26. November 2025 - 8.30 Uhr
Akt.: 26. November 2025 - 8.31 Uhr
AusstellungMosaik der Hoffnung: 101 Geschichten einer vielfältigen Nation
Lala Ghafoori musste lange um ihr Flüchtlingsstatut kämpfen, nachdem sie vor den Taliban geflohen war. Die junge Frau war 2015 aus Afghanistan nach Luxemburg gekommen. Heute trägt sie keine Burka mehr und muss sich auch nicht mehr vor den Islamisten fürchten. „Elle illumine de son sourire un café près du Palais, dans la Ville Haute“, schreibt Claude Frisoni. Lala ist zudem auf einem doppelseitigen Foto in dem neuen Buch mit Texten von Frisoni und Fotos von Raymond Reuter zu sehen. „Du puzzle à la mosaïque“ heißt der Bildband, so wie auch die Ausstellung, die zurzeit bei der „Chambre des salariés“ in Bonneweg zu sehen ist.

Nach den großen Erfolgen mit den Ausstellungs- und Buchprojekten „Gens du Luxembourg“ (2017) und „Les Exclus du Festin“ (2023) über die Armut hierzulande, wo sie sich mit dem Schicksal sozial benachteiligter und von der Wohlstandsgesellschaft ausgeschlossener Menschen auseinandersetzten, hat das Duo ein weiteres auf den Weg gebracht, das genauso erfolgversprechend ist: Frisoni, Schriftsteller, Schauspieler, Theatermacher und Kulturmanager, u.a. früherer Generaldirektor der Abtei Neumünster und künstlerischer Direktor und Präsident des Théâtre Ouvert Luxembourg, sowie Reuter, der einstige Mitbegründer der ersten luxemburgischen Presseagentur Luxnews und jahrelanges Mitglied der Agentur Sygma in Paris, der bereits zahlreiche Bücher veröffentlichte und mit seinen Bildbänden über die großherzogliche Familie bekannt wurde.
In „Du puzzle à la mosaïque“ wird die kulturelle Vielfalt des Landes illustriert, die nicht zuletzt eine Bereicherung für die demokratische Gesellschaft darstellt. In ihrem Buch und ihrer Ausstellung, die zunächst im Einkaufszentrum Belle Étoile zu sehen war, zeigen Reuter und Frisoni 101 Menschen unterschiedlicher Herkunft und in verschiedenen Berufen, die im Großherzogtum leben oder arbeiten – oder beides. „Ich wollte nicht einfach Porträts machen, sondern die Menschen in ihrem Umfeld zeigen, in ihrem Alltag oder an ihrem Arbeitsplatz“, erklärt Reuter. Dass die Diversität Luxemburgs den beiden Autoren schon lange am Herzen liegt, haben sie bereits in ihren früheren Projekten gezeigt. Nun steht sie ganz im Vordergrund. Dies sei auch umso dringlicher, denn schließlich seien Rassismus und Fremdenfeindlichkeit weltweit stärker geworden und würden auf bedrohliche Art und Weise um sich greifen, wie Frisoni und Reuter beim Gang durch die Ausstellung erläutern. Ein gefährlicher Wind von rechts weht gegen Diversität und Multikulturalität, gegen die offene Gesellschaft.
Bei dem Mosaik (…) sind die Tesserae Frauen und Männer aus Fleisch und Blut, authentische Persönlichkeiten, Einwohner Luxemburgs
Der Titel ist auf die jahrtausendealte Kunst der Mosaike zurückzuführen, für die Kunsthandwerker zunächst unbearbeitete Kieselsteine, dann u.a. Steinsplitter, Marmorstücke, Halbedelsteine und Gold verwendeten, sogenannte Tesserae. „Bei dem Mosaik, das wir Ihnen hier vorstellen, sind die Tesserae Frauen und Männer aus Fleisch und Blut, authentische Persönlichkeiten, Einwohner Luxemburgs“, erklärt Frisoni. Es handelt es also nicht mehr um ein loses Puzzle, das erst zusammengefügt werden muss und in seinem Urzustand ein Chaos bildet, sondern um ein gesellschaftliches Gefüge – etwas bereits Entstandenes. Es sei auch nicht darum gegangen, eine statistisch repräsentative Auswahl der ausländischen Bevölkerung zu treffen, so Frisoni. „Um die Proportionen genau einzuhalten, hätten wir in dieser Porträtgalerie 14,5 Portugiesen, 7,6 Franzosen, 3,7 Italiener und so weiter aufnehmen müssen. Das wäre wenig interessant gewesen – ganz zu schweigen davon, wie ein halber Portugiese oder ein Sechstel Franzose aussehen würde“, schreibt er auf seine typisch ironische Art und Weise und mit stilistischer Bravour. „Unser einziges Ziel war es, eine Bandbreite an Persönlichkeiten zu präsentieren, welche die Vielfalt des Landes widerspiegeln.“

„Mehr als Auswahlkriterien sind es Gefühle, aber auch Zufälle gewesen, die uns geleitet haben“, so der Autor der Texte, der auf die Einteilung in die einzelnen Kapitel zu sprechen kommt: in „Traités et … maltraités“ etwa geht er auf die luxemburgische Geschichte ein, die von territorialen Eroberungen der Großmächte geprägt war, als sich die Luxemburger in ihrer Festung verschanzten – „begehrt, belagert, erobert, beansprucht, geteilt, aufgeteilt, ausgetauscht, vererbt, abgetreten, besetzt“ – bis zur Unabhängigkeit auf Beschluss des Wiener Kongresses hin. Er kommt auf die Zeit zu sprechen, in der Luxemburg ein Auswandererland aufgrund seiner Heimat war, „bevor es ein reiches Land dank der Immigration wurde“. Laut Statec, hier liefert der Autor jedes Mal aktuelle Zahlen, die er in Fußnoten belegt, sind 180 Nationalitäten in Luxemburg vertreten, kaum 25 weniger als die Gesamtzahl der von der UNO anerkannten Länder.
Luxemburg als Arche Noah

Andere Kapitel heißen etwa „Terre fertile“ oder „Terre d’asile“, „Terre d’accueil“ oder „Terre d’écueils“, handeln von Geflüchteten und den Hindernissen, die sie zu überwinden haben, ob administrativer oder gesetzlicher Natur, ob Prekariat oder Wohnungsnot, ob Vorurteile oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Nicht vergessen wurden die Grenzgänger. „Luxemburg ist eine Art Arche Noah, die Vertreter aus fast allen Ländern der Welt beherbergt“, schreibt Frisoni. Es ist außerdem ein Laboratorium, in dem das Zusammenleben unterschiedlichster Menschen vorgelebt wird. Und ein Beispiel für andere Länder. „Diejenigen, die das Luxemburg von morgen gestalten, erkennen sich nicht in der Forderung nach ethnischer Reinheit wieder, sondern in der Suche nach einer Schicksalsgemeinschaft, zu der sie durch ihre Arbeit und ihr Engagement beitragen“, konstatiert Frisoni. Offiziell sind 47,3 Prozent der Einwohner nicht-luxemburgische Staatsangehörige. Nur jeder vierte Arbeitnehmer hat die luxemburgische Staatsangehörigkeit. „Das bedeutet, dass Nichtstaatsangehörige das Brot der Luxemburger nicht nur essen, sondern auch kneten, backen und hinter der Ladentheke verkaufen“, so Frisoni. „Nicht-Staatsangehörige werden oft nicht als Ausländer wahrgenommen, weil sie so vertraut sind.“
Ich wollte die Menschen in ihrem Umfeld zeigen, in ihrem Alltag oder an ihrem Arbeitsplatz. (…) Hinter jedem Foto steckt eine Geschichte, jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen.
„Die 101 Porträts sind nur eine Auswahl“, betont Raymond Reuter, „aber allein diese wenigen Zeugnisse zeigen, dass hinter jedem Foto eine Geschichte steckt und jeder Mensch eine zu erzählen hat.“ Da ist etwa Jean Ziata, geboren im Kongo, der seit etwa 40 Jahren in Luxemburg lebt. „Er ist blind und kompensiert seine Behinderung durch seine Liebe zur Musik. Als Telefonist im Staatsdienst ist er die freundliche Stimme, die die Bürger begrüßt.“ Oder da ist der Eritreer Tesfay Berhe, der ohne seine Familie zuerst nach Italien floh, dann nach Deutschland und schließlich nach Luxemburg und heute im Restaurant „Chiche“ arbeitet – und Frau und Kinder nachkommen lassen konnte. Oder der Algerier Larbi Belmessati, der vor 17 Jahren nach Luxemburg kam und heute im Straßenbau arbeitet. Oder die Estin Kaja Kohv, die an der Universität Önologie studierte und heute in Luxemburg auf ihrem Grundstück vier verschiedene Rebsorten anbaut. Heather Madeira Ni kam mit ihrer Trompete aus Amerika: Während sie für ihre Gäste kocht, gibt sie mit ihrem Instrument ein Ständchen. Die auf den Fotos abgebildeten Personen haben Reuter und Frisoni manchmal lustige Geschichte, nicht selten dramatische oder gar schmerzvolle Erlebnisse erzählt. Sie haben es jedenfalls geschafft, sich in Luxemburg etwas Neues aufzubauen – in diesem Sinne haben die Ausstellung wie auch das Buch eine positive und hoffnungsvolle Botschaft.

De Maart













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