Samstag15. November 2025

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Terror statt Land-Eroberung

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Die islamistische Al-Shabaab-Miliz verliert Boden in ihrer Heimat Somalia. Doch anstatt vor einer Übermacht von Regierungs- und Friedenstruppen aufzugeben, verlegt sie ihre Taktik zunehmend auf Einschüchterung und Terrorismus.

Fast ein Jahrzehnt dauert der Konflikt in Somalia: Die Regierung und die Streitkräfte der Afrikanischen Union machen nun zusehends Boden gegen die radikalislamische Miliz Al-Shabaab gut. Vom Aufgeben ist die Gruppe aber weit entfernt.

„Unsere Krieger werden den Feind bekämpfen, bis unser letztes Blut vergossen ist“, sagt ein Mitglied der Nachrichtenagentur dpa am Telefon. Die Milizen, deren Name auf Arabisch „Die Jugend“ bedeutet, schockierten im September die Welt mit ihren Angriff auf ein Einkaufszentrum in Nairobi, bei dem fast 70 Menschen getötet wurden.

2009 und 2010 hatten sie große Teile Somalias und der Hauptstadt Mogadischu unter ihrer Kontrolle. Im Folgejahr aber verdrängte sie eine Offensive der neuen Regierung aus wichtigen Städten. Al-Shabaab verfügt schätzungsweise über 5.000 Kämpfer – sie stehen mindestens 8.000 somalischen Soldaten und 24.000 Friedenstruppen der Afrikanischen Union gegenüber. „Al-Shabaab wird spürbar schwächer“, sagt der Kommandeur der somalischen Armee, Dahir Aden.

Neue Taktiken

Aufs Land verdrängt, entwickelt die Terrorgruppe neue Taktiken – wie jene, die Einwohner zu nötigen, die von der Regierung zurückeroberten Städte zu verlassen. „Wir haben den Anwohnern gesagt, sie sollen nicht unterm Feind leben“, sagt der Al-Shabaab-Kämpfer, der seinen Namen nicht nennen möchte. Die Gruppe schneidet den Orten die Versorgungszugänge ab und zerstört oder vergiftet Wasserlöcher, um den Druck zu erhöhen. „Al-Shabaab will die Menschen als Schutzschild benutzen“, sagt Kommandeur Aden.

Guure Ahmed verließ seine Heimat Bulabarde. Der vierfache Vater zog ins 40 Kilometer entfernte Halgan, das fest in Al-Shabaab-Hand ist. Das Leben im Ort sei einfach unmöglich geworden, sagt er. Die Anwohner hätten Läden, Schulen und Moscheen geschlossen und seien weggezogen. Sie vertrauten nicht darauf, dass die Regierungstruppen den Frieden sichern könnten. In Halgan lebten sie isoliert jenseits der Regierungskontrolle. „Die Preise für Essen, Wasser und andere lebenswichtige Sachen steigen jeden Tag“, sagt Ahmed.

Beliebt

Al-Shabaab entstand als radikaler Ableger der „Union Islamischer Gerichte“, die 2006 gegen die somalische Übergangsregierung um die Macht im Land kämpfte, nachdem Somalia zuvor zwei Jahrzehnte lang im Bürgerkriegs-Chaos versunken war. Sie galt während der Militärintervention Äthiopiens gegen Islamisten in Südsomalia 2007 bis 2008 als nationalistische Bewegung, erklärt der Leiter des Heritage Institute for Policy Studies in Mogadischu, Abdi Aynte. Zudem erfreute sich die Gruppe wachsender Beliebtheit, als sie in kontrollierten Gegenden das Chaos gegen Recht und Gesetz ersetzte.

Die Miliz verbietet alle Formen westlicher Kultur wie etwa Popmusik – seit diesem Jahr auch das Internet. Zudem wendet sie archaische Strafen an wie das Hand-Abhacken bei Dieben oder die Steinigung angeblicher Ehebrecherinnen. Aber sie half auch den einheimischen Bauern, indem sie Lebensmittel-Importe verbot und kleinere Entwicklungsprojekte wie das Anlegen von Bohrlöchern oder den Wiederaufbau von Brücken startete, sagt Aynte.

Riss

Einen Riss erhielt ihre Glaubwürdigkeit, als sie 2011 während der großen Dürre westliche Lebensmittelhilfen abwies und Sufi-Schreine niederbrannte. Interne Spaltungen und die Machtübernahme besonders Radikaler haben der Gruppe weiter zugesetzt. 2012 erklärten sie ihr Bündnis mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida. Dessen grausame Praktiken – wie das Köpfen von Christen oder die Hinrichtung von Rivalen – schrecken gemäßigtere somalische Islamisten ab. Unmut kommt auch darüber auf, dass die Miliz Steuern in Form von Geld oder Vieh von Clans und Firmen eintreibt.

Während Al-Shabaab den Kampf gegen die Regierung verliert, verlegt sie sich zunehmend auf Terror-Taktiken wie Selbstmordanschläge, Autobomben und gezielte Tötungen. Nach Meinung von Experten sieht sich die Gruppe zunehmend als dschihadistische Bewegung mit globaler Mission. Auch der Analyst Mohammed Scheich Mohammed ist sich sicher: „Al-Shabaab ist weit davon entfernt, besiegt zu sein. Sie wird weiter ihre Taktik ändern und ihre Angriffe auf die Nachbarländer ausweiten.“