Samstag15. November 2025

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Vermächtnis der Krise

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In den vergangenen Wochen stellte sich zum ersten Mal seit gefühlten zehn Jahren so etwas wie Beruhigung in der Schuldenkrise und den Turbulenzen um Europa und den Euro ein.

Eigentlich eine bemerkenswerte Tatsache angesichts der Hysterie auf den Märkten und in den Medien, des Auf und Abs an den Börsen sowie der Wechselkurse, die im vergangenen Jahr herrschten.

Logo" class="infobox_img" />Sascha Bremer [email protected]

Sicher, hier handelt es sich noch um ein zartes Pflänzchen und es kann durchaus sein, dass dem Kontinent besonders in der Peripherie noch der eine oder andere Wintereinbruch bevorsteht. Wann die „Sonne“ wieder in Griechenland scheinen wird, ist ungewiss.

Schuld am positiven Stimmungsumschwung ist natürlich die EZB, die in aller „Unabhängigkeit“ in den vergangenen Monaten beschlossen hat, dem Selbstmord oder zumindest der Selbstauflösung zu entgehen und – nach ihrer Fasson – doch noch auf den Märkten zu intervenieren. Gerade der im Dezember von der Notenbank aufgelegte sogenannte Mega-Tender in Höhe von 500 Milliarden Euro hat dazu beigetragen, dass Europas Banken und somit den Regionen, den Unternehmen usw. die Liquidität nicht vollständig abhandenkommt. Manche reden bereits davon, dies sei Europas Art und Weise, seiner Geldpolitik eine „quantitative Lockerung“ zu verpassen – ein Wort, das bis vor kurzem noch auf unserem Kontinent tabu war. Man wollte vor allem die Deutschen wegen ihrer Urangst vor der Inflationsgefahr nicht aufschrecken.

Der nächste Mega-Tender soll am 2. Februar aufgesetzt werden. Vieles deutet darauf hin, dass die Banken in einem solchen Maße mit frischem und billigem Geld zugeschüttet werden, dass die Institute diesmal nicht anders können, als es wieder in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen, statt wie bisher auf einem Großteil sitzen zu bleiben.

Die kurzfristige Politik der Angst

Doch das allein, wenn überhaupt, wird die Wirtschaft nicht in dem Maße ankurbeln, das benötigt wird, um Abermillionen Arbeitsplätze zu schaffen, geschweige denn um die Schuldenlast abzubauen. Wo bleiben die Perspektiven für Europas Bevölkerung? Wo bleibt die Wachstumspolitik?

Hier wären die Politiker an der Reihe. Doch genau die schweigen sich hierzu aus. Schlimmer noch. Die Krisenangst in der Bevölkerung wird von Merkel und Co. weiter dazu benutzt, um ihre Austeritätspolitik durchzuziehen.

Die politische Perspektivlosigkeit muss man als gewollt ansehen. Während die Superreichen immer noch keiner Rechenschaft pflichtig sind, kommt die Triebfeder der Angst wie gelegen, um hie wie dort in Europa einmal mehr, einmal weniger soziale Einschnitte und massive Lohnkürzungen durchsetzen zu können.

Wohlwissend, dass die von der Krise hart getroffenen Menschen in ihrer Misere strapazierfähiger sind als allgemein angenommen (man schaue nur auf Spaniens 5,3 Millionen „ruhige“ Arbeitslose). Dies mag sowohl zynisch als auch richtig sein, allerdings wird dies Schäden von dauerhafter Natur zwischen Europas Völkern schaffen. Europas öffentlicher Diskurs wird seit geraumer Zeit nicht mehr nur durch die Zuspitzung Klein gegen Groß beherrscht, sondern es treten längst vergessen geglaubte nationalistische Reflexe und alte Ressentiments auf – dabei wurde Europa gerade gegründet, um diese für den Kontinent so zerstörerischen Kräfte auszumerzen.

Der britische Historiker Timothy Garton Ash meinte hierzu unlängst in einer Guardian-Kolumne (25.1.2012): „Wenn die Eurozone nicht zum Wirtschaftswachstum zurückkehrt, oder dies nur in einigen besser platzierten Ländern tut, werden sich die Ressentiments multiplizieren. Doch auch wenn es ihr gelingen sollte, wird als Vermächtnis eine Verbitterung bleiben.“

Mit anderen Worten: Auch wenn der Euro gerettet wird, könnte Europa (vorerst?) als Projekt der Aussöhnung, der Hoffnung und der Verbrüderung seiner Völker scheitern. Dies dürfte allerdings kaum im Interesse der „besser platzierten“ Länder sein.