Montag29. Dezember 2025

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Carlo Schneider im Interview„Wir Karikaturisten müssen die Dummheiten nur noch abmalen“

Carlo Schneider im Interview / „Wir Karikaturisten müssen die Dummheiten nur noch abmalen“
Umringt von Xi, Putin, Trump, Frieden und Bettel: Carlo Schneider im Selbstporträt Karikatur: Carlo Schneider

Carlo Schneider ist in Luxemburg fast so bekannt wie die Menschen, die er abbildet. Die Arbeiten des Karikaturisten werden unter anderem im Tageblatt und in der Revue abgedruckt. Im Interview spricht Schneider über beleidigte Politiker, die Zukunfstperspektiven für Karikaturisten – und warum auch Drohungen ihn nicht ausbremsen.

Tageblatt: Haben Sie immer gerne provoziert?

Carlo Schneider: Das muss man lernen. Ich bin eher der Typ Weltverbesserer und mache mir Gedanken darüber, was andere – und vor allem ich selbst – besser machen könnten. Provokation in der Karikatur ist, wie das Zeichnen an sich, eine Technik. Die muss man sich aneignen. Auch heute steht bei mir vor jeder Zeichnung die Recherche. Ohne sie geht es nicht. Nur so wird Provokation zu einer Form der Kommunikation. Und nur so kann eine Karikatur funktionieren.

Wann haben Sie begonnen, Karikaturen zu zeichnen?

Schon in der Grundschule habe ich in meine Schulbücher „Männercher gemoolt“. In Richtung politischer Karikatur ging es aber erst viel später. Davor habe ich mich in der Landschaftsmalerei geübt. Über solche Illustrationen bekam ich erste Aufträge für Zeitungen. Den Rest habe ich mir nach und nach angeeignet. So kam eines zum anderen.

Ist der Beruf komplizierter geworden?

Den Durchbruch zu schaffen, war schon immer hart. Über den Daumen gepeilt dauert es rund zehn Jahre, bis man sich einen Namen macht. Schwieriger geworden ist es aber auf internationaler Ebene. Die Karikatur verschwindet zunehmend aus den Zeitungen. Viele gehören Investoren, die nicht gerne kritisiert werden. Selbst große Publikationen wie die New York Times verzichten inzwischen auf Karikaturen – nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus Vorsicht.

Bei der Washington Post trat eine Karikaturistin zurück, nachdem ihre Zeichnung von vor Trump buckelnden und schleimenden Tech-CEOs wie Zuckerberg oder Bezos, der die Post besitzt, abgewiesen worden war …

Ich kenne Ann Telnaes persönlich, uns Karikaturisten hat das erschüttert. In der NYT war es der Portugiese António Moreira Antunes, der wegen einer als antisemitisch gebrandmarkten Zeichnung Probleme bekam. Das Ergebnis der Zeichnung von Moreira Antunes war ein Bild, das Netanjahu als Hund an der Leine zeigt. Um seinen Hals hängt ein Davidstern. Gehalten wird die Leine von einem blinden Trump mit Sonnenbrille und Kippa. Moreira Antunes flog nach 40 Jahren als politischer Karikaturist bei der NYT raus, seine Kolleginnen und Kollegen protestierten laut – und wenig später stellte das Qualitätsblatt die politischen Karikaturen ein.

Setzen Sie sich selbst Grenzen?

Setzen Politiker sich Grenzen? Ich glaube nicht. Tagaus, tagein werden Absurditäten produziert und schlimme Aussagen gemacht. Ich sehe nicht ein, warum ich mir dann selbst Grenzen setzen sollte. Ich passe mich der Realität an.

Macht eine immer absurdere Welt Ihre Arbeit einfacher oder schwieriger?

Eigentlich müssen wir Karikaturisten nur noch abmalen und die Dummheiten gar nicht mehr selbst erfinden. Aber im Ernst: Ich versuche, gerade weil ich international arbeite, mit einer guten Idee herauszuragen. Mit der Erfahrung weiß man, was die meisten zeichnen werden. Dann suche ich bewusst einen anderen Zugang.

Die Politik produziert immer wieder, sagen wir mal, dankbare Motive. Die bleiben aber nicht ewig. So ist in Luxemburg unlängst Arbeits- und Sportminister Georges Mischo (CSV) aus der Regierung zurückgetreten worden. Spüren Sie da eine gewisse Wehmut, wenn solche für einen Zeichner dankbaren Subjekte die Bühne verlassen?

Meine Erfahrung und mein Gefühl sagen mir, dass der Nachschub aus dem Reservoir der politisch Handelnden unendlich ist. Nicht die Person gibt den Ausschlag, sondern das, was diese Person macht. Es ist schwieriger, kritisch über eine Regierung zu zeichnen, die ordentliche Arbeit für die Bevölkerung macht. Um es am Beispiel der USA runterzubrechen: Trump gibt in dem Sinn mehr her, als es Obama tat.

Wer reagiert am dünnhäutigsten?

Ich wurde vor nicht allzu langer Zeit von einem Luxemburger Politiker bedroht.

Das war der ADR-Abgeordnete Tom Weidig. Wegen einer Ihrer Karikaturen in der Revue über Léon Gloden und Serge Tonnar drohte Weidig Ihnen auf Facebook mit einem „Hausbesuch“.

Genau. Eine solche Reaktion hatte ich nicht erwartet. Aber darüber mache ich mir im Vorfeld keine Gedanken. Ich kritisiere Menschen wegen ihres Handelns, nicht wegen ihrer Persönlichkeit. Gesundheit oder Familie sind tabu. Davon abgesehen lege ich den Finger in die Wunde – und manche reagieren darauf sehr seltsam. Schon zur Zeit der Mohammed-Karikaturen wurde ich von islamistischen Fanatikern bedroht. Aufgehalten hat mich das nie.

Haben Sie ein Lieblingsmotiv?

Vom Aussehen her nicht unbedingt. Aber mit Politikern, die ewig dabei sind, wie Jean-Claude Juncker zum Beispiel, hat das richtig Spaß gemacht. Da hätte man mich nachts wecken können und ich hätte losgezeichnet. Den Erfolg macht letztendlich das Publikum aus: Wenn die Menschen jemanden besonders gerne sehen, zeichne ich den auch öfter.

Wenn es den Leuten Spaß macht, entsteht eine Art verschworene Gemeinschaft – und dann läuft das von selbst

Carlo Schneider, Karikaturist

Wie ist das bei Luc Frieden?

Zeichnerisch passt das gut. Wenn es den Leuten Spaß macht, entsteht eine Art verschworene Gemeinschaft. Und dann läuft das von selbst.

Führen Sie Buch über Ihre Motive?

Nein. Aber mir fällt auf, dass manche Regierungsmitglieder kaum vorkommen, weil sie wenig sichtbar sind. Auch das ist eine interessante Beobachtung.

Ist es eine Auszeichnung, karikiert zu werden?

Man muss auffallen. Das gehört zum Job als Politiker. Wer nie karikiert wird, den kennt auch niemand. Meist sind es aber ihre Absurditäten, die sie zeichnungswürdig machen.

Was stört Sie an Reaktionen besonders?

Wie Menschen sich in sozialen Netzwerken wegen einer Zeichnung gegenseitig angreifen. Ich arbeite mit Humor, viele nehmen das aber bitterernst. Die schlechte Diskurskultur im Internet ist bekannt. Trotzdem erstaunt mich, wie sehr die Fähigkeit zur Debatte verloren gegangen ist.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufs?

Zu wenige Junge trauen sich. Ich kenne quer durch Europa viele Karikaturistinnen und Karikaturisten – und das sind, wie ich, alles Oldies! Das beginnt ab 60, die meisten sind noch älter. Es wäre schön, den Nachwuchs stärker zu fördern.

Was würden Sie denn einer Teenagerin oder einem Teenager raten, was braucht es, um ans Ziel zu gelangen?

Zeichnen ist wichtig, aber nicht alles. Man braucht Interesse an Politik und am Zeitgeschehen. Kritisches Denken ist zentral. Der eigene Stil entwickelt sich mit der Zeit – aber nur, wenn man Augen und Ohren offen hält. Mir hat meine Mehrsprachigkeit sehr geholfen.

Grober J-P.
29. Dezember 2025 - 9.56

Zeichnet er wirklich mit links? Weiterhin viele Blei - Stifte!, mit Spitzen in jede Richtung!

Reinertz Barriera Manfred
29. Dezember 2025 - 8.10

Zu hoffen, dass Karikatur sich trotzdem weiter behaupten kann. Es ist in unseren Ländern wichtig, dass man mal ordentlich mit Hilfe von Karikaturen die Politiker durch den Kakao geschleift werden .Demokratie braucht das...genau wie Satire, Kabarett usw....