18. November 2025 - 6.34 Uhr
Akt.: 18. November 2025 - 7.10 Uhr
Bommeleeër-AffäreAuftakt des Prozesses wegen falscher Zeugenaussagen: Nebenkläger in der Offensive

Gut elf Jahre ist es nun schon her, als der Bommeleeër-Prozess im Juli 2014 nach 177 Verhandlungstagen ausgesetzt wurde. Wer das Mammutgerichtsverfahren damals erlebt hat und nun wieder das Geschehen verfolgte, den beschlich wohl ein Déjà-vu und das Gefühl, einen Zeitsprung zu erleben. Das große Bommeleeër-Spektakel schien zurück zu sein. Ein Courtroom-Theater wie ein Kammerspiel à la „Witness for the Prosecution“ von Billy Wilder oder „Twelve Angry Men“ (was allerdings eher in einem Nebenraum spielt) von Sidney Lumet, nur eben in der neunten Kriminalkammer des Luxemburger Bezirksgerichts. Und statt zwölf Geschworenen sechs Angeklagte, zwei Nebenkläger und noch mehr Anwälte.
Der Publikumsandrang und das Medieninteresse sind so groß wie eh und je im neuen Kapitel der Affäre, die einst vom früheren Lëtzebuerger-Land-Chefredakteur Romain Hilgert als „Urban Legend“ bezeichnet wurde. Die zwei Angeklagten des Prozesses von 2013/14, der bis heute noch keine Fortsetzung gefunden hat, Marc Scheer und Jos Wilmes, sind wieder dabei, wenn auch nicht als Beschuldigte, sondern diesmal als Nebenkläger. Und unter den Presseleuten sind wieder Marc Thoma und Nico Graf: Die beiden RTL-Journalisten hatten einst vor 20 Jahren die Anschlagserie minutiös neu aufgerollt. Dabei ist auch Wilmes’ damalige Verteidigerin Me Lydie Lorang. Nur ihr Kollege Me Gaston Vogel ist nicht mehr mit von der Partie. Der berühmte Anwalt ist vor einem Jahr verstorben.

Bei dem neuen Prozess gegen die sieben Angeklagten geht es um deren mutmaßliche Falschaussagen im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den 20 Bombenanschlägen in den Jahren 1984 bis 1986. Einer der Beschuldigten, der frühere Sûreté-Ermittler und mittlerweile 89-jährige Paul Haan, kann jedoch aufgrund seiner Demenzerkrankung nicht an der Verhandlung teilnehmen. Das Verfahren wird von ihm abgetrennt. Zwei weitere Angeklagte, der einstige Gendarmerie-Offizier und spätere Polizeichef Charles Bourg sowie ein weiterer Kriminalpolizist, Lucien Linden, sind mittlerweile verstorben. Nun sind es vier einstige Gendarmerie-Führungskräfte – der 97-jährige Aloyse Harpes, Ex-Polizeichef Pierre Reuland (67), Guy Stebens und Armand Schockweiler (70) – und ein früheres Mitglied der Brigade Mobile der Gendarmerie (BMG), Marcel Weydert (68), die vor Gericht stehen, dazu noch der ehemalige Sûreté-Ermittler Guillaume Büchler (76). Letzterer erscheint ohne Verteidiger vor Gericht.
Hei soll eppes iwwer eppes mat eppes mat Bezuch op eppes decidéiert ginn
Verfahrensfragen im Vordergrund

Zu Beginn dreht es sich um etliche Verfahrensfragen. Eine der ersten Entscheidungen, die das Gericht unter dem Vorsitz von Elisabeth Ewert trifft: Die Verhandlung wird nicht in Ton und Video aufgezeichnet. Me Thierry Hirsch und Me Maximilien Lehnen, die beiden neuen Anwälte von Scheer und Wilmes, hatten eine Aufzeichnung beantragt. Wie es eine „égalité des armes“ gebe, so gebe es eben auch eine „égalité des microphones“, argumentierte Lehnen. Weiter gingen die Anträge von Me Georges Pierret, dem Verteidiger von Stebens, und von Me Benoît Entringer, dem Verteidiger von Schockweiler.
Sie beantragten die Aussetzung des Verfahrens bis zum Urteil im ersten Verfahren, dem eigentlichen Bommeleeër-Prozess. Das eine hätte schließlich mit dem anderen zu tun. Me Roland Assa, der Verteidiger von Pierre Reuland, drückt es folgendermaßen aus: „Hei soll eppes iwwer eppes mat eppes mat Bezuch op eppes decidéiert ginn.“ Die stellvertretende Staatsanwältin Dominique Peters lehnt eine Aussetzung ab. Das Gericht nimmt den Antrag nicht an und beschließt, die Frage in der Urteilsbegründung zu behandeln.
Nebenkläger statt Nebendarsteller
Scheers und Wilmes’ Anwälte, eigentlich als Nebendarsteller erwartet, gehen unisono im euphorischen Stil zweier Musketiere in die Offensive, stellen sich als Nebenkläger vor, reichen eine Zivilklage ein und fordern jeweils 500.000 Euro Schadensersatz – 250.000 Euro für „dommage matériel“ und 250.000 für „dommage moral“, zudem 65.000 Euro für Prozesskosten. Der Schaden sei schließlich ihren beiden Mandanten durch die Falschaussagen der nun Angeklagten entstanden. Seit nunmehr schon 18 Jahren seien sie als Beschuldigte der Bommeleeër-Affäre „auf dem Grill“, wie Me Hirsch sagt, der Öffentlichkeit ausgesetzt, seit elf Jahren schwebe das Verfahren.


Außerdem hat auch der Staat eine Zivilklage eingereicht. Me Philippe Penning sieht das Ansehen und die Glaubwürdigkeit des Staates beschädigt. Er verlangt einen symbolischen Schadensersatz von einem Euro. Gegen Ende des ersten Prozesstages stellt ein psychiatrischer Gutachter bei dem Angeklagten Weydert noch eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung fest, was zu einem obsessiven Verhalten und Kontrollzwang sowie zu seiner Aussage im ersten Bommeleeër-Prozess geführt habe.
Am Dienstag beginnen die einzelnen Ermittler, ihre Berichte zu den jeweiligen Angeklagten vorzustellen.

De Maart

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