Mittwoch10. Dezember 2025

Demaart De Maart

EditorialZwei Strategien, eine Taktik: Fachkräftemangel, Armutsbekämpfung und der Vogel Strauß

Editorial / Zwei Strategien, eine Taktik: Fachkräftemangel, Armutsbekämpfung und der Vogel Strauß
Einfach den Kopf in den Sandhügel stecken? Auf dieser Baustelle eine verlockende Lösung für alle Probleme Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Die Vogel-Strauß-Taktik ist zum Modus operandi geworden, wenn es um den Umgang mit der eskalierenden Wohnungskrise geht. Stattdessen braucht es große Schritte, und zwar sofort.

Zoologisch gesehen ist sie ein Mythos: die berühmte Vogel-Strauß-Taktik, bei der ein Strauß seinen Kopf in den Sand steckt, um sich vor der Welt und ihren Gefahren zu verstecken. In Luxemburg hingegen wird die Vogel-Strauß-Taktik immer mehr zum Modus operandi, wenn es um den Umgang mit der eskalierenden Wohnungskrise geht.

Exemplarisch konnte man das in den vergangenen beiden Wochen anhand von zwei wichtigen Strategiepapieren nachvollziehen. Zum einen ist da „Talent4Luxembourg“, der Vorschlagskatalog der Handelskammer, der dem Fachkräftemangel entgegenwirken, neue Arbeitskräfte nach Luxemburg holen und hier binden soll. Das Zweite ist der erste nationale Aktionsplan der Regierung zur Bekämpfung von Armut. Fachkräftemangel und Armut, zwei dringliche, gesellschaftliche Probleme, die sich eine gemeinsame Wurzel teilen: den Mangel an bezahlbarem Wohnraum.

Man könnte nun meinen, dass diesem Fakt in großem Stile Rechnung getragen werden müsste. Dem ist nicht so. Beide Papiere schieben das Grundübel Wohnungskrise zur Seite, klammern es aus – und setzen stattdessen auf administrative Vereinfachung. Ein Schalter für alle Belange scheint die Lösung für alles zu sein, das soll ausländischen Fachkräften bei der Integration helfen und armutsgefährdeten Menschen beim Beantragen von Finanzhilfen. Wohnungsnot, die Sorge Nummer eins der Luxemburger, ist indes so groß geworden, der Handlungsbedarf so dringlich, dass man sie nur noch ignorieren kann.

Auch bei der Präsentation des Aktionsplans spielt Logement – wenn überhaupt – nur eine Nebenrolle. Man müsse weiter substanziell in bezahlbaren Wohnraum investieren, sagt Wohnungsbauminister Claude Meisch, nur um im nächsten Satz vorsichtshalber schon wieder die Erwartungen zu drosseln: „Das schütteln wir nicht aus dem Ärmel.“ Zwischen Hilfenbündlung, Automatisierung und Vereinfachung verliert man das Hauptproblem beinahe aus den Augen. „Den Haaptgrond vun Aarmut bleift zu Lëtzebuerg de Logement, an zemools d’Präisser vun de Loyeren“, erinnert „déi Lénk“ zu Recht noch am selben Tag in einer Pressemitteilung. Was der Aktionsplan zum Schutz der Mieter vorsieht? Eine Reform des aktuellen (ineffektiven) Mietendeckels. Für das Jahr 2027. Too little, too late.

Was es stattdessen bräuchte, sind große Schritte, und zwar sofort. Investitionspakete, Millionenbeträge. Dass so etwas nicht so unmöglich ist, wie lange vermutet, zeigen seit vielen Monaten die stetig wachsenden Verpflichtungen im Bereich der Verteidigung. Nationale Anstrengungen, die einhergehen mit europäischen Initiativen zur Stärkung der Sicherheitsarchitektur. Warum sich nicht mit derselben Verve in die Lösung der Wohnungskrise werfen? Die ist längst zu einer europäischen Krise geworden. Ein „European Housing Fund“, analog zum „Defence Fund“, von dem die nationale Bauwirtschaft profitieren kann? Dafür müsste man dem Problem ins Auge sehen und aktiv werden – statt den Kopf in den Sand zu stecken.