Dienstag4. November 2025

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Chaos, Kritik und zahlreiche Pannen

Chaos, Kritik und zahlreiche Pannen
(AP/Darko Bandic)

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Kein einziger russischer Hooligan wurde nach Fan-Gewalt in Marseille gefasst. Die französische Polizei und Justiz setzt jetzt auf Schadensbegrenzung. Alkoholverbote wurden ausgesprochen.

Nach den schweren Fan-Randalen in Marseille setzen die französischen Behörden unter anderem auf Alkoholverbote, um neue Ausschreitungen zu verhindern. In den Austragungsorten Lyon und Toulouse verhängten die Behörden am Montag Verkaufsverbote für Alkohol zum Mitnehmen an den Spieltagen der Fußball-Europameisterschaft.

Anti-Hooligan Operation

In der Nähe von Cannes haben am Dienstagmorgen 50 Polizeibeamte eine Anti-Hooligan-Aktion gestartet. Wie die Zeitung Nice-Matin berichtete, wurden 29 russische Fussballfans kontrolliert, als sie ihr Hotel in Mandelieu La Napoule verließen, um mit einem Bus nach Lille zu fahren. Dort spielt Russland am Mittwoch gegen die Slowakei.

Derweil musste die Staatsanwaltschaft von Marseille einräumen, dass kein einziger an der Gewalt beteiligter russischer Hooligan festgenommen werden konnte. Die Bilder aus Marseille hatten für Entsetzen gesorgt und den Auftakt der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich überschattet: Am Rande der Partie England gegen Russland lieferten sich teilweise betrunkene Fußballfans am Samstag am Alten Hafen von Marseille wahre Straßenschlachten.

„Trainierte Hooligans“

35 Menschen wurden verletzt, ein Engländer sogar lebensgefährlich. Die Gewalt ging offenbar vor allem von organisierten russischen Hooligans aus, die englische Fans attackierten – fast alle Verletzten sind Engländer. Staatsanwalt Brice Robin sprach am Montag von 150 „extrem trainierten“ russischen Hooligans. „Sie waren für ultra-schnelle und ultra-gewalttätige Aktionen vorbereitet.“

Kein einziger der russischen Hooligans konnte festgenommen werden, wie Robin einräumen musste. Der bei der britischen Polizei für die EM verantwortliche Offizier Mark Roberts sagte der Tageszeitung „Guardian“, russische Hooligans hätten sich Zahnschutz und Kampfhandschuhe angezogen, bevor sie auf die englischen Fans losgegangen seien. Einige hätten auch Messer bei sich gehabt.

Schnelle Urteile

Wegen der Gewalt in Marseille mussten zehn Festgenommene – sechs Briten, ein Österreicher und drei Franzosen – noch am Montag vor Gericht . Als erstes wurden zwei englische Fans in Schnellverfahren zu zwei und drei Monaten Haft sowie einem zweijährigen Einreiseverbot verurteilt. Ihnen war vorgeworfen worden, Flaschen auf Polizisten geworfen zu haben.

Ein Franzose wurde wegen Diebstahls und Gewalt zu einem Jahr Haft verurteilt. Derweil riss die Kritik an den Sicherheitsbehörden nicht ab. Die konservative Opposition in Frankreich sprach von „Schwachstellen“, was Staatsanwalt Robin zurückwies. Kritik an den französischen Einsatzkräften hatte es schon kurz nach den Krawallen gegeben.

Die Risikospiele

Der Polizei wurde vorgeworfen, zu spät eingegriffen zu haben – und dann mit einem wahllosen Einsatz von Tränengas und einem Wasserwerfer auch friedliche Fans getroffen zu haben. Die Partie England gegen Russland war im Vorfeld als Risikospiel eingestuft worden. Das zweite Risikospiel – die Begegnung Kroatien gegen die Türkei am Sonntag in Paris – verlief zwar ohne Zwischenfälle.

Bei drei weiteren als kritisch eingestuften Begegnungen wird aber neue Gewalt befürchtet: Deutschland gegen Polen und England gegen Wales am Donnerstag sowie Polen gegen die Ukraine am 21. Juni. Deutsche Hooligans hatten sich bereits am Sonntag in der nordfranzösischen Stadt Lille Auseinandersetzungen mit Ukrainern geliefert.

Ein Toter

Befürchtet werden auch neue Zusammenstöße von englischen und russischen Fans: Die beiden Nationalmannschaften haben am Mittwoch und Donnerstag Spiele in den nahegelegenen Städten Lille und Lens. In Marseille wurde das Musikfest Fête de la Musique wegen des Spiels Polen gegen die Ukraine am 21. Juni um zwei Tage verschoben. Derweil starb ein nordirischer Fan, als er in der Nacht zu Montag am Strand der südfranzösischen Stadt Nizza über ein Geländer fiel und rund acht Meter in die Tiefe stürzte.

Nach Angaben von Staatsanwalt Jean-Michel Prêtre war zunächst unklar, ob der 24-Jährige betrunken war oder sich das Leben nehmen wollte. Augenzeugen gaben an, der Fußballfan habe betrunken gewirkt