Me Noesen,
Sie haben im Interview mit 100,7 angekündigt, die Presse könne mit „freundlichen Briefen“ rechnen. Das Tageblatt freut sich seit jeher über einen anregenden, schriftlichen Austausch mit nationalen Geistesgrößen über wichtige Themen unserer Zeit – so zum Beispiel die Pressefreiheit – und deshalb wollen wir unsere Leser gleich von Anfang an in diesen Schriftwechsel mit einbeziehen.
Wir gehen davon aus, dass Ihr Mandant, der verurteilte Straftäter Johny Joseph Nickts, unsere Berichterstattung zu den rezenten Gerichtsprozessen nicht sonderlich erbaulich fand, ebenso wenig wie sein Konterfei auf unserer Titelseite. Sein Gerichtsprozess gegen CLT-UFA hat wesentlich mehr Aufmerksamkeit auf seine Person gelenkt, als die historische Reportage von RTL es jemals vermocht hätte. Man nennt das den Streisand-Effekt. Dieser beschreibt das Phänomen, dass der ungeschickte Versuch, eine Information zu unterdrücken, wesentlich mehr Aufmerksamkeit für diese Information in der Öffentlichkeit schafft. Der Effekt ist nach der Pop-Sängerin Barbra Streisand benannt, die eine Luftaufnahme ihres Anwesens verbieten wollte und sie damit erst bekannt machte. Die Luftaufnahme, nicht die Sängerin.
Ausgehend davon geben wir Folgendes zu bedenken: Aktuell ist das Gerichtsurteil wegen seines beschränkten Anwendungsbereichs noch ein rein luxemburgisches Phänomen. Wenn allerdings ein Anwalt beginnt, die Presse eines ganzen Landes mit „freundlichen Briefen“ zu traktieren, könnte das Thema auch für Journalisten jenseits der Grenze überaus interessant werden. Wäre ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung oder im Le Monde im Sinne Ihres Mandanten? Pressefreiheit ist immerhin ein europäisches Thema.
Darüber hinaus: Auch wenn unsere Titel spielerisch sind, ist die Berichterstattung samt Namensnennung keine Trotzreaktion, sondern gewollte Transparenz darüber, wie mit Meinungs- und Pressefreiheit umgesprungen wird. Die Öffentlichkeit hat ein legitimes Interesse daran, zu wissen, wer versucht, Berichterstattung zu unterdrücken, und mit welchen Mitteln.
In Deutschland erlauben Gerichte regelmäßig eine solche Metaberichterstattung – also Berichterstattung über teilweise verbotene Berichterstattung –, weil sie als eigenständiger Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung gilt. So wurde dem Satiriker Jan Böhmermann der Vortrag seines Schmähgedichts über den türkischen Präsidenten Erdogan zwar verboten, anderen Medien wurde das Zitieren daraus allerdings erlaubt – im Rahmen ihrer Berichterstattung über Erdogans juristisches Vorgehen. Wenn jemand gegen Medien vorgeht, wird genau dieses Vorgehen selbst zum Phänomen von öffentlichem Interesse. Und darauf liegt auch der Fokus unserer Berichterstattung.
Dass Johny Joseph Nickts Menschen um ihr Erspartes gebracht hat, ist in dem Sinne der Kontext, der für das Verständnis der aktuellen Gerichtsbeschlüsse unerlässlich ist. Aber das für die Öffentlichkeit relevante Problem ist, dass er gerade jetzt versucht, die Pressefreiheit zugunsten der Vertuschung seiner Untaten zu opfern. Der Skandal ist, dass das Kassationsgericht ihm recht gibt. Und die Kirsche auf dem Kuchen sind Sie, Me Noesen, und Ihre Drohungen gegen die freie Presse dieses Landes. Eine relevantere Vorlage für Berichterstattung können Sie uns eigentlich nicht liefern.
In diesem Sinne: Schreiben Sie uns gerne. Wir freuen uns auf Ihren Brief.
De Maart

Bravo! All Respekt fir d‘Tageblatt!
Zu hoffen dass die Strasburger Richter die Sache auch so sehen und die luxemburger Justiz verdonnern,denn die Pressefreihet muss gewahrt werden in unserem Land...ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie!.. vor langer Zeit hatten wir im Lande schon mal einen Versuch von einem Maulkorbgesetz jedoch damals konnte das abgewehrt werden konnte.....leider ist unsere heutige Justiz wohl zu befangen....