: Das Gängelband

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Bevormundung, Vormundschaft, Gängelband; dies nur einige deutsche Übersetzungen des französischen Begriffs „tutelle“.

Das „ministère de Tutelle“ der Gemeinden ist das Innenministerium. Semantik und Aussage dieses Begriffs entstammen einer anderen Epoche; einer Zeit, als die Alphabetisierung noch nicht gesellschaftlich umfassend war, als das Transportmittel das Pferd war und die Telekommunikation noch kein Begriff. Dennoch wird der Ausdruck im dritten Jahrtausend weiter offiziell benutzt und ist offensichtlich so tief verwurzelt, dass er sämtliche Reformen der Kommunalpolitik bislang unbeschadet und kaum in Frage gestellt überlebte.
Die neue Generation der Kommunalpolitiker, aber auch der Gemeindesekretäre möchte allerdings nicht mehr wie unmündige Kleinkinder behandelt werden, die, um vor sich selbst und anderen geschützt zu werden, unter strenger paternalistischer Aufsicht stehen. Im Rahmen seiner Stellungnahme zur „simplification administrative“, also zur Vereinfachung der Verwaltungsvorgänge, übte das Syndikat der Gemeinden, Syvicol, bzw. dessen aktueller Präsident, der Monnericher Bürgermeister Dan Kersch, heftige Kritik an dieser Bevormundung der Gemeinden, die zu allem Überfluss noch eine doppelte ist. Nicht nur die Beamten des Ministeriums überwachen, genehmigen, verweigern … auch die Distriktskommissariate, ein weiteres Überbleibsel aus längst vergangener Zeit, kontrollieren zusätzlich, ob die Gemeinden ihre Aufgaben denn nun konform zu Recht und Gesetz erfüllen.
Diese doppelte Kontrolle erschwere nicht nur die Arbeit der Gemeinden, sie schade auch der Attraktivität der Gemeindepolitik im Allgemeinen. Wer möchte schon in das oft aufreibende und fast immer rein ehrenamtliche kommunalpolitische Geschäft einsteigen, wenn er bei jeder Entscheidung zittern muss, ob diese den Regierungsbeamten in der Hauptstadt denn nun genehm ist oder nicht.

Ersatzlose Abschaffung

Für das Syvicol ist denn auch ganz klar, was mit den Distriktskommissariaten geschehen soll: Ersatzlos abschaffen, so die Forderung. Die Kommissare selbst könnten im Ministerium als juristische Berater für die Gemeinden wirken. Vom Vorschlag des Innenministers, die Distriktskommissariate in eine dezentrale staatliche Verwaltung umzuwandeln, hält der Gemeindeverbund überhaupt nichts.
Die Kontrolle bis ins kleinste Detail entspreche zudem nicht der europäischen Charta zur Gemeindeautonomie, so Kerschs Kritik weiter. Um nur ein Beispiel für die weitreichende Kontrolle der Kommunen zu nennen: Zu den jährlichen Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag müssen alle 116 Gemeinden einen Bericht über die verschiedenen Veranstaltungen vor Ort an das Ministerium schicken. Wie ernst dies in den Gemeindesekretariaten genommen wird, muss wohl nicht speziell erklärt werden: Die meisten Kommunen begnügen sich alle Jahre wieder mit der Einsendung des gleichen Standardprogramms, bei dem sie nur die Jahreszahl ändern.
Die Verwaltungsreform, die eine der Prioritäten der Regierung ist, soll laut Vorstellungen des Gemeindesyndikats mit solch überholten Vorgehensweisen aufräumen. Dafür müsste sie aber von den Bürgern und Betrieben auf die Gemeinden ausgeweitet werden, und darauf entdecken diese bislang kaum Hinweise.
Dabei würde eine Vereinfachung der Prozeduren zwischen Staat und Gemeinden indirekt ebenfalls Bürgern und Unternehmen nutzen. Durch diese „Entbürokratisierung“ würden die Verfahren beschleunigt, motivierte Beamte und Politiker könnten innovative und dynamische Gemeindepolitik machen und … Luxemburg und seine Institutionen würden ein gutes Stück moderner und effizienter.

Robert Schneider
[email protected]