Mark Matulaitis bewegt seine Arme, so dass der Arzt die Stärke des Tremors erkennt. Eigentlich eine Routineuntersuchung bei Menschen mit der Parkinson-Krankheit, an der Matulaitis leidet. Das Besondere: Der Patient sitzt in seinem Haus in einem ländlichen Gebiet im US-Staat Maryland vor einem Laptop; die Kamera überträgt seine Bewegungen dem Arzt, der sich mehrere hundert Kilometer entfernt befindet. Immer mehr Menschen entdecken die Vorzüge von Telemedizin. Allerdings eignet sie sich bisher nur für einen Teil der Patienten; viele Fragen sind noch ungeklärt.
Bei einfach zu diagnostizierenden Erkrankungen ist Telemedizin in den USA schon recht verbreitet: Schnupfnase und Husten – ist das nun eine Erkältung oder Grippe? Gerade in abgelegenen Gebieten nutzen Betroffene hier gerne die «virtuelle Sprechstunde». Es gibt sogar eine App für das Smartphone, die Patienten und Mediziner in solchen Fällen zusammenbringt. Auf beiden Seiten wird nun der Wunsch nach einer ausgeweiteten telemedizinischen Betreuung geäussert, vor allem für Menschen, für die es nicht einfach ist, zu einem Arzt zu gelangen.
Das ist nicht nur eine Frage der Entfernung. 2Stellen Sie sich vor, Sie müssen mit Ihrer an Alzheimer leidenden Mutter in ein medizinisches Zentrum einer Großstadt“, sagt Ray Dorsey, Neurologe am Universitätsklinikum von Rochester und Experte für Telemedizin. „Schon auf dem Parkplatz verlieren viele die Orientierung.“
Qualität von virtuellen Behandlungen
Dorsey ist Leiter einer Studie, bei der es um die Qualität von «virtuellen Behandlungen» bei Parkinson-Patienten geht. Initiiert wurde diese Studie von dem staatlichen Forschungsinstitut PCORI, das im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama gegründet wurde. Aufgabe des Instituts ist es herauszufinden, welche medizinischen Behandlungen und Verfahren die besten Ergebnisse bringen.
An Dorseys Studie nehmen rund 200 zufällig ausgewählte Parkinson-Patienten aus den gesamten USA teil. Eine Gruppe wird medizinisch behandelt wie gewohnt, die andere wird zusätzlich zur regulären Behandlung regelmässig von einem Spezialisten mit Hilfe einer Videokonsultation untersucht. Vorstudien hatten ergeben, dass Telemedizin dazu beitragen kann, die Medikamentenvergabe jeweils aktuell auf die Patienten abzustimmen – und ihnen so Arztbesuche erspart.
Zum Beispiel Matulaitis. Auch er ist Dorseys Patient. Als bei ihm 2011 der Verdacht auf Parkinson zur Sprache kam und er zur Diagnostik zu einem Spezialisten überwiesen wurde, musste seine Frau Urlaub nehmen und ihn mehrere hundert Kilometer weit ins nächstgelegene Zentrum fahren. Inzwischen finden Konsultationen zwischen ihm und Dorsey einige Male im Jahr per Video statt, die übrige Zeit wird er von seinem Hausarzt betreut. Der 59-Jährige ist begeistert.
Zu weit weg von Spezialärzten
Rund 40 Prozent der Parkinson-Patienten in den USA bekommen nie einen Spezialisten zu Gesicht, obwohl Studien gezeigt haben, dass Betroffene davon profitieren. Zum Teil liegt es daran, dass sie einfach zu weit weg von den spezialisierten Zentren wohnen.
Gerade in abgelegenen Gebieten in den USA werden schon seit einiger Zeit Methoden der Fernbehandlung angewandt, angefangen von der telefonischen Übertragung des Blutdrucks eines Patienten an ein Gerät in der nächstgelegenen Klinik. Regionale Krankenhäuser ziehen bei schwierigen Fällen schon einmal einen Spezialisten zurate, der per Video in die Behandlung eingeschaltet wird.
Noch gibt es allerdings eine Reihe von Hürden. So deckt in den USA die Krankenversicherung für Rentner nicht alle Kosten für Telemedizin ab. Auch gelten nicht in allen Staaten die gleichen Regeln, nicht jeder Arzt ist überall für eine telemedizinische Behandlung zugelassen. Ärzteverbände setzen sich für eine Angleichung ein. Von PCORI initiierte Studien sollen darüber hinaus sicherstellen, dass Patienten auch tatsächlich profitieren.
Kann Telemedizin den Arztbesuch ersetzen?
Auch andere Probleme müssen gelöst werden. So kann per Videokamera zum Beispiel eine Streptokokken-Infektion festgestellt werden, die Leitlinien schreiben aber vor, dass vor einer Antibiotika-Behandlung ein Abstrich genommen und untersucht werden muss. Die neue Arzt-Patient-Beziehung setze voraus, dass der Mediziner bedächtiger vorgehe, sagt der Gesundheitsexperte Joseph Kvedar. Er prophezeit gleichzeitig, dass irgendwann in absehbarer Zeit solche Abstriche zu Hause durchgeführt werden können und die Telemedizin ergänzen.
Ungeklärt ist auch die Frage der Ausgaben. Dabei geht es darum, ob Telemedizin den Arztbesuch grundsätzlich ersetzt oder zusätzlich angewandt wird. Ateev Mehrotra von der Harvard-Universität, der sich mit den Kosten des Gesundheitssystems beschäftigt, fordert, dass ein Weg gefunden wird, der die bestmögliche Versorgung zu kostendeckenden Preisen garantiert. Telemedizin sei möglicherweise für viele eine allzu bequeme Angelegenheit, glaubt er.
De Maart

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