Dienstag11. November 2025

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Spieler-Gewerkschaft schaltet EU ein

Spieler-Gewerkschaft schaltet EU ein
(Sven Hoppe)

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Es wäre eine Fußball-Revolution: Die Spielergewerkschaft FIFPro will das geltende Transfersystem mit Hilfe der EU-Kommission zum Einsturz bringen. Jetzt ist Brüssel am Zug.

Der Milliarden-Wahnsinn auf dem Fußball-Transfermarkt wird zum Fall für die EU-Wettbewerbshüter. Die Spielergewerkschaft FIFPro reichte am Freitag Beschwerde bei der Brüsseler Kommission gegen das geltende Transferrecht ein und will so eine Radikalreform der Ablösebestimmungen erzwingen. Damit stehen auch Mega-Deals wie der 75-Millionen-Euro-Wechsel von Deutschlands Fußballer des Jahres Kevin De Bruyne zu Manchester City auf dem EU-Prüfstand. „Wir brauchen neue Regeln, die die Vereine und Spieler schützen“, sagte FIFPro-Generalsekretär Theo van Seggelen in Brüssel.

Prozedur

Wenn die EU-Kommission als Wettbewerbsaufsicht aktiv wird, hat das meist mit Beschwerden zu tun. Die Experten der EU-Kommission prüfen nun, ob die gängige Praxis gegen das europäische Wettbewerbsrecht verstößt. Nur wenn die Kommission konkrete Ansatzpunkte dafür findet, eröffnet sie ein förmliches Prüfverfahren – sonst legt sie die Sache ad acta.
Brüssel übermittelt zunächst den Vereinen offiziell die Beschwerdepunkte. Diese haben dann das Recht, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, auch in einer Anhörung. So können sie ihre Sicht der Dinge darlegen. Die EU-Kommission kann die Unternehmen per Brief um Auskünfte bitten oder – wenn diese sich weigern – selbst ermitteln und etwa überraschend Büros durchsuchen lassen.
Machen die Unternehmen unter dem Druck der EU-Kommission Zugeständnisse und schaffen die wettbewerbswidrige Praxis ab, wird die Untersuchung eingestellt. Falls die Sache aber schwerwiegend ist und die Wettbewerbshüter einem Unternehmen einen Verstoß gegen EU-Recht nachweisen können, können sie eine Strafe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes verhängen.
Eine Frist für die Dauer eines solchen Verfahrens gibt es nicht. Diese hängt davon ab, wie komplex das Thema ist und wie schnell die betroffenen Unternehmen der EU-Kommission Informationen liefern. Bei großen Fällen wie gegen den Suchmaschinenbetreiber Google dauert es Jahre, bis die Kommission entscheidet. (dpa)

Nach Ansicht der FIFPro, die nach eigenen Angaben 65 000 Profis vertritt, verstößt das Transfersystem gegen das europäische Wettbewerbsrecht. Clubs und Verbände würden ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen. Mit ihrem Vorstoß will die Gewerkschaft es Fußballern ermöglichen, nach einer Kündigungsfrist leichter aus laufenden Verträgen heraus zu wechseln. Damit solle vor allem vielen namenlosen Profis geholfen werden, die derzeit schlechter gestellt seien als andere Arbeitnehmer.

Spieler werden versklavt

„Auf dem Transfermarkt findet eine Art Versklavung statt. Aber die Spieler sind doch Menschen“, sagte FIFPro-Präsident Philippe Piat. Zudem sollen Ausleihen abgeschafft, Kadergrößen limitiert und Zahlungen an Spielerberater begrenzt werden.

Es wird erwartet, dass die EU-Wettbewerbshüter innerhalb von zwölf Monaten zu einer Entscheidung kommen. Sollte die EU-Kommission dem Antrag folgen, wird nach Einschätzung der FIFPro-Anwälte aber noch bis zu zwei Jahre über ein neues Regelwerk verhandelt werden müssen.

Das Bosman-Urteil

Die Gewerkschaft erwartet durch ihre Aktion eine ähnliche Revolution im internationalen Fußball wie nach dem Bosman-Urteil 1995. Damals hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Fußballprofis nach Ablauf ihres Vertrags ablösefrei den Verein wechseln können.

Europas Dachverband UEFA hofft trotz der EU-Beschwerde weiter auf eine außergerichtliche Einigung mit der FIFPro. „Wir sind betrübt über die Klage. Ich denke, dass Lösungen im Fußball und nicht von Gerichten gefunden werden sollten“, sagte UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino nach der Sitzung des Exekutivkomitees auf Malta. Auch Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte zuvor als Präsident der Clubvereinigung ECA die FIFPro vor einer Klage gewarnt.

„Fairer Wettbewerb wird verhindert“

„Wir wollen die Top-Clubs nicht abschaffen. Aber wir wollen auch nicht, dass es in ein paar Jahren nur noch 30 Clubs gibt“, konterte FIFPro-Chef Piat. Die derzeitigen Regeln würden einen fairen Wettbewerb der Clubs um die Verpflichtung sportlicher Talente verhindern und die Interessen der Spieler, kleiner und mittlerer Profiteams sowie deren Fans beeinträchtigen, erklärte die FIFPro.

Der Weltverband FIFA habe es versäumt, den Profifußball zu verwalten. „Die wirtschaftlichen Interessen einiger weniger setzen sich durch, während die Mehrheit der Spieler und Clubs benachteiligt werden“, fügte die Gewerkschaft hinzu.

Vorteile für die finanzstarken Clubs

Vor allem die enorme Inflation bei den Transfersummen bevorteile die finanzstarken Clubs der europäischen Topligen. Dies habe die Untersuchung durch den Finanzexperten Stefan Szymanski gezeigt, auf deren Ergebnisse die FIFPro ihre Argumentation stützt. Allein die englische Premier League hatte in diesem Jahr 1,185 Milliarden Euro für neue Spieler ausgegeben.

„Falls sich das System nicht ändert, dann überleben die Ligen in Osteuropa und kleineren westeuropäischen Ländern wie den Niederlanden und Dänemark nicht“, sagte FIFPro-Spitzenfunktionär van Seggelen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Ziel des Vorstoßes sei mehr Gerechtigkeit und Stabilität im internationalen Fußballgeschäft. „Wir müssen uns vor einer Fußballwelt ohne dieses Transfersystem nicht fürchten“, betonte van Seggelen.

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