7. Dezember 2025 - 11.14 Uhr
Ernährung „Food first“, sagen Diätassistenten: ein Gespräch über Essen anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Berufsverbandes
Tageblatt: Vor 40 Jahren kam kaum eine Frauenzeitschrift ohne Diätempfehlung aus. Ist das heute immer noch so?
Anne Marx: Wir beraten immer noch, wenn Patienten abnehmen müssen. Adipositas ist eine weit verbreitete Krankheit. Unser Beruf hat sich jedoch zu einem echten Gesundheitsberuf entwickelt, der seit 2019 auch von der CNS anerkannt ist. Außerdem sind seit der Gründung viele Krankheiten hinzugekommen, die so damals nicht aktuell oder bekannt waren.
Ist der Begriff Diätassistentin heute nicht zu kurz gegriffen?
Eigentlich schon. Früher dachten die Leute bei „Diätassistentin“ sofort daran, das ist jetzt die, die mir alles verbietet. Dabei halten wir von Diäten, wo man beispielsweise nur noch Kohlsuppe isst und das wochenlang, gar nichts. Im Gegenteil, das ist sogar sehr gefährlich.
Und heute?
Wir sind Ernährungsberater und begleiten Menschen darin, eine ausgewogene Ernährung sicherzustellen – genug Vitamine, genug Mineralien, genug Nährstoffe. Wir werden zur Heilung nach einer akuten Krankheit oder bei chronischen gebraucht. Ernährungspläne sind immer sehr individuell und dem tragen wir mit einer genauen Anamnese Rechnung: Gewohnheiten, Vorlieben, der Alltag in Bezug auf Essen … Bei den Diäten beispielsweise, die frei verfügbar sind, kommt es meistens zum Jo-Jo-Effekt.
Jo-Jo-Effekt?
Man nimmt zwar ab, weil man in einem Kaloriendefizit ist, aber der Körper gewöhnt sich daran. Der Basismetabolismus fährt herunter. Das ist die Energie, die der Körper braucht, um im liegenden Zustand alle Organfunktionen aufrechtzuerhalten, also ohne Anstrengung. Wenn dann wieder wie vorher gegessen wird, nimmt man automatisch wieder zu.
Schlanksein ist doch aber immer noch „in“, oder?
Wenn man den sozialen Medien glaubt, ja. Nach einer kurzen Phase der Body Positivity wollen jetzt wieder alle schlank sein. Es geht aber nicht darum. Es geht darum, ein gesundes Gewicht zu haben. Es gibt auch verschiedene Arten von Fetten. Frauen, die Formen haben und keinen Bauch, das ist gesundes Fett. Das gefährliche Fett ist das, was sich um die Organe herum sammelt. Das betrifft vor allem Männer mit einem großen Bauch.
Sprechen wir noch über die Krankheiten, die in den letzten 40 Jahren zugenommen haben. Welche sind das?
Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs und Allergien wie Glutenunverträglichkeit oder Darmerkrankungen wie Zöliakie. Lebensmittelallergien und Darmkrankheiten generell nehmen zu. Und beispielsweise bei Prädiabetes kann man durch Abnehmen in vielen Fällen verhindern, dass man anschließend dauerhaft Medikamente nehmen muss.
Heute fragt jeder Dr. Google. Was hält Ihr Berufsstand davon?
Es ist auf jeden Fall wichtig, die Quelle der Information zu hinterfragen. Will diese Quelle mir etwas verkaufen? Verteufelt diese Quelle ein Lebensmittel? Da raten wir immer zu Misstrauen. Oft klingen diese Tipps auch einfach zu gut, um wahr zu sein. Jedes Lebensmittel hat seine Vor- und Nachteile und es geht darum, dass wir ausgewogen, von allem, essen sollen.
Haben denn Ernährungspläne zwischen Fast Food und Kebab eine Chance?
Das haben sie. Die Menschen sind gesundheitsbewusster als früher – gerade bei der Ernährung. Und sie haben angefangen, sich dafür zu interessieren. Weniger Fleisch und weniger weiterverarbeitete Lebensmittel zu essen, ist längst im Bewusstsein eingekehrt. Nicht bei allen, aber es nimmt zu.
Wie steht der Berufsverband zu Nahrungsergänzungsmitteln?
Die können bei bestimmten Krankheiten angebracht sein. Wir sagen aber immer: „Food first.“ Eine ausgewogene Ernährung verhindert den Mangel an irgendetwas. Und es empfiehlt sich immer vorher eine Blutanalyse, bevor auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgegriffen wird.
Kurkuma ist doch so ein Wundermittel …
Sekundäre Pflanzenstoffe sind gut, weil viele Antioxidanzien (Schutzmoleküle, die die Zellen gesund erhalten; Anm. d. Red.) darin enthalten sind. Aber wenn es nicht im Zusammenhang mit Fett wie Öl aufgenommen wird, nimmt der Körper es nicht richtig auf. Es ist alles immer komplexer als oft dargestellt.
Und Veganer?
Wenn einfach nur tierische Produkte weggelassen werden, wird es kompliziert. Sie müssen ersetzt werden und manchmal kommt es zu einem B12-Mangel, weil sich dieses Vitamin vor allem im Fleisch findet.
Gibt es eigentlich ein Trendmittel unter den Ergänzungsmitteln?
Protein. Es geht um Abnehmen, Steigerungen der sportlichen Leistungen und Muskelaufbau. Das sind die Marketingschlagworte, wenn es um den Verkauf von Proteinen geht. Wir essen aber genug Proteine wie Fleisch, Fisch, Tofu oder Hülsenfrüchte, kombiniert mit Cerealien wie beispielsweise Reis.
Was essen Sie denn am liebsten?
Gegrillte Scampis. Das erinnert mich an Urlaub.
Der Berufsverband
Die „Association nationale des diététiciens du Luxembourg“ (ANDL) hat aktuell nach eigenen Angaben 135 Mitglieder. Der Verband wurde 1985 gegründet. Die ANDL setzt sich für die Weiterbildung von Fachleuten, die Förderung des Berufsstandes, die Überwachung illegaler Praktiken ein und ist der Ansprechpartner der Gesundheitsbehörden. „Diététiciens“ oder Ernährungsberater haben eine fundierte Ausbildung in Anatomie, Physiologie, Pathologie, Chemie oder therapeutischem Kochen. Die Ausbildung dauert durchschnittlich drei Jahre.
De Maart

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