20. November 2025 - 6.40 Uhr
Akt.: 20. November 2025 - 7.13 Uhr
Dritte Tag des Bommeleeër-ProzessesDer rosa Elefant: Die Nebenklage greift erneut in den Prozess um Falschaussagen ein
Die Bommeleeër-Affäre ist eine große Wundertüte, das hat nicht nur jener Mammutprozess in den Jahren 2013 und 2014, der im selben großen Gerichtssaal über die Bühne ging, bewiesen. Die gesamte Affäre um jene 20 Sprengstoffanschläge in den 80er Jahren war bereits voller Volten, nachdem in Sachen Ermittlungen jahrelang so gut wie gar nichts geschehen war und aus einer Geschichte, die inmitten des Kalten Krieges stattgefunden hatte, die „Bombenstory“ des beginnenden 21. Jahrhunderts wurde.
Zu Beginn des aktuellen Verfahrens tritt Me Thierry Hirsch, Anwalt des Nebenklägers und im eigentlichen Bommeleeër-Prozess angeklagten Marc Scheer nach vorn ans Pult und sagt: „Der größte rosa Elefant im Raum ist derjenige, mit dem ich gerne zuerst sprechen würde, Ben Geiben.“ Doch der einstige Vorzeigepolizist, Gründer der Brigade Mobile der Gendarmerie (BMG), eine Zeit lang Hauptverdächtiger und danach Zeuge im damaligen, im Juli 2014 ausgesetzten Prozess befindet sich nicht reell im Raum. Dabei wäre er fast unter den Angeklagten gewesen. „Ich war erstaunt, dass er nicht als Zeuge eingeladen wurde“, sagt Me Hirsch. Dabei wurde Geiben in der Anklageschrift etwa 570 Mal erwähnt, sein Name erscheint auf mehr als der Hälfte der gut 200 Seiten.
Was allerdings wenig überrascht. Schließlich haben die Vorwürfe gegen die sieben Angeklagten, von denen nur noch sechs übriggeblieben sind und von denen am Mittwoch nur fünf anwesend waren, in den meisten Fällen mit der Observierung Geibens zu tun, wie Me Hirsch betont. „Es ist logisch, dass er auch dieses Mal als Zeuge einberufen werden muss“, so seine Argumentation, die auch jene von Me Maximilien Lehnen ist, dem Anwalt von Jos Wilmes.
„Geiben, Geiben, Geiben – Geiben ist raus“
Als weiteren Zeugen beantragen die beiden Vertreter der Nebenklage, die bereits am ersten Tag als Zivilkläger einen Schadensersatzanspruch für ihre Mandanten geltend gemacht haben, den mittlerweile pensionieren Polizeibeamten Joël Scheuer. Dieser hatte sich im Laufe seiner Ermittlungen stark für die Rolle der damaligen Sprengmeister der Armee interessiert und damit die „militärische Piste“ im Fall Bommeleeër untersucht. Doch die zumindest kurze Zeit heiße Fährte wurde nicht mehr weiterverfolgt. Dabei hätten doch Querverbindungen zwischen Armee und Gendarmerie bestanden. Als dritten Antrag stellen die Nebenkläger, die Witwe von Charles Bourg, des im Juli verstorbenen Angeklagten und früheren Generaldirektors der Polizei, in den Zeugenstand zu rufen. Sie könne vielleicht sagen, ob ihr Mann ihr etwas anvertraut hätte, das der Wahrheitsfindung dienen könnte.

Bei den Verteidigern löst das Ansinnen der Nebenkläger Empörung aus respektive „was die Parti civile hier aufführt“, wie es Frank Wies formuliert, Verteidiger von Marcel Weydert. Es gelte Maß zu halten und sei nicht der Platz, den ersten Bommeleeër-Prozess fortzusetzen. Me Georges Pierret behauptet gar, die Nebenklage lege es nur darauf an, in den Prozess reinzukommen, und habe deshalb Schadensersatz verlangt. Er warnt: „Der Prozess droht zu entgleisen. Wir führen diesen Prozess und keinen anderen.“ Und Me André Harpes, der seinen Vater Aloyse Harpes vertritt, legt noch einen drauf: „Immer wieder höre ich Geiben. Dauernd heißt es Geiben, Geiben, Geiben – Geiben ist raus.“ Me Roland Assa, Verteidiger von Ex-Polizeichef Pierre Reuland, nennt die Anträge von Hirsch und Lehnen einfach nur „hanebüchen“. Die Kriminalkammer entscheidet schließlich nach kurzer Beratung, die Anträge abzulehnen. Schließlich seien Geibens und Scheuers Aussagen schon in der Akte. Und für die Befragung der Witwe Bourg gebe es keinen Anlass.
Im zweiten Teil des Verhandlungstages fährt das Gericht mit den Berichten der Ermittler über die einzelnen Angeklagten fort. Dieses Mal geht es um Colonel Aloyse Harpes, über den der zuständige Ermittler 19 Punkte zusammengetragen hat, in denen der Angeklagte sich selbst und anderen widersprochen hatte. Harpes habe immer wieder den Eindruck erweckt, dass er nicht an den Bommeleeër-Ermittlungen beteiligt und zudem eher passiv gewesen sei. Er habe sich kaum für das Dossier interessiert. Der Angeklagte – mittlerweile 97-jährige – Harpes habe behauptet, dass er nur das gewusst habe, was andere gewusst hätten. „Doch er kann nicht behaupten, dass er nichts gewusst habe. Zwar sei nicht jeder Widerspruch strafrechtlich relevant, „aber seine Aussagen haben die Ermittlungen erschwert“.
Insiderwissen und militärische Piste
Nach den Mutmaßungen des Gendarmerie-Chefs Jean-Pierre Wagner – der Anschlag auf dessen Haus am 25. März 1986 war übrigens der letzte Anschlag der Serie – musste es bei den Attentaten Insiderwissen gegeben haben. Wenn Harpes etwa zugegeben hätte, dass es dieses Insiderwissen gegeben habe, wäre das ganze Lügengebäude, „wäre das ganze Kartenhaus zusammengefallen“, sagt die beigeordnete Staatsanwältin Dominique Peters. „Mittlerweile haben Ermittler das aufgearbeitet, was damals versäumt wurde“, so Peters.
Als etwa der Verdacht auf Geiben und auf Jos Steil, den damals stellvertretenden Leiter der BMG, gefallen war, hatte Harpes auch jene Piste wieder fallen gelassen und die Theorie von einem unbekannten Dritten bevorzugt. Dabei habe er den Ermittlern gesagt, wen er für die Täter gehalten habe: „De Geiben an dann de Steil – dat war jo een, an dann déi zwee, de Jos an de Marc.“ Er nannte also Geiben und Steil als Täter, ebenso „Jos und Marc“, Letztere aber nicht beim Nachnamen. Dass er die „piste militariste“ strich, habe er damit begründet, dass sie nicht die richtige gewesen sei. Vielleicht habe er das gute Verhältnis mit der Armee nicht beeinträchtigen wollen.
Mittlerweile haben Ermittler das aufgearbeitet, was damals versäumt wurde
Am Donnerstag, dem vierten Verhandlungstag, wird der Prozess mit den Vorwürfen gegenüber dem Angeklagten Guillaume Büchler fortgesetzt. Danach folgt Armand Schockweiler. Die Wundertüte kann sich auch dann wieder öffnen.

De Maart

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