29. Dezember 2025 - 19.38 Uhr
KosovoHeimgekehrte Diaspora-Wähler entscheiden vorgezogene Parlamentswahl zugunsten der regierenden Vetevendosje
Ausgelassene Trommelschläge, Autohupen, Sprechchöre und Gesänge erschallten in Kosovos eisiger Wahlnacht im Zentrum der Hauptstadt Pristina. Selbst die frostigen Temperaturen hielten die Anhänger der regierenden Vetevendosje (VV) nicht von ausgelassenen Freudentänzen ab.
Strahlend dankte der in einen dicken Parka gehüllte geschäftsführende Premier Albin Kurti seinen jubelnden Wählern für den mit 49,3 Prozent der Stimmen unerwartet klaren Sieg seiner VV bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag: „Das Volk und die Republik Kosovo haben gesiegt. Wir sind auf dem besten Weg, zur größten Partei in der Geschichte zu werden – und werden alle unsere Versprechen erfüllen.“

Nach der Wahl im Februar, die seiner VV Stimmeneinbußen von acht Prozent der Stimmen und den Verlust der absoluten Mehrheit bescherte, hatte der 50-Jährige sich zehn Monate allen ernsthaften Koalitionsgesprächen mit der Opposition verweigert – und sein Land durch die von ihm mitverursachte Staatsblockade in eine tiefe Finanz- und Verfassungskrise gestürzt.
Doch statt der eigentlich zu erwartenden Wählerquittung hat die Rekordwahlbeteiligung von über 45 Prozent seiner VV einen vorab kaum für möglich gehaltenen Wahltriumph beschert. Katzenjammer ist hingegen bei den Oppositionsparteien PDK (21 Prozent), LDK (13,6 Prozent) und AAK (5,7 Prozent) angesagt, die allesamt Federn lassen mussten. Stärkste Minderheitenpartei ist erneut die von Belgrad kontrollierte Serbische Liste, die mindestens neun oder alle zehn der serbischen Parlamentsitze gewonnen hat.
„Völlige Ideenlosigkeit“ der Opposition
Die Schwächen und „völlige Ideenlosigkeit“ der Opposition beim Umgang mit Kurtis „Populismus“ machte der Politologe Artan Muhaxhiri in der Wahlnacht in einer ersten Reaktion für den „spektakulären“ Sieg und die VV-Zugewinne von sieben Prozent verantwortlich: „Nach einem Jahr der Blockade und fünf Jahren an der Macht mit unzähligen Verstößen gegen die Verfassung, dem wirtschaftlichen Stillstand und den verschlechterten Beziehungen zu den Verbündeten gibt es keine andere Logik, als dass die Bürger die VV trotz all ihrer Mängel für weniger schädlich als die Opposition halten.“
Tatsächlich deutete selbst bei den noch von der PDK und LDK gewonnenen Kommunalwahlen im Oktober wenig darauf hin, dass die VV ihr Ziel einer erneuten Alleinregierung bei dem von ihr forcierten vorzeitigen Urnengang verwirklichen könnte. Noch steht die genaue Analyse der Wählerwanderungen aus. Aber es scheinen weniger die Wechselwähler als vielmehr die in den Weihnachtsferien heimgekehrten Zusatzwähler aus der ausländischen Diaspora zu sein, die den Wahlausschlag zugunsten der VV gaben.
Unter dem Meer roter Albanerflaggen waren bei den VV-Siegesfeiern auch Schweizer Fahnen mit dem weißen Kreuz zu sehen: Traditionell genießt die auf stark nationalistische Töne setzende VV vor allem bei Kosovos Arbeitsmigranten in der Schweiz, aber auch in Deutschland große Popularität.
Die VV hatte sich mit dem Argument einer zu erwartenden höheren Wahlbeteiligung bei der ihr nahestehenden Präsidentin Vjosa Osmani für einen Wahltermin vor Weihnachten starkgemacht – ein Schachzug, der sich ausgezahlt hat. Die Opposition hatte sich einen Wahltermin vor den Feiertagen gewünscht.
Bei Präsidentenkür auf die Opposition angewiesen
Mit vermutlich 56 von 120 Abgeordneten verfügt die VV gemeinsam mit den Abgeordneten der nichtserbischen Minderheiten im Parlament wieder über die Mehrheit, um erneut ohne einen „echten“ Koalitionspartner regieren zu können. Im Gegensatz zu den letzten Monaten und Jahren schlug Solist Kurti in der Wahlnacht gegenüber der Opposition indes ungewohnt versöhnliche Töne an: Er rufe die Oppositionsparteien „zur Zusammenarbeit“ auf, so seine Botschaft.
Tatsächlich ist Kurti bei der im Frühjahr anstehenden Neuwahl eines Staatsoberhaupts durch das Parlament auf die Opposition angewiesen, da mindestens zwei Drittel der Abgeordneten an ihr teilnehmen müssen. Denn sollte die Präsidentenkür im Parlament scheitern, drohen erneute Neuwahlen.
Auf Totalverweigerung dürften die ihre Wunden leckende Opposition nach ihrem Wahldebakel zwar kaum setzen, doch ist sie auf die jetzige Amtsinhaberin nicht gut zu sprechen: Möglicherweise könnten die Oppositionsparteien ihre Teilnahme an der Präsidentenwahl von einem Austausch von Osmani abhängig machen.
Denn oft wirkte die seit 2021 amtierende und im Westen geschätzte Staatschefin eher als verlängerter Arm des ihr nahestehenden Premiers denn als überparteiliche Staatschefin. Die VV-nahe Osmani habe keinerlei Brücken zu den Oppositionsparteien geschlagen und gegenüber der serbischen Gemeinschaft „repressive Töne“ angeschlagen, wirft der Analyst und frühere Parlamentarier Ilir Deda der Präsidentin vor: Ihre „enge Bindung“ an nur eine Partei „verringert die Chancen auf eine zweite Amtszeit“.
De Maart
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