Mit der Veröffentlichung einer Liste von 280 jüdischen Kindern, die 1940 aus Luxemburg deportiert wurden, hat der Historiker Denis Scuto viel Staub aufgewirbelt (das Tageblatt berichtete bereits am 20. Februar 2013; s. Artikel „Vorauseilender Gehorsam“).
Was ihn jedoch jetzt wundert, ist die Aussage des Historikers Paul Dostert in einem Wort-Artikel. Er (Denis Scuto) würde voreilige Schlüsse ziehen: „Erst die wissenschaftliche Aufarbeitung kann klarstellen, was es mit der Liste auf sich hat“, sagte Dostert.
„Ich ziehe keine voreiligen Schlüsse, wie Paul Dostert das behauptet. Ich bin überrascht über diese Aussage“, wehrt sich Scuto. Die Kollaboration der Verwaltungskommission sei Fakt. „Ohne Mitarbeit der lokalen Behörden hätten die Nazis diese Listen nicht zusammenstellen können.“
Er weist darauf hin, dass es gerade Paul Dostert gewesen war, der bereits 1985 in seiner Doktorarbeit die aktive Rolle der Verwaltungskommission angesprochen habe. „Et ass immens verwonnerlech, dass de Paul Dostert, virun allem a senger Funktioun als Direkter vum 2002 gegrënnte ‚Centre de documentation et de recherche sur la Résistance‘ (…) dës Fro ni méi ëffentlech thematiséiert huet“, schreibt Scuto in einem Brief.
Starkes Stück
Dostert wird im erwähnten Artikel mit den Worten zitiert, man müsse den damaligen Kontext berücksichtigen, ehe man das Handeln des damaligen Lehrpersonals und der Gemeindevertreter beurteile: „1940 hat das Deutsche Reich die Juden vertreiben wollen, von der Endlösung war erst Ende 1941 die Rede.“ Eine Aussage, die Denis Scuto als starkes Stück bezeichnet.
Auf die Frage, warum erst jetzt diese Diskussion aufkomme, antwortet Scuto: „Einige Tatsachen passen nicht zu der Legende der Resistenz des luxemburgischen Volkes gegen den Nazi-Okkupanten. Was unbequem war, wurde eben nicht aufgearbeitet.“
Denis Scuto unterstreicht dem Tageblatt gegenüber noch einmal, dass die luxemburgischen Verwaltungen keinesfalls beim Einmarsch im Mai 1940 sofort jegliche Autonomie verloren hätten. Die „Chamber“ z.B. habe bis Oktober 1940 weitergearbeitet.
Weitere Untersuchungen
Es stimme zwar, dass noch weiter untersucht werden müsse, wie weit die Kollaboration der luxemburgischen Behörden mit den Nazis ging. Dass der Premier weitere Untersuchungen zu der Zeit ankündigte, sei normal. Was er allerdings nicht normal finde, sei Jean-Claude Junckers Aussage, es habe einen gewissen „flou“ über die Geschehnisse der Zeit gegeben. Diese Aussage bezeichnet Scuto als „schockierend“.
Dass eine Forschungsarbeit zu dem Thema an der Uni Luxemburg verfasst werden soll, davon weiß Denis Scuto, der selbst an der Uni Luxemburg arbeitet, bisweilen nichts.
De Maart
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