Donnerstag23. Oktober 2025

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Mehr als 6000 Lehrer auf der Straße

Mehr als 6000 Lehrer auf der Straße
(Pierre Matgé)

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Am Donnerstagnachmittag demonstrierten gleich vier Lehrergewerkschaften gegen die geplante Reform des Sekundarunterrrichts. Mehr als 6.000 Teilnehmer gingen vom Bahnhof aus in die Oberstadt.

Seit Monaten streiten Lehrer, Schüler und Unterrichtsministerin um die beabsichtigte Reform des klassischen und technischen Sekundarunterrichts. Am Donnerstagnachmittag tragen die Mitglieder von SEW (OGBL), Feduse (CGFP), Apess und SNE ihre Unzufriedenheit auf die Straße.

Etwa 6.000 Personen (Angaben der Organisatoren) hatten sich dem Demonstrationszug angeschlossen. Aus dem dünnen Rinnsaal von wenigen Hundert zu Beginn wurde ein regelrechter Strom unzufriedener Lehrer und Lehrerinnen. Die Alte Brücke musste sogar für den Autoverkehr gesperrt werden. Zuerst hatte man die Demonstranten über die Fahrrad-Spur lotsen wollen.

Beanstandungen

Die Kundgebung hatte sich kurz nach 16.00 Uhr im Bahnhofsviertel in Bewegung gesetzt. „Ich mache mir wirklich ernste Sorgen um unsere Kinder im Land. Durch die Reform verlieren die Kinder den Biß zum Lernen,“ sagte Nathalie Sutor, Lehrerin in Befort. Die Kinder verlieren „Ziele“ und werden gleichgültig. „Durch die Reform verschwimmt einfach alles“. Sie kritisiert unter anderem auch den ganzen „Papierkram“ in den verschiedenen Zyklen. „Vor lauter Teambesprechungen und Zettel ausfüllen rückt der eigentliche Job, also der Unterricht, in den Hintergrund.“

Nach etwa einer Stunde ist die Kundgebung am Ziel. Vor dem Casino in der Rue Notre-Dame steht das Rednerpult. Die Gewerkschafter erinnern an ihre Forderungen und die Beweggründe für die Demo. Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres dürfte die Worte deutlich verstehen. Ihr Ministerium befindet sich nur wenige Meter davon entfernt.

„Schlamassel für die Kinder und für Luxemburg“

SEW-Sprecher Patrick Arendt spricht von einem „Schlamassel für die Kinder und Luxemburg“. Der Kompetenzunterricht sei nur eine Fassade von feinen Ausdrücken. Zur geplanten Reform des Sekundarunterrichts meinte er, sie solle die Jugendlichen schrittweise an den neuen Arbeitsmarkt anpassen. „Das ist falsch und hat nichts mit Pädagogik zu tun“.

Patrick Remakel (SNE) ist unzweideutig: „Es reicht“. Seit 2009 befinde man sich im freien Fall. Die Lehrerschaft sei nicht reformresistent. Man wolle neue und moderne Gesetze. Diese Reform (der Grundschule) sei gescheitert. Man habe weder auf die Lehrer gehört noch auf Kritik reagiert. Laut Remakel habe man es mit Reformen von oben nach unten zu tun. Man soll doch auf die Leute an der Basis hören.

Kein Wort über Immigranten-Kinder

Camille Weyrich (Féduse) zufolge könnte nicht weiterverhandelt werden, solange es keine schriftlichen Zusagen zu den Forderungen der Lehrer gebe. Ihm fehlen die Herausforderungen für die starken Kinder, die Hilfe für die schwachen. Kein Wort verliere man in den Reformvorschläge über die Kinder der Immigranten.

Massiv kritisiert wird die geplante Reform des öffentlichen Dienstes. Daniel Reding von der apess droht sogar mit Generalstreik, sollte es nicht zu konstruktiven Gesprächen über das Statut der Lehrer kommen.

SEW-Sprecher Guy Foetz sieht bei den Reformen neoliberaler Kräfte am Werk. Die Reformen würden durch den neoliberalen Geist der OECD beeinflusst, so Foetz. „Wir wollen das nicht zulassen. Wir wollen unsere Schüler auf Diplome vorbereiten, die noch was wert sind“. Das Reformvorhaben setze die humanistischen Grundsätze der Schule in Frage. Das Verhältnis zwischen Pädagogen und Ministerium sei grundlegend zerstört.

Der Hintergrund der Aktion

Seit 2009 wird über das Reformvorhaben von Schulministerin Mady Delvaux-Stehres, das Bestandteil des Koalitionsabkommens von 2009 ist, diskutiert. Delvaux spricht von 144 Sitzungen, die sie mit Lehrern, Schulleitungen, Schülern und Eltern bereits hatte. Doch ausgerechnet mangelnde Dialogbereitschaft werfen die Lehrergewerkschaften der Ministerin vor. Sie beharre auf ihr Projekt, dem laut Lehrer etliche Makel anhaften.

Auf Kritik stößt dabei insbesondere die Abschaffung der bisherigen Sektionen im Lyzeum und deren Ersetzen durch zwei so genannte Dominanten Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften. Der Schwerpunkt des Unterrichts soll auf die Vermittlung von Kompetenzen liegen. Die zwei ersten Jahre der Unterstufe im Sekundarunterricht werden zusammenfasst. Durchfallen kann im ersten Jahr niemand mehr. Schließlich missfällt auch die persönliche Hausarbeit des Schülers, die er etwa im klassischen Lyzeum auf 2e abliefern muss.

Anlass für die Demonstration ist neben der Lyzeumsreform auch die vor mehreren Jahren eingeführte Grundschulreform. Hier fordern die Lehrer ernsthafte Nachbesserungen und eine ernsthafte Bilanzierung von drei Jahren Reform. Schließlich die Reform des öffentlichen Dienstes. Die Gewerkschaften befürchten hier eine Abwertung ihres Berufs. Nein, sagen sie insbesondere zur geplanten Einführung eines Bewertungssystems.
Schulministerin Mady Delvaux zeigte sich vor zwei Tagen auch weiterhin dialogbereit. Sich und den Lehrern gab sie ein weiteres Jahr für Diskussionen. Den Entwurf des Gesetzesprojekts will sie erst im April 2013 vorlegen.

Diese Denkpause reicht den Gewerkschaften nicht. Das sei wohl ein erster Schritt. Doch die Hauptkritikpunkte blieben.