Samstag15. November 2025

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Bildung ohne System

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Nach fünf Jahren Sarkozy ist das Bildungssystem in Frankreich in einem desolaten Zustand. Der Lehrkörper wurde regelrecht dezimiert.

Seit 2007 wurden 66.000 Stellen einfach gestrichen. Das sind 66.000 Arbeitsplätze, die zerstört wurden, und das in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit und die Jugendarbeitslosigkeit drastisch ansteigt. Im September dieses Jahres sollen noch einmal 12.000 weitere Arbeitsplätze verschwinden.

Logo" class="infobox_img" />Michelle Cloos [email protected]

Das Bildungssystem ist nämlich von der umstrittenen Sparmaßnahme der französischen Regierung betroffen, die vorsieht, jeden zweiten Staatsbeamten, der in Rente geht, nicht mehr zu ersetzen. Über die Konsequenzen wurde nicht weiter nachgedacht. Hauptsache der Staat spart Geld.

Die Folgen für die Qualität der Bildung in Frankreich sind jedoch dramatisch. Weniger Posten heißt weniger Lehrer, was wiederum bedeutet, dass die Klassen größer werden und die Lehrbedingungen der Schüler sich deutlich verschlechtern. Doch waren die Klassen bereits zuvor zu groß, um einen wirklich guten Unterricht anbieten zu können.

In der Primärschule werden an erster Stelle die Hilfen für Kinder mit Schulschwierigkeiten, die „réseaux d’aides spécialisées aux élèves en difficulté“ (Rased), gestrichen. 2.500 solcher Posten sind bereits verschwunden, bei der Rentrée 2012 sollen 2.500 weitere gestrichen werden. Es ist geradezu grotesk, dass die Schwächsten die Kosten einer sinnlosen Sparpolitik tragen sollen.

Sparen auf Kosten der Schwachen

In den ländlichen Teilen Frankreichs müssen viele Lyzeen Fachrichtungen („filières“) schließen und einige befürchten sogar die Schließung ihrer Schule. Denn die Zahl der Schüler steigt von Jahr zu Jahr und es mangelt immer mehr an den nötigen finanziellen Mitteln. Den Universitäten ergeht es übrigens nicht viel besser. Seit der Einführung der sogenannten „LRU“-Reform, die den Unis mehr Autonomie gewähren sollte, haben die kleinen Universitäten nicht mehr genug Geld.

Zu den bereits genannten Verschlechterungen der Lern- und Arbeitsbedingungen kommt noch die Bewertung der Professoren hinzu. Die französische Regierung will eine regelmäßige Evaluation der Lehrer einführen, deren Resultat die Entwicklung der Gehälter beeinträchtigen soll. Nur haben die Politiker es bis dato nicht fertiggebracht, eine vernünftige Antwort auf die Frage zu geben, nach welchen Kriterien ein Lehrer eigentlich beurteilt werden sollte. Die Gewerkschaften befürchten natürlich einen Versuch, die Gehälter niedrig zu halten. Dabei sind diese Gehälter bereits jetzt sehr niedrig.

Der Durchschnittslohn eines französischen Primärschullehrers mit 15 Jahren Berufserfahrung beträgt 2.037 Euro netto im Monat (ohne Überstunden). Das liegt deutlich unter dem Durchschnitt der OECD-Länder. Im Sekundarunterricht verdient ein Lehrer 2.200 Euro.

Der französische Bildungsminister Luc Chatel hat letztes Jahr großartig angekündigt, junge Lehrer würden fortan von einer Aufwertung ihres Gehalts profitieren und jeden Monat 150 Euro netto mehr verdienen. Diese Information ist zwar akkurat, der Minister vergaß allerdings zu präzisieren, dass das Studium um ein Jahr verlängert wurde und die Studenten folglich ihre Studien für ein weiteres Jahr finanzieren müssen.

Unter dem Strich gab es in den letzten fünf Jahren also Rückschritt über Rückschritt. Gerade das Bildungssystem sollte eigentlich eine Priorität darstellen und dem Staat eine Investition wert sein. Denn eine qualitativ hochwertige Bildung ist die „conditio sine qua non“ für die Zukunft eines Landes. Fundamentale Einschnitte in diesem Bereich können langfristige Schäden anrichten und liefern ein gutes Beispiel dafür, wie man sich durch grundlegend falsche Entscheidungen kaputtsparen kann.